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ASTROTEILCHENPHYSIK
Neutrino-Jagd im Mittelmeer
Redaktion / idw / Universität Erlangen-Nürnberg
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19. April 2006

Während die meisten Astronomen ihre Teleskope gen Himmel richten, blickt eine internationale Forschergruppe unter Leitung des Erlanger Physikers Prof. Dr. Ulrich Katz in die genau entgegengesetzte Richtung: Der Astroteilchenphysiker Katz von der Universität Erlangen-Nürnberg und sein Team planen ein riesiges Neutrino-Teleskop, das den Namen KM3NeT trägt und auf dem Grund des Mittelmeers verankert werden soll.

Hubble Deep Field

Aus den Weiten des Universums (hier: Galaxien im Hubble Deep Field) erreichen uns hochenergetische Neutrinos. Foto: STScI / NASA

Eine vorbereitende Design-Studie wird mit 20 Millionen Euro gefördert, neun Millionen davon kommen von der EU. An dem auf drei Jahre angelegten Projekt arbeiten insgesamt 36 Forschungsinstitute aus Astroteilchenphysik, Teilchenphysik, Astrophysik sowie Meeresforschung und Tiefseetechnologie mit. Etwa einhundert der beteiligten Wissenschaftler trafen sich zum Projektstart vom 11. bis zum 13. April 2006 in Erlangen, um dort das erste Projektjahr zu planen und Aufgaben zu verteilen.

Ziel der europäischen Design-Studie wird es sein, innerhalb der kommenden drei Jahre die genauen technischen Spezifikationen des KM3NeT-Neutrino-Teleskops zu erarbeiten und zu dokumentieren. Auf dieser Grundlage soll dann die Finanzierung des etwa 200 Millionen Euro teuren Projekts sichergestellt und zügig mit dessen Realisierung begonnen werden.

Intensiv eingebunden in die Design-Studie sind Institute aus dem Bereich der Meeresforschung und -technologie, die einerseits ihre Expertise in das Design des Neutrino-Teleskops einbringen, andererseits aber auch die entstehende Tiefsee-Infrastruktur für Forschung in Bereichen wie zum Beispiel Meeresbiologie, Geologie, Geophysik, Ozeanographie und Umweltwissenschaften nutzen werden. KM3NeT ist somit eine multidisziplinäre Forschungs-Infrastruktur und wird als solche auf der Prioritätenliste des European Strategy Forum on Research Infrastructures geführt.

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Mit Hilfe des KM3NeT-Teleskops wollen die Forscher versuchen, eines der größten Rätsel der Astrophysik zu lösen: die Frage nach der Herkunft der hochenergetischen kosmischen Strahlung. Diese Strahlung besteht aus Protonen und schwereren Atomkernen, die aus dem Weltall kommend ständig die Atmosphäre der Erde bombardieren. Trotz jahrzehntelanger Anstrengungen ist es der Wissenschaft bis heute nicht gelungen, sicher zu sagen, woher die Teilchen kommen und wie die kosmischen Teilchenbeschleuniger funktionieren.

Von Neutrinos - winzigen Elementarteilchen, die durch das Weltall rasen - erhoffen sich die Wissenschaftler nun neue Hinweise. Für die astrophysikalische Forschung sind in den letzten Jahren sehr hochenergetische Neutrinos in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diese Neutrinos entstehen dort, so vermuten die Forscher, wo auch die kosmische Strahlung ihre Quelle hat.

Neutrinos können zum Beispiel produziert werden, wenn ein Schwarzes Loch und ein Begleitstern sich sehr eng umeinander drehen und dabei Materie vom Begleitstern auf das Schwarze Loch übergeht. Eine andere mögliche Quelle hochenergetischer Neutrinos könnte in so genannter kalter "dunkler Materie" bestehen. Diese dunkle Materie könnte im Urknall bei der Geburt unseres Universums produziert worden sein. Die Teilchen der dunklen Materie können zusammenstoßen und dabei Neutrinos erzeugen.

Auf ihrem Weg zur Erde werden die Neutrinos von magnetischen oder elektrischen Feldern nicht abgelenkt, so dass man von ihrer Bewegungsrichtung auf ihren Herkunftsort schließen kann. Erreichen sie dann unseren Planeten, durchdringen die Neutrinos - anders als andere kosmische Teilchen - die Erde nahezu ungehindert. Denn Neutrinos gehen äußerst selten Reaktionen mit anderen Elementarteilchen ein. Dieses Phänomen wollen sich die Wissenschaftler zu Nutze machen: Um die Neutrinos nachzuweisen, setzen sie die Erde als Abschirmung gegen alle anderen Teilchensorten ein und richten deshalb ihre Detektoren nach unten.

Die Reaktionsunlust der Neutrinos stellt die Experimentalphysiker aber gleichzeitig vor eine schwere Aufgabe. Um die Teilchen aufzuspüren und ihren Herkunftsort zu bestimmen, müssen sie riesige Detektoren bauen, in denen wenigstens einige der ankommenden Neutrinos eine Reaktion eingehen. Wenn die Neutrinos dann reagieren, erzeugen sie sekundäre, geladene Teilchen - so genannte Myonen. Die Myonen fliegen entlang der ursprünglichen Richtung des Neutrinos und legen dabei eine Strecke von bis zu mehreren Kilometern zurück. Sie strahlen auf diesem Weg ein bläuliches Licht ab.

Das Lichtsignal wird von einer Anordnung von bis zu mehreren Tausend hochempfindlicher Photosensoren registriert und genau vermessen. Aus den so gewonnenen Daten lässt sich dann die Herkunft der Neutrinos rekonstruieren. Um mögliche Störungen durch das Tageslicht und durch von oben kommende Teilchen der kosmischen Strahlung auszuschalten, müssen die Detektoren unter Wasser in mehreren Kilometern Tiefe installiert werden.

Erste Erfolge bei der Neutrino-Jagd konnten die Physiker schon mit Neutrino-Teleskopen im Baikal-See in Sibirien und dem Amanda-Detektor am Südpol erzielen. Im Mittelmeer sind drei solcher Experimente im Aufbau, darunter - mit starker Erlanger Beteiligung - das Neutrino-Teleskop Antares, das etwa 0,03 Kubikkilometer groß ist. Um der Neutrino-Astronomie zum Durchbruch zu verhelfen, müssen jedoch Detektoren errichtet werden, die einen Kubikkilometer und mehr umfassen.

Am Südpol entsteht bis zum Jahr 2010 in dieser Größenordnung ein Teleskop namens IceCube. IceCube wird den Nordhimmel beobachten, wohingegen das Blickfeld von KM3NeT - das ähnlich groß werden soll - den Südhimmel und insbesondere die zentrale Region unserer Galaxis umfassen wird, wo intensive Neutrino-Quellen vermutet werden.

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siehe auch
Physik: Was wiegt ein Neutrino? - 12. Juli 2005
Neutrinos: KATRIN soll Neutrinomasse bestimmen - 6. Juli 2001
Neutrinos: Preis für obere Massengrenze - 23. Mai 2001
AMANDA: Teleskop unter dickem Eis - 22. März 2001
 
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