Zwei deutsche Kleinstsatelliten im Orbit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilungen der Universität Würzburg und der TU Berlin astronews.com
23. September 2009
Mit einer indischen Trägerrakete ist heute Morgen nicht nur der
Erdbeobachtungssatellit Oceansat-2 in eine Erdumlaufbahn gebracht
worden, sondern gleichzeitig auch vier Kleinstsatelliten - darunter der
Universität Würzburg Experimentalsatellit 2, kurz UWE-2, und BEESAT,
der Berlin
Experimental and Educational Satellite. In Würzburg und Berlin hat
man schon erfolgreich Kontakt mit den kleinen Satelliten hergestellt.
UWE-2 im All.
Bild: Universität Würzburg / idw
Der Kleinstsatellit BEESAT.
Foto: TUB / Sebastian Trowitzsch |
Hauptnutzlast der indischen Trägerrakete vom Typ PSLV (Polar Satellite Launch Vehicle),
die heute Morgen vom indischen Weltraumbahnhof Sriharikota südlich von
Chennai startete, war der Erdbeobachtungssatellit Oceansat-2
der indischen Raumfahrtagentur. Mit an Bord waren aber auch vier so
genannte Pico-Satelliten, hergestellt an den Universitäten in Berlin,
Istanbul, Lausanne und Würzburg.
Aus Würzburg stammt dabei der knapp ein Kilogramm schwere
Kleinstsatellit "Universität Würzburg Experimentalsatellit 2", kurz
UWE-2. Er wurde von einer Gruppe internationaler Studenten am Lehrstuhl
für Technische Informatik der Universität Würzburg unter der Anleitung
von Professor Klaus Schilling entwickelt und realisiert (astronews.com
berichtete).
Aufgabe von UWE-2 ist es, mit einer fortgeschrittenen Software auf
der Basis verschiedener Sensordaten möglichst genau seine Position und
Ausrichtung zu bestimmen. Die Daten dafür stammen aus einem
GPS-Empfänger sowie aus Messungen mit Sonnen-, Magnetfeld- und so
genannten Inertial-Sensoren - letztere erfassen Beschleunigungs- und
Rotationskräfte. "Die besondere Herausforderung war die clevere
Datenverarbeitung mit Miniatursensoren, um im Rahmen der
Gesamtsatellitenmasse von nur einem Kilogramm die Blickrichtung des
Satelliten zu bestimmen", erklärte Schilling.
Knapp eine Stunde nach dem Start hat UWE-2 wie geplant die Rakete
verlassen und seine Reise um die Erde begonnen. Schon wenig später
konnte eine Empfangsstation in Kalifornien die ersten Signale von ihm
empfangen. "UWE-2 ist erfolgreich nach oben gekommen und hat den
richtigen Orbit gefunden", freute sich Schilling. Inzwischen ist UWE-2
auf seiner Umlaufbahn auch über Würzburg hinweg geflogen. "In der
Bodenstation der Uni wurden die Signale empfangen und konnten dekodiert
werden", so Schilling.
Jetzt kann das UWE-2-Team "den operationellen Betrieb aufnehmen" und
das wissenschaftliche Programm starten. UWE-1, der Vorgänger von UWE-2,
war am 27. Oktober 2005 von Plesetsk in Russland aus in den Orbit
gestartet. Dort hatte er erfolgreich Experimente zum Internet im Weltall
durchgeführt und rund ein halbes Jahr lang Signale zur Erde geschickt.
In Würzburg arbeitet man derweil schon am Nachfolger UWE-3. "Wir wurden
dazu eingeladen, mit UWE-3 am Jungfernflug der europäischen Wega-Rakete
teilzunehmen", sagt Schilling. Der Start ist zwar für Dezember 2009
geplant; nach Schillings Kenntnisstand wird er sich jedoch
voraussichtlich bis ins Jahr 2010 verschieben. UWE-3 soll im Unterschied
zu seinen Vorgängern in der Lage sein, aktiv seine Position im Weltraum
zu steuern.
