Kommt das Südpol-Eis vom Nordpol?
von Stefan Deiters astronews.com
17. Juli 2007
Gleich zu Beginn der Mission der europäischen Marssonde
Mars Express machte eines der Instrumente an Bord eine bemerkenswerte
Entdeckung: Am Südpol des Roten Planeten gibt es dauerhafte Ablagerungen von
Wassereis. Jetzt haben Wissenschaftler mit Hilfe von neuen Daten und
Mars-Klimamodellen nach der Herkunft des Eises gesucht: Es könnte vom Nordpol
des Mars stammen.
Übersicht über
die verschiedenen Typen von Eisablagerungen am
Marssüdpol.
Bild:
USGS (links), OMEGA Team / F. Montmessin (Service d'Aéronomie du CNRS - IPSL,
rechts) [Großansicht] |
Bereits bei der ersten Kartierung des Marssüdpols hatte die
europäische Sonde Mars Express Wasser- und Kohlendioxid-Eis aufgespürt
und damit praktisch ein Hauptziel ihrer Mission schon nach kurzer Zeit erfüllt
(astronews.com berichtete). Der Fund gelang mit dem Instrument OMEGA, bei dem es
sich um eine Kombination aus Kamera und Infrarotspektrometer handelt. Die
entdeckten permanenten Eisablagerungen überdecken Millionen Jahre alte
Gesteinsschichten und lieferten zudem Hinweise auf
Gletscheraktivität.
Doch wie konnte sich dieses vielleicht viele Tausend Jahre alte Eis dort
ablagern und woher stammt es? Diese Fragen blieben lange Zeit unbeantwortet.
Dank neuer OMEGA-Daten und umfangreicher Mars-Klimamodelle haben Franck
Montmessin vom französischen Service d'Aéronomie du CNRS/IPSL und seine
Kollegen eine mögliche Antwort parat.
Die ständigen Eisablagerungen am Marssüdpol, so die Wissenschaftler, bestehen
aus drei verschiedenen Typen von Eis: Es gibt Regionen mit einem Gemisch aus Wassereis und
Kohlendioxid-Eis, großflächige Bereiche aus reinem Wassereis sowie
Ablagerungen, die von einer dünnen Schicht Kohlendioxid-Eis überzogen sind.
Keine Überraschung war für die Forscher dabei die Mischung aus Wassereis und
Kohlendioxid-Eis: Wie schon früher vermutet wurde, dient hier das Kohlendioxid
als eine Art Kältefalle für das Wassereis.
Die beiden anderen Ablagerungsarten gaben den Wissenschaftlern aber Rätsel
auf: Wie konnte sich das Eis, das nicht durch Kohlendioxid-Eis gebunden ist,
hier sammeln und so lange überleben? "Wir glauben, dass die Ablagerungen von
Wassereis zwischen dem Marsnordpol und dem Marssüdpol hin- und hergeschoben
werden", erläutert Montmessin. Das geschähe in einem Zyklus der mit der
sogenannten Präzession des Planeten zusammenhängt. Als Präzession bezeichnen
Astronomen eine langsame Taumelbewegung der Drehachse eines Planeten.
Unter Berücksichtigung der Orbitparameter des Mars drehten Montmessin und
seine Kollegen die Zeit in ihren Klimamodellen 21.000 Jahre zurück. Damals
erreichte Mars - im Gegensatz zur heutigen Situation - die größte Nähe zur Sonne
im Sommer der Nordhalbkugel. Nach Auskunft der Klimamodelle war das Wasser am Marsnordpol
damals instabil, konnte verdampfen und so zum kälteren Südpol wandern, wo es
wieder kondensierte und an der Oberfläche gefror.
Auf diese Weise hätten sich etwa ein Millimeter Eis pro Jahr am Marssüdpol
ablagern können, was innerhalb von 10.000 Jahren zu einer Schicht von bis zu
sechs Metern Eis geführt haben könnte. Vor 10.000 Jahren änderten sich aber die Gegebenheiten und es stellte sich
langsam die heutige Konstellation ein. Nun begann Wasser wieder am Südpol zu
verdampfen und zum Nordpol zurückzukehren. Vor 1.000 Jahren jedoch ist noch
etwas anderes passiert: Über Teile des Südpol-Eises legte sich eine Kohlendioxid-Schicht und
hat so ein weiteres Abschmelzen dieser Ablagerungen verhindert.
|