Lauschen auf ein Läuten der WIMPs
von Stefan Deiters astronews.com
26. Februar 2008
Daran, dass es Dunkle Materie gibt, zweifelt kaum ein
Physiker, doch um was es sich bei diesem mysteriösen Material handeln könnte,
darüber gehen die Meinungen auseinander. In einer Mine in Minnesota warten
Forscher darauf, dass ihnen einer der Hauptverdächtigen ins Detektornetz geht,
ein Weakly Interacting Massive Particel, kurz WIMP. Bis jetzt haben sie
- trotz leistungsfähiger Apparaturen - noch keinen einzigen entdeckt.
Einer der Detektoren des CDMS-Experiments.
Foto:
Fermilab |
Dem bisherigen Null-Ergebnis des Cyrogenic Dark Matter Search
(CDMS)-Experiments können die Physiker auch durchaus positive Seiten abgewinnen:
"Mit unseren neuen Ergebnissen sind wir der Konkurrenz weit voraus", ist sich
etwa Blas Cabrera von der Stanford University sicher. "Wir haben
inzwischen die schärfsten Grenzwerte dafür ermittelt, wie oft
Dunkelmaterie-Teilchen mit normaler Materie wechselwirken und wie schwer sie
sein können - insbesondere im derzeit favorisierten Massenbereich von mehr als
40 Protonenmassen. Unsere Detektoren sind nun empfindlich genug, um WIMPs zu
hören, auch wenn sie die 'Glocken' unserer Detektoren nur zwei Mal im Jahr zum
Läuten bringen. Allerdings haben wir bislang nichts gehört."
WIMPs, die Abkürzung steht für Weakly Interacting Massive Particels
also "schwach wechselwirkende massereiche Partikel", sind einer der
führenden Kandidaten für die geheimnisvolle Dunkelmaterie, die nach allen
Beobachtungen einen Großteils der Masse des Universums auszumachen scheint. Eine
Besonderheit dieser von manchen Theorien geforderten Teilchen ist es, dass sie
praktisch gar nicht mit normaler Materie wechselwirken. Milliarden von ihnen
könnten also in jeder Minute durch unseren Körper hindurch fliegen, ohne dass
wir etwas davon bemerken oder sie irgendeinen Schaden anrichten würden. Das
macht natürlich auch die Entdeckung solcher WIMPs enorm schwierig.
"Wir sind schon enttäuscht, dass wir bislang noch keine WIMPs gesehen haben",
gibt Bernard Sadoulet von der University of California in Berkeley zu.
Trotzdem würden die bisherigen Resultate die Leistungsfähigkeit der Anlage unter
Beweis stellen und für die Zukunft hoffen lassen.
Die Teilchenphysiker vermuten, dass WIMPs in ganz seltenen Fällen mit
normaler Materie - und damit auch mit einem Detektor - reagieren. Und genau auf
diese seltenen Ereignisse baut das CDMS-Experiment: Es befindet sich in einer
Mine im amerikanischen Minnesota, so dass die Detektoren von kosmischer
Strahlung und anderen Teilchen bestmöglich abgeschirmt sind. Bei einer
Temperatur nur wenig über dem absoluten Nullpunkt betreiben die Wissenschaftler
dort ihre Detektoren aus Germanium. Die Hoffnung ist, dass irgendwann einmal ein
WIMP ein Germanium-Atomkern trifft und dadurch das Germanium-Kristallgitter in
Schwingungen versetzt. Diese könnte man dann registrieren.
Bis heute wurde allerdings nichts gemessen, doch auch daraus lassen sich
Schlüsse ziehen: Hätten WIMPs beispielsweise die 100-fache Masse eines Protons,
müssen sie seltener als nur wenige Male pro Jahr mit einem Kilogramm Germanium
kollidieren - andernfalls hätte man sie bereits entdecken müssen. "Die Natur der
Dunklen Materie ist eines der größten Rätsel der Teilchenphysik und der
Kosmologie", so Dr. Dennis Kovar vom Office of Science des
US-Energieministeriums. "Wir können dem CDMS-Team nur gratulieren, dass sie mit
einer neuen Empfindlichkeit nun neue Grenzwerte für die Suche nach Dunkler
Materie setzen können."
"Beobachtungen mit Teleskopen zeigen wieder und wieder, dass Dunkle Materie
existiert. Sie hält alle kosmischen Strukturen zusammen, auch unsere
Milchstraße. Könnte man WIMPs nachweisen, wüsste man endlich, welcher Natur
diese Dunkle Materie ist, die eine so wichtige Rolle bei Entstehung und
Entwicklung von Galaxien im Universum spielt", ergänzt Joseph Dehmer, Direktor
des Fachbereichs Physik bei der National Science Foundation der USA.
Würde man WIMPs entdecken, müsste man das Standardmodell der Teilchenphysiker
entsprechend ergänzen. Es wäre ein wichtiger Schritt zur experimentellen
Bestätigung eines ganzen Satzes von theoretischen Konzepten, die zwar elegant
einige Probleme lösen, aber bislang im Experiment noch nicht bestätigt
wurden. Mit dem CDMS-Experiment und den ersten jetzt vorgestellten Resultaten,
können diese Theorien einem Test unterzogen werden.
"Unsere Resultate liefern wichtige Randbedingungen für theoretische Modelle
wie Supersymmetrie und Theorien mit zusätzlichen Dimensionen der Raumzeit, die
die Existenz von WIMPs vorhersagen", erklärt Dan Bauer, CDMS-Projektmanager am
Fermilab. "Für WIMP-Massen, die von diesen Theorien vorhergesagt
werden, sind wir nun wieder der empfindlichste Detektor auf der ganzen Welt."
Bislang war dies das Xenon 10-Experiment im italienischen Gran Sasso.
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