Nicht nur in Würzburg, auch an der TU Berlin gab es heute Grund zur
Freude: Auch der am Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin unter Leitung von
Prof. Dr.-Ing. Klaus Brieß entwickelte und gebaute Picosatellit BEESAT (Berlin
Experimental and Educational Satellite) hat den Start ins All gut überstanden. Studierende und Wissenschaftler der TU Berlin konnten bereits
von der Bodenstation in Berlin-Charlottenburg Kontakt mit dem Pico-Satelliten
aufnehmen. Der gesamte Satellitenbetrieb erfolgt vom Raumflugkontrollzentrum der
Technischen Universität Berlin und einer eigenen Bodenstation.
Auch BEESAT entspricht der CubeSat-Spezifikation und
hat die Form eines Würfels mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern und einer
Gesamtmasse von knapp einem Kilogramm. Das Missionsziel ist unter anderem die
technische Erprobung der am TU-Fachgebiet gemeinsam mit der Industrie neu
entwickelten Reaktionsräder. Sie werden genutzt, um den Satelliten, der auf eine
Geschwindigkeit von 7 Kilometern pro Sekunde kommt, in der Schwerelosigkeit
exakt auszurichten. Mit dem Betrieb der drei installierten Räder kann sich
BEESAT um die eigene Achse drehen.
"In diesem kleinen Maßstab gibt es die Reaktionsräder noch nicht. BEESAT ist
der erste Drei-Achsen-stabilisierte Picosatellit unter Verwendung von
Reaktionsrädern", erläutert Brieß. Eine weitere Besonderheit von BEESAT ist das
fehlertolerante Konzept, das dem Satelliten zu Grunde liegt. Systeme wie der
Bordcomputer, die Batterien, das Kommunikationssystem sowie diverse Sensoren
sind doppelt ausgelegt, so dass das Gesamtsystem bei einem Teilausfall weiter
betrieben werden kann. "In Bezug auf die Größe des Kleinstsatelliten war das
eine besondere Herausforderung für uns", so Brieß.
In dem Kleinstsatellit stecken noch weitere innovative
Picosatellitentechnologien. "Wir haben innerhalb von drei Jahren BEESAT komplett
neu entwickelt. So kommen auch an der TU Berlin konstruierte neuartige
Sonnensensoren zum Einsatz, die uns jeweils die Ausrichtung zur Sonne
übermitteln können", erklärt Brieß weiter.
Mit der Entwicklung und dem Betrieb von BEESAT konnte das Institut für Luft-
und Raumfahrt der TU Berlin die Praxisnähe seiner studentischen Ausbildung
weiter ausbauen. Zahlreiche Studierende waren in den vergangenen Monaten an der
Konstruktion beteiligt und werden den Satelliten vom Raumflugkontrollzentrum der
TU Berlin verfolgen. Das Projekt BEESAT begann im April 2005 im Rahmen des vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) geförderten Vorhabens
"Verifikation von Microwheels für Picosatelliten (Microwheels II)".
Nach nur drei Jahren Entwicklungszeit war das Flugmodell Anfang Juni 2008
startbereit. Der Bau von Kleinstsatelliten hat an der TU Berlin eine lange
Tradition. Bereits 1991 wurde mit TUBSAT-A der erste Satellit erfolgreich
gestartet. Die TUBSAT-Satellitenfamilie hat inzwischen sieben Mitglieder. BEESAT
setzt diese Erfolgsgeschichte fort. Zurzeit sind weitere Missionen geplant. Mit
BEESAT-2 soll ein nahezu baugleicher Satellit mit verbesserter Kamera und
Nutzlastdaten-Computer 2010 gestartet werden. BEESAT-3 ist ein
Ausbildungsprojekt, das direkt in die Lehrveranstaltungen des Fachgebiets
Raumfahrttechnik eingebettet ist. Der Start ist für 2011 vorgesehen.
|
UWE, Seite der Universität Würzburg
BEESAT,
Seite der TU Berlin |
|