Aachener Mini-Satellit umrundet Erde
Redaktion /
Pressemitteilung der FH Aachen astronews.com
29. April 2008
Besser als durch die Entwicklung und den Betrieb eines
eigenen Satelliten kann man Studierende der Luft- und Raumfahrttechnik wohl kaum
auf ihren zukünftigen Beruf vorbereiten. Und dass angehende Raumfahrttechniker
dieser Aufgabe auch gewachsen sind, zeigte sich gestern: An Bord einer indischen
Trägerrakete startete der Aachener Pico-Satellit COMPASS-1 ins All.
Der Pico-Satellit COMPASS-1.
Bild: FH Aachen / Pressestelle - Jeanne
Püttmann |
Vier Jahre intensive Arbeit der Studierenden am Fachbereich Luft- und
Raumfahrttechnik der FH Aachen haben sich gelohnt: COMPASS-1, der erste komplett
von Studierenden konstruierte Pico-Satellit Deutschlands, ist pünktlich gestern
um 5.53 Uhr Aachener Ortszeit in den Weltraum gestartet. Dann hieß es warten,
bis um 12.13 Uhr beim zweiten Überflug über Europa der erlösende erste Kontakt
zur Bodenstation auf dem FH-Gebäude Hohenstaufenallee hergestellt werden konnte:
Der Satellit funktioniert einwandfrei und konnte bereits eine erste Meldung über
seinen Temperaturstatus übermitteln.
Studierende und Professoren hatten sich am frühen Montagmorgen in den Räumen
der FH Aachen versammelt, um auf einer Leinwand den Start ihres Satelliten
live zu verfolgen. Und es wurden aufregende Stunden: COMPASS-1, ein nur 1.000
Kubikzentimeter "großer" und etwa ein Kilogramm schwerer Pico-Satellit, hob um
5.53 Uhr MESZ pünktlich im Inneren einer indischen PSLV-Trägerrakete vom
Sriharikota Space Center ab. Gemeinsam mit neun weiteren Groß- und
Kleinsatelliten trug ihn die Rakete in Richtung Orbit.
13 Minuten benötigte die Trägerrakete, bis sie in 636 Kilometer Höhe den
ersten der zehn Satelliten absetzen konnte. Kurz darauf folgte die Bestätigung,
dass auch der zweite indische Satellit erfolgreich in den Orbit entlassen wurde.
Nun sollten die acht Pico-Satelliten in einem Abstand von jeweils 20 Sekunden
folgen - doch die Bestätigung, dass der erste CubeSat erfolgreiche
ausgestoßen wurde, blieb aus. Das kanadische Team, dessen Satellit ebenfalls an
Bord der Trägerrakete war und das ständig den Status der Mission per Chat an die
Aachener Studierenden weitergab, war ratlos.
Auch unter den FH Aachen-Studierenden steigerte sich langsam die Sorge, dass
COMPASS-1 die Rakete nicht verlassen haben könnte. Als dann um 6.44 Uhr die
Meldung in Aachen einging, dass die Ausstoßsequenz anscheinend nicht ordentlich
verlaufen sei, war die Spannung unter den Studierenden fast greifbar. Um 6:57
Uhr endlich, rund eine Stunde nach dem Start, erreichte sie die erste erlösende
Nachricht: Eine kalifornische Bodenstation konnte erfolgreich das Signal eines
der Cube-Satelliten empfangen. Doch noch stand nicht fest, ob es sich dabei um
COMPASS-1 handelte oder um einen japanischen CubeSat, der auf gleicher Frequenz
seine Signale zur Erde sandte.
Ein paar Minuten später gab das von den Kaliforniern zur Verfügung gestellte
Audio-Morsesignal dann endlich Sicherheit: COMPASS-1 funktioniert und hat
erfolgreich seine endgültige sonnensynchrone Umlaufbahn in 635 Kilometern Höhe
erreicht. Durch die etwas verspätete Information zum Aussetzen des Satelliten
schickte er dann beim zweiten Überflug über Europa um 12.13 Uhr ein erstes
Lebenszeichen direkt zur Bodenstation auf dem Gebäude Hohenstaufenallee 6.
In den kommenden sechs Monaten werden die Studierenden von der Bodenstation
im Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik aus sechs Mal täglich Verbindung zu
ihrem Pico aufnehmen können. Der Kontakt dauert jeweils höchstens 14 Minuten,
dann ist der Satellit wieder aus dem Blickfeld verschwunden. In dieser kurzen
Zeitperiode wird COMPASS-1 nicht nur Daten zu seinem Gesundheitszustand -
beispielsweise zu seiner Solarzellen- und Batteriespannung oder zu seiner
momentanen Temperatur - an die Bodenstation senden, sondern gleichzeitig über
eine spezielle Datenfrequenz ausführliche Informationen zum Verhalten der
eingesetzten neuen Technologien, mit denen der Satellit bestückt ist, empfangen.
Denn COMPASS-1 dient als Testfeld für verschiedene neue Technikkomponenten,
deren Haltbarkeit und Leistungsfähigkeit im Orbit untersucht werden sollen. Am
Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik werden die Daten dann mit Unterstützung
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ausgewertet und im Internet
veröffentlicht. Da die Daten in einem standardisierten Format auf
Amateurfunkfrequenzen übertragen werden, kann jeder "mithören".
COMPASS-1 ist beispielsweise mit einer Miniaturkamera ausgestattet, die
Aufnahmen von Landflächen mit der Größe von 416 mal 380 Kilometern macht. Die
Auflösung ist so gut, dass Wolkenformationen, Küstenlinien und Gebirgsketten
identifizierbar werden. Neben der Kamera sind weitere innovative Technologien
mit an Bord des kleinen Satelliten. So testen die Entwickler hocheffiziente
Triple-Junction-Solarzellen, die einen sehr hohen Wirkungsgrad aufweisen und so
die geringe verfügbare Fläche des Satellitenkubus optimal zur Energieumwandlung
ausnutzen.
Außerdem ist ein GPS-Empfänger im Inneren des Kubus, dessen Software vom DLR
für die Satellitenanwendung modifiziert wurde. Damit stehen für das
Lageregelungssystem noch präzisere und schneller verfügbare Daten mit den
relevanten Positionsinformationen zur Verfügung. Darüber hinaus wurde ein
neuartiger extern entwickelter Funk-Transceiver integriert, der den
Informationsaustausch zwischen Satellit und Bodenstation mit einer hohen
Datenrate ermöglicht.
Wenn alles gut geht, wird COMPASS-1 bis zu einem halben Jahr (und vielleicht
auch länger) regelmäßig seine Daten bei der Bodenstation abliefern, bevor seine
elektronischen Bauteile durch die energiereiche Strahlung der Sonne nach und
nach beschädigt werden und schließlich ausfallen. Nach ein paar Jahren wird der
Pico-Satellit dann in die Erdatmosphäre eintauchen und darin verglühen. Doch bis
dahin wird es vielleicht schon einen Nachfolger an der FH Aachen geben: Der
COMPASS-2 ist bereits in Planung.
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