Gewaltiger
Galaxien-Crash
von Stefan Deiters astronews.com
7. August 2007
Das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer hat
in fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung die Kollision von gleich vier Galaxien
aufgespürt. Es ist eine der größten kosmischen Karambolagen, die je beobachtet
wurde. Aus den vier Galaxien könnte einmal eine der größten Galaxien im
Universum werden. Für die Astronomen sind die
Beobachtungen eine seltene Gelegenheit, die Entstehung der massereichsten
Galaxien zu verfolgen.

Blick auf die Vierer-Kollision in fünf
Milliarden Lichtjahren Entfernung.
Bild: NASA / JPL-Caltech /K. Rines (Harvard-Smithsonian CfA)
[Großansicht] |
"Die meisten Galaxienkollision, die wir kennen, sind vergleichbar
mit einem Zusammenstoß von Kleinwagen", vergleicht Kenneth Rines vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics im amerikanischen Cambridge.
"Was wir hier vor uns haben, ähnelt mehr dem Zusammenstoß von vier großen
Sandlastwagen, die dabei ihre Ladung überall verteilen." Rines ist Hauptautor
eines Artikels über die Beobachtungen, der gerade für eine Veröffentlichung in
der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters akzeptiert wurde.
Kollisionen und das anschließende Verschmelzen von Galaxien sind im Universum
eigentlich nichts Besonderes: Immer wieder geraten Galaxien in den
Einflussbereich ihrer gegenseitigen Anziehungskräfte und verschmelzen. Die
Sterne der Galaxien werden dabei in der Regel zwar gehörig
durcheinandergewirbelt, überstehen den Prozess aber relativ unbeschadet. Auch
unsere Milchstraße wird in einigen Milliarden Jahren mit der Andromeda-Galaxie
verschmelzen. Nach Ansicht der Astronomen sind die heutigen großen Galaxien alle
durch wiederholtes Verschmelzen von kleineren Galaxien entstanden, so dass
Kollisionen entscheidend für die Strukturbildungsprozesse im Universum sind.
Kleinere Verschmelzungen, bei denen sich eine große Galaxie mit mehreren
kleineren Galaxien vereinigt, sind relativ zahlreich und deswegen schon häufig
beobachtet worden. Auch große Verschmelzungen von zwei gleichgroßen Galaxien
kommen nicht selten vor. Doch einen Kollision und Verschmelzung von mehr als
zwei großen Galaxien ist schon einen Besonderheit und wurde bislang nicht
beobachtet.
Die Vierfach-Kollision entdeckte das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer durch
Zufall während einer Durchmusterung entfernter Galaxienhaufen. Sie
spielt sich im Galaxienhaufen CL0958+4702 ab, der etwa fünf Milliarden
Lichtjahre von der Erde entfernt ist. An der Kollision beteiligt sind vier
elliptische Galaxien, von denen drei etwa die Größe unserer Milchstraße haben
und die vierte etwa drei Mal so groß ist.
Zunächst war Spitzer nur eine merkwürdige Struktur aufgefallen, die irgendwie
aus der Galaxiengruppe ragte. Nähere Analysen zeigten dann, dass es sich dabei
um Milliarden von alten Sternen handelt, die durch die Kollision ins All
geschleudert wurden. Etwa die Hälfte von ihnen wird später wieder von der
Galaxie eingefangen werden. "Wenn diese Verschmelzung beendet ist, wird dies
eine der größten Galaxien im Universum sein", so Rines.
Die Astronomen stellten außerdem fest, dass bei der Kollision offenbar kaum
Gas im Spiel ist: Nach Ansicht der Theoretiker gibt es sowohl gas-reiche als
auch gas-arme Verschmelzungen, bei den gas-reichen können aus dem bei der
Kollision komprimierten Gas neue Sterne entstehen und es kommt zu regelrechten
Ausbrüchen von Sternentstehung. Bei den gas-armen Kollisionen entstehen keine
neue Sterne. Im Falle von CL0958+4702 hat Spitzer nur alte Sterne
gefunden.
"Die Spitzer-Daten zeigen, dass diese großen Verschmelzungen gas-arm
sind, im Gegensatz zu den meisten Kollisionen, die wir kennen", so Rines. "Die
Daten sind auch der bislang beste Beweis dafür, dass die größten Galaxien im
Universum sich vor relativ kurzer Zeit durch solche Verschmelzungen gebildet
haben."
Einige der Sterne, die durch die Kollision ins All geschleudert wurden,
werden in Zukunft nie wieder zu einer Galaxie gehören. Trotzdem könnten sie
Planeten haben. Der Nachthimmel auf diesen Welten würde sich aber merklich von
unserem Nachthimmel unterscheiden: Zu erkennen wären deutlich weniger Sterne,
dafür aber mehr Galaxien.
|