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Standardmodell der Kosmologie durch neue Analyse bestätigt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Ruhr Universität Bochum astronews.com
26. März 2025
Acht Jahre lange wurden im Rahmen des Kilo-Degree-Survey
große Teile des südlichen Himmels beobachtet, um neue Einblicke in die
Materieverteilung im Universum zu gewinnen. Jetzt wurde der finale Datensatz und
eine neue Auswertung vorgestellt. Im Gegensatz zu früheren Analysen scheinen die
Daten gut mit dem kosmologischen Standardmodell übereinzustimmen - zur
Überraschung des Teams.

Aus den Daten des Kilo-Degree-Survey
bestimmten die Forschenden die Materieverteilung im Universum.
Bereiche mit besonders hoher Materiedichte sind hier rot
gezeigt. Der Mond wurde zum Größenvergleich in das Bild
kopiert.
Bild: R. Reischke, K. Kuijken,
B.Giblin und das KiDS-Team [Großansicht] |
Frühere Analysen der Daten aus dem Kilo-Degree-Survey (KiDS) hatten Zweifel
am Standardmodell der Kosmologie aufkommen lassen: Die Daten hatten eine
gleichmäßigere Materieverteilung nahegelegt, als das Standardmodell basierend
auf Messungen des Planck-Satelliten vorhersagt (astronews.com berichtete). Nach
Analyse des nun vollständigen KiDS-Datensatzes mit verbesserten Methoden und
Kalibrationsdaten sind die Ergebnisse jedoch im Einklang mit dem Standardmodell.
Dieses beschreibt, wie das Universum entstanden ist und sich entwickelt hat.
"Wir haben uns bei der finalen Auswertung viel Mühe gegeben, um die Methoden so
weit wie möglich zu optimieren", sagt Dr. Angus Wright von der Ruhr-Universität
Bochum. "Dass das Ergebnis jetzt so stark von unseren vorherigen Analysen
abweicht, hat uns selbst überrascht, aber wir konnten die Gründe dafür
identifizieren."
Die Materiedichte und -struktur lässt sich mit verschiedenen Verfahren
bestimmen. Das KiDS-Team nutzte dafür den Gravitationslinseneffekt: Massereiche
Objekte lenken das Licht von Galaxien ab, sodass diese Galaxien von der Erde aus
betrachtet mit verzerrter Form an einer anderen Stelle erscheinen, als sie
tatsächlich sind. Aus diesen Verzerrungen kann die Kosmologie auf die Masse der
ablenkenden Objekte und somit auf die Gesamtmasse des Universums
zurückschließen. "Der große Vorteil gegenüber anderen Methoden ist dabei, dass
man mit dem Gravitationslinseneffekt auch die dominante Dunkle Materie
nachweisen und diese quasi sichtbar machen kann", erklärt Dr. Robert Reischke
von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Dazu müssen die Forschenden jedoch unter anderem die Abstände zwischen
Lichtquelle, ablenkendem Objekt und Beobachter kennen. Diese wiederum ermitteln
die Forschenden mithilfe der Rotverschiebung, die besagt, dass das Licht weiter
entfernt liegender Galaxien zu längeren Wellenlängen verschoben auf der Erde
ankommt. Aufnahmen von 41 Millionen Galaxien, die mit dem Very Large
Telescope Survey Telescope erzeugt wurden, gingen in die Analyse ein. Die
KiDS-Daten decken dabei einen Bereich von 1347 Quadratgrad des Himmels ab. Das
entspricht ungefähr zehn Prozent des Himmels, auf den der Blick nicht durch
unsere Milchstraße verdeckt ist.
Um die Rotverschiebung von so vielen Galaxien bestimmen zu können, verwendete
das Team das photometrische Verfahren: Die Forschenden nahmen neun Bilder jeder
Galaxie bei unterschiedlichen Wellenlängen auf und bestimmten die Helligkeit der
Galaxien auf den verschiedenen Bildern; daraus konnten sie auf die
Rotverschiebung zurückschließen. Präziser kann man die Rotverschiebung
spektroskopisch erfassen; aber das ist zu aufwendig, um die Methode auf
Millionen von schwach leuchtenden Galaxien anzuwenden. Für einige Galaxien
liegen allerdings sowohl spektroskopische als auch photometrische Daten vor,
sodass das KiDS-Team seine photometrischen Messungen der Rotverschiebungen mit
diesen präzisen spektroskopischen Daten kalibrieren kann.
Während die Vorgängeranalyse KiDS-1000 spektroskopische Daten von rund 25.000
Galaxien für die Kalibrierung verwendete, standen für KiDS-Legacy Daten von
126.000 Galaxien zur Verfügung. Zudem wendeten die Forschenden optimierte
Methoden und neue Computersimulationen für die Analyse an, um systematische
Unsicherheiten im finalen Datensatz zu reduzieren. Aufgrund der optimierten
Auswertung konnte das Team weiter entfernt liegende Galaxien in die Analyse
einbeziehen als bei der vorherigen Analyse. Während KiDS-Legacy 10,4 Milliarden
Lichtjahre weit blicken kann, war KiDS-1000 noch auf Galaxien mit maximal 8,5
Milliarden Lichtjahren Entfernung beschränkt.
Um nicht durch vorherige Analysen oder eigene Hypothesen voreingenommen zu
sein, ist es in der Kosmologie üblich, Datensätze blind auszuwerten. Bevor die
Analyse startet, wird der Katalog