Neuer Schwerpunkt überprüft Standardmodell
Redaktion /
idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
25. Juni 2009
Das Standardmodell der Teilchenphysik soll im Rahmen eines
neuen Physik-Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
überprüft werden. Ab 2010 wollen Physiker aus verschiedenen Instituten
hochgenaue Experimente mit Neutronen durchführen. Sie hoffen damit, manche
bislang ungeklärte Frage der Physik beantworten zu können.
Warum gibt es in unserem Universum keine
Antimaterie? Auch diese Frage könnte das neue
Schwerpunktprogramm beantworten.
Bild: STScI / NASA |
Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat kürzlich
das neue Physik-Schwerpunktprogramm "Präzisionsexperimente zur Teilchen- und
Astrophysik mit kalten und ultrakalten Neutronen" bewilligt. Unter kalten
Neutronen versteht man Neutronen mit einer nur sehr niedrigen kinetischen
Energie. In dem jetzt eingerichteten Schwerpunktprogramm geht es um die Nutzung
neuer, leistungsstarker Quellen für ultrakalte Neutronen. Mit deren Hilfe können
Schlüsselexperimente zur Überprüfung des sogenannten Standardmodells der
Teilchenphysik durchgeführt werden.
Dieses Modell stellt die Grundlage der modernen Teilchenphysik dar, die sich
mit der Beschreibung elementarer Teilchen und deren Wechselwirkungen
untereinander beschäftigt. Allerdings gibt es einige offene Fragen in diesem
Gebiet, die das Standardmodell nicht beantworten kann. Zudem ist es
unvollständig, da es die gravitative Wechselwirkung nicht mit einbezieht. Daher
gibt es zahlreiche Bemühungen, es zu erweitern oder abzulösen.
Mit den neuen Quellen für ultrakalte Neutronen erhoffen sich die am neuen
Schwerpunktprogramm beteiligten Wissenschaftler unter anderem, die Suche nach
einem "elektrischen Dipolmoment" des Neutrons mit einer bislang unerreichten
Genauigkeit fortsetzen zu können. Das Standardmodell sagt für diese fundamentale
physikalische Größe einen extrem kleinen und nicht messbaren Wert voraus; eine
Abweichung davon wäre ein klarer Hinweis auf eine Physik jenseits dieses
Modells.
Ebenso soll es möglich werden, die Lebensdauer des Neutrons - eine sehr
wichtige, jedoch unzureichend bekannte Größe - mit höchster Präzision zu messen.
Auch Quantenzustände von Neutronen im Erd-Gravitationsfeld sollen sich mit hoher
Genauigkeit studieren lassen. Daraus könnten wiederum eventuelle Abweichungen
vom Gravitationsgesetz Newtons auf kleinen Skalen bestimmt werden.
Desweiteren wird den Wissenschaftlern mit dem Instrument "PERC" ein
intensiver Strahl von Elektronen und Protonen aus dem Neutronzerfall zur
Verfügung stehen, mit dem, so die Erwartungen, Präzisionsmessungen zur schwachen
Wechselwirkung (einer der drei fundamentalen Wechselwirkungen des
Standardmodells) bei kleinsten Energien durchgeführt werden können.
All diese Untersuchungen dienen dazu, ungeklärte Fragen der Physik, wie die
Asymmetrie von Materie und Antimaterie oder die beobachtete sogenannte
"Linkshändigkeit" bei Prozessen der schwachen Wechselwirkung zu verstehen -
experimentellen Ergebnissen zufolge sieht die Natur rechts und links nicht als
gleichwertig an.
Ein Schwerpunktprogramm der DFG wird in der Regel für die Dauer von
sechs Jahren gefördert. Das Programm "Präzisionsexperimente zur Teilchen- und
Astrophysik mit kalten und ultrakalten Neutronen" soll ab Anfang 2010 seine
Arbeit aufnehmen. Professor Dr. Werner Heil aus dem Institut für Physik der
Johannes Gutenberg-Universität war als Mitglied der der Steuerungsgruppe an der
Antragsstellung beteiligt. "Wir freuen uns, dass unser Antrag positiv von der
DFG beschieden wurde", so Heil. "Durch das neue Schwerpunktprogramm haben wir
die Möglichkeit, der Grundlagenphysik mit Neutronen eine solide Basis zu
schaffen und dem Forschungsgebiet als Ganzem eine zukunftsweisende Perspektive
zu geben."
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