Hinweise auf planetaren Geisterfahrer?
von
Rainer Kayser
4.
Oktober 2010
Das Doppelsternsystem Ny Octantis hat Astronomen schon seit
einiger Zeit Kopfzerbrechen bereitet: Beobachtungen zeigten nämlich eine
verräterische Bewegung des Sterns, die auf die Existenz eines Planeten
hindeutet. Allerdings wäre die Bahn des hypothetischen Planeten in dem System
hochgradig instabil - es sei denn, er würde sich entgegen der Umlaufrichtung der
Sterne bewegen.
Der Neptunmond
Triton ist ein Beispiel für einen retrograd
umlaufenden Mond in unserem Sonnensystem.
Bild: NASA/JPL |
Was ist los im Doppelsternsystem Ny Octantis? Langjährige Beobachtungen zeigen
eine verräterische Bewegung des Sterns, die auf die Existenz eines Planeten mit
der zweifachen Jupitermasse hindeutet. Das Problem: Die Bahn des hypothetischen
Planeten wäre in dem Doppelsternsystem hochgradig instabil. Zwei amerikanische
Astronomen präsentieren im Fachblatt Astrophysical Journal Letters nun eine Lösung für das Rätsel: Der Planet könnte sich demnach retrograd, also gegen die Umlaufrichtung der Sterne, in dem System bewegen. Und während Geisterfahrer auf der Autobahn lebensgefährlich sind, könnte die verkehrte Umlaufrichtung das Überleben des Planeten sichern: Die Computersimulationen der Wissenschaftler zeigen, dass eine solche gegenläufige Umlaufbahn langfristig stabil sein kann.
"Unsere Simulationen haben zunächst bestätigt, dass ein prograder Umlauf
- also in gleicher Richtung wie die Bewegung der beiden Sterne - für den Planeten praktisch unmöglich ist", schreiben Manfred Cuntz und Jason Eberle von der
University of Texas in Arlington. Im Gegensatz dazu sei ein retrograder Orbit aber
"eine realistische Möglichkeit" und "konsistent mit langfristiger Stabilität". Die Forscher hoffen nun, dass weitere Beobachtungen die Existenz des Planeten bestätigen, denn
"es wäre das erste Beispiel für einen Planeten auf retrograder Umlaufbahn in
einem Doppelsternsystem."
Das Ergebnis von Cuntz und Eberle könnte sich als äußerst wichtig für die Erforschung von Planeten bei anderen Sternen erweisen. Denn 60 Prozent aller Sterne sind im Gegensatz zur Sonne keine Einzelgänger, sondern bilden Doppel- oder Mehrfachsysteme. Bislang gingen die Astronomen davon aus, dass es in solchen Systemen in weiten Bereichen keine stabilen Umlaufbahnen geben könne, weil die Anziehungskräfte der Sterne sich dort gegenseitig stören.
In unserem Sonnensystem gibt es mehrere Monde, die ihre Planeten gegenläufig umrunden. Auch einige Exoplaneten bei Einzelsternen zeigen Umlaufbahnen entgegen der Eigendrehung ihres Sterns. Die Ursache für solche retrograden Bewegungen liegt vermutlich in der Entwicklungsgeschichte der jeweiligen Systeme. Beinahezusammenstöße mit
anderen großen Objekten können die ursprünglichen Bahnen so stark ändern, dass die Bahnneigungen sich um 180 Grad drehen und die Planeten oder Monde sich schließlich entgegen der ursprünglichen Richtung bewegen.
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