Jagd nach den WIMPs beginnt
Redaktion / idw / FZK
astronews.com
4. April 2006
Das Universum ist nach heutigem Erkenntnisstand nur zu einem
kleinen Teil für uns sichtbar. Der größte Anteil seiner Masse besteht aus so
genannter Dunkler Energie und Dunkler Materie. Letztere soll das Experiment
EDELWEISS II untersuchen, das zurzeit von einer internationalen
Wissenschaftlergruppe in einem Untergrundlabor in den französischen Alpen
aufgebaut wird. Freitag wurde es eingeweiht.
Unser Universum (hier:
Galaxien im Hubble Deep Field) besteht hauptsächlich aus
Dunkelmaterie. Foto:
STScI / NASA
|
Die Messungen aus Rotationskurven von Galaxien und der Expansionsrate des
Universums legen nahe, dass wir nur einen kleinen Teil der Materie im Kosmos
sehen: rund vier Prozent bilden die sichtbare Materie, aus der die Sonnen der
Galaxien bestehen. Der große Rest ist für uns nicht direkt sichtbar und besteht
aus Dunkler Energie (rund 73 Prozent) und Dunkler Materie (rund 23 Prozent).
Diese Dunkle Materie kann aus sehr leichten Teilchen, beispielsweise
Neutrinos, oder aus sehr massereichen, noch unbekannten neuen Teilchen bestehen.
So wird im Forschungszentrum Karlsruhe gerade das Experiment KATRIN aufgebaut,
um zu klären, wie groß die Masse der Neutrinos ist. Der vermutlich deutlich
größere Anteil der dunklen Materie wird jedoch den so genannten WIMPs
zugeschrieben. WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles = schwach
wechselwirkende schwere Partikel) sind geheimnisvolle und bisher spekulative
Partikel, die von Modellen der Elementarteilchenphysik vorhergesagt werden und
die sich in unserer Milchstraße in großer Anzahl befinden sollten.
In einem Untergrundlabor in den französischen Alpen gehen Wissenschaftler aus
Frankreich, Deutschland und Russland mit dem Experiment EDELWEISS II auf die
Suche nach diesen galaktischen WIMPs. Die Detektoren bestehen aus hochreinen
Germaniumkristallen und werden fast auf den absoluten Nullpunkt (auf 0,02
Kelvin, entsprechend -273,13 Grad Celsius) abgekühlt. In diesen Detektoren – so
genannten Bolometern – müsste gelegentlich ein WIMP mit einem Germanium-Atomkern
zusammenstoßen. Die dabei freiwerdende Energie versetzt den Germaniumkristall in
Schwingung; dies löst eine geringe, aber messbare Temperaturerhöhung aus.
Außerdem werden durch den Rückstoß des Germaniumkerns elektrische Ladungen
erzeugt, die gleichzeitig gemessen werden.
Die erwarteten Zählraten sind äußerst gering (eventuell nur einige Ereignisse
pro Jahr und Kilogramm Detektormaterial). Deshalb müssen die Wissenschaftler
sehr viel Aufwand betreiben, um unerwünschte Störsignale auszuschließen.
EDELWEISS II (EDELWEISS steht für Expérience pour DEtecter Les WIMPs En Site
Souterrain) entsteht tief unter der Erde, in einer Experimentierhalle des
Untergrundlabors von Modane im Frejus-Tunnel in den französischen Alpen. Hier
schirmen 1.700 Meter Gestein den größten Teil der kosmischen Strahlen ab.
"Was von der kosmischen Strahlung im Untergrund noch übrig bleibt – weniger
als ein Millionstel aller Myonen, die an der Erdoberfläche ankommen – wird von
einem 100 m2 großen System von Detektoren des Forschungszentrums
Karlsruhe aufgespürt und kann die Messungen nicht mehr stören", erklärt Dr.
Klaus Eitel, der im Institut für Kernphysik des Forschungszentrums Karlsruhe für
dieses Experiment verantwortlich ist. "Andere Strahlung, die aus dem umliegenden
Gestein kommt, wird durch massive Blei- und Polyethylenplatten abgeschirmt.
Außerdem haben wir für alle kritischen Bauteile des Experiments Materialien mit
extrem niedriger Radioaktivität ausgewählt."
Das Herzstück des Experiments ist ein Kryostat mit 100 Litern Volumen, der
die Germaniumdetektoren auf einer Temperatur von 0,02 Kelvin hält. Derzeit ist
er mit 8 Bolometern bestückt, in der ersten Jahreshälfte wird die erste
Ausbaustufe mit 28 Bolometern vollendet werden. Ab 2007 soll die Anzahl der
Detektoren um weitere 90 steigen. Mit einer Gesamtmasse von dann 30 kg Germanium
steigert das EDELWEISS II-Experiment die Sensitivität für den Nachweis von WIMPs
um einen Faktor 100 und kann damit viele Modellvorhersagen der
Elementarteilchenphysik überprüfen.
Die EDELWEISS-Kollaboration besteht aus sechs französischen Forschergruppen,
einem russischen Team, dem Forschungszentrum Karlsruhe sowie der Universität
Karlsruhe. Sie bringt Spezialisten sehr unterschiedlicher Disziplinen wie
Elementarteilchenphysik, Festkörperphysik, Astrophysik und Tieftemperaturphysik
zusammen. Das Vorläufer-Experiment (EDELWEISS I) konnte bis 2002 die bis dahin
sensitivste Suche nach dunkler Materie durchführen und dabei zeigen, dass die
eingesetzte Technik, die nun Basis des EDELWEISS II-Experimentes ist, die
Erwartungen erfüllte.
|