Gezeiten machen habitable Zonen unbewohnbar
Redaktion
/ Pressemitteilung des AIP astronews.com
25. Februar 2011
Bei der Suche nach einem extrasolaren Planeten auf dem erdähnliche Bedingungen
herrschen, konzentriert man sich meist auf die sogenannte habitable Zone um
ferne massearme Sonnen. Doch das ist vielleicht die falsche Strategie, wie eine
jetzt veröffentlichte Studie nahelegt. Durch Gezeiten kann nämlich die habitable
Zone um massearme Sterne unbewohnbar werden.
Selbst wenn sich
ein Planet in einer habitablen Zone um einen
Stern befindet, könnte er unbewohnbar sein. Dies
gilt insbesondere für Planeten um massearme
Sterne.
Bild: NASA / JPL |
Seit 1995 kennen Wissenschaftler Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, so
genannte extrasolare Planeten, kurz: Exoplaneten. Auf der Suche nach Leben im Weltall
sind insbesondere solche Exoplaneten von Interesse, die sich in der "habitablen Zone" um
einen Stern befinden, also diesen in einer solchen Entfernung umkreisen, dass die
Temperaturen auf der Planetenoberfläche das Vorkommen von Wasser ermöglichen.
Flüssiges Wasser gilt als essenzielles Element für die Bildung von Leben. Bisher dachte
man, dass vor allem die Entfernung des Planeten zu seinem Mutterstern und die
atmosphärische Zusammensetzung des Planeten seine Oberflächentemperatur regeln.
René Heller vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP)und seine Kollegen studierten nun den Einfluss von Gezeiten, die zwischen
massearmen Sternen und ihren potenziellen erdähnlichen Begleitern wirken. Diese
Gezeiten, so fanden die Forscher heraus, erfordern eine Modifikation des traditionellen Konzepts der habitablen Zone.
Dafür sind, so Heller, drei Effekte verantwortlich. Erstens bewirken Gezeiten eine Aufrichtung
der planetaren Rotationsachsen gegen die Umlaufbahn auf 90 Grad und das bereits
innerhalb weniger Millionen Jahre. Auf der Erde beträgt dieser Winkel dank des
Bahndrehimpulses des Erdmonds konstante 23,5 Grad und verursacht unsere Jahreszeiten.
Auf erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone um massearme Sterne gäbe es demnach
keine Jahreszeiten. Das wiederum verursacht enorme Temperaturunterschiede zwischen
den Polen und dem Äquator. Sie bewirken extreme Winde und langfristig ein Ausfrieren der
Atmosphäre an den Polen und eine Evaporation am Äquator.
Als zweiter Effekt tritt, ähnlich
wie auf dem Jupitermond Io, welcher von globalem Vulkanismus gekennzeichnet ist,
zwischen massearmen Sternen und terrestrischen Planeten in der habitablen Zone eine
starke Gezeitenheizung auf. Sie vermag den Planeten umfassend unbewohnbar zu machen.
Darüber hinaus veranlassen Gezeiten drittens, dass sich die Rotationsperiode von
Exoplaneten in der habitablen Zone massearmer Sterne langfristig der Orbitperiode nähert.
Das bedeutet, innerhalb eines Bahnumlaufs erfolgt dann nur eine Eigendrehung des
Planeten. In diesem Zustand wird nur noch eine Hälfte des Planeten vom Stern bestrahlt und
erhitzt, während die andere in ewiger Dunkelheit ausfriert.
Die habitable Zone um massearme Sterne ist also zumindest nicht komfortabel, womöglich
nicht einmal habitabel. Aus beobachterischer Sicht galten bisher massearme Sterne als
aussichtsreiche Kandidaten für habitable, planetare Begleiter. Die verheißungsvollen
erdähnlichen Planeten, die mittlerweile um massearme Sterne gefunden werden und unter
denen sich bereits die ersten Kandidaten in der traditionellen habitablen Zone befinden,
müssen also nun auf Gezeiten analysiert werden.
Heller und seine Kollegen haben daher auch den kürzlich noch als ersten bewohnbaren
Exoplaneten gefeierten Kandidaten Gl581g nochmals theoretisch untersucht. Hier finden sie,
dass es auf Gl581g keine Jahreszeiten mehr geben dürfte und dass unter Annahme einer
kreisförmigen Umlaufbahn die Länge eines Tages auf dem Planeten identisch mit der Länge
eines Jahres wäre. Der Planet besäße somit kein flüssiges Oberflächenwasser und wäre
höchstwahrscheinlich unbewohnbar.
"Generell sieht es für Leben auf erdähnlichen Planeten in der traditionellen habitablen
Zone um massearme Sterne schlecht aus, wenn wir Gezeiten berücksichtigen. Auf
der Suche nach einer zweiten Erde, so scheint es, müssen wir uns auch auf die
Suche nach einer zweiten Sonne begeben", resümiert Heller. Die Arbeit der
Astronomen ist in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
erschienen.
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