Verborgene Gletscher auf dem Mars entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
21. November 2008
Mit Hilfe der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter haben
Wissenschaftler gewaltige Gletscher aus Wassereis aufgespürt, die durch eine Decke
aus Staub und Geröll geschützt sind. Die Eismassen liegen weiter von den Polen
des Roten Planeten entfernt, als zuvor aufgespürte Eisvorkommen und dürften den größten
Wasservorrat auf dem Mars jenseits der Polarkappen darstellen.

So stellt sich
ein Künstler Gletscher auf dem Mars vor.
Bild: NASA / JPL
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Der Fund gelang mit Hilfe des Radars an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter, mit dem es möglich ist, auch unter die Oberfläche des
Roten Planeten zu schauen. Auf diese Weise spürten die Wissenschaftler verdeckte
Gletscher auf, die von Berghängen ausgehend sich viele Kilometer in die
Umgebung erstrecken. Vor dem Verdampfen geschützt werden die Gletscher durch eine Decke
aus Staub und Geröll, so dass die Eismassen Überreste einer Eiszeit sein
könnten, während der auch mittlere Breiten des Mars mit einer Eisdecke
überzogen waren. Ähnliche unter Geröll verborgene Gletscher hat man auch auf der Erde in der
Antarktis entdeckt. Die Wissenschaftler berichten über ihren Fund in der
heute erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
"Insgesamt dürfte es sich bei diesen Gletschern wohl um den größten Vorrat an
Wassereis handeln, der sich jenseits der Polarkappen befindet", unterstreicht
John W. Holt von der University of Texas in Austin die Bedeutung der Entdeckung.
"Nur eine der Stellen, die wir untersucht haben, ist drei Mal größer als Los
Angeles und hatte eine Dicke von bis zu 800 Metern. Der Fund ist nicht nur
wissenschaftlich interessant, sondern das Eis könnte auch als Wasserquelle für
zukünftige bemannte Marsmissionen dienen."
In den 1970er Jahren hatten die Viking-Sonden auf dem Mars recht
eigentümliche Geländeformationen aufgespürt, über deren Ursprung die
Wissenschaftler seitdem gerätselt haben: Am Fuße von Erhebungen hatte man leicht
abschüssige ebene Flächen mit Geröllablagerungen entdeckt. Zunächst vermutete
man, dass es sich um eine Art Fluss aus Geröll handelt, der durch kleinere Eisbeimischungen quasi "geschmiert" wird. Dank der neuen Daten des
Mars Reconnaissance Orbiters ist dieses Rätsel aber nun gelöst.
"Diese Ergebnisse sind eine ganz heiße Spur, die darauf hindeutet, dass es in
diesen Breitengraden große Mengen an Wassereis gibt", meint Ali Safaeinili vom
NASA Jet Propulsion Laboratory. Safaeinili gehört zum Team des
Radarinstrumentes, mit dem die Entdeckungen gemacht wurden. Das Gerät ist ein
Beitrag der italienischen Weltraumagentur zur Mission des Mars
Reconnaissance Orbiters. "Wir haben das Instrument entwickelt, damit es
dieses Gelände untersuchen kann", so Roberto Seu von der La Sapienza Universität
in Rom. "Nun wollen wir möglichst bald ähnliche Geländeformationen untersuchen,
um zu sehen, ob sich auch dort Eis verbirgt."
Die Gletscher, über die in der aktuellen Science-Veröffentlichung
berichtet wird, befinden sich im Hellas-Becken in der südlichen
Mars-Hemisphäre. Das Radar hat aber auch ähnliche Strukturen auf der
Nordhalbkugel entdeckt. "Im Norden gibt es noch deutlich größere
Wassermengen", so Jeffrey J. Plaut, der die Ergebnisse demnächst in den
Research Letters der American Geophysical Union
veröffentlichen wird. "Die Tatsache, dass sich diese Strukturen - genau
wie auf der Südhalbkugel - zwischen dem 35. und 60. Breitengrad
befinden, weist auf ein Klimaphänomen hin, das für ihre Existenz
verantwortlich ist."
Erhalten geblieben sind die Eisansammlungen allein durch ihre
schützende Decke aus Geröll. Ohne diese wären sie schon längst
verdampft. "Die wichtigste Frage ist jetzt, wie sie da hingekommen
sind", so James W. Head von der Brown University. Der Forscher
vermutet einen Zusammenhang mit der sich ändernden Neigung der
Rotationsachse des Mars und den damit verbundenen Klimaänderungen: "Die
versteckten Gletscher würden sich dann als erhaltene Überreste aus einer
Eiszeit vor vielen Millionen Jahren erklären lassen. Auf der Erde sind
in solchen verborgenen Gletschern das Klima vergangener Erdzeitalter und
die Spuren urzeitlicher Organismen erhalten."
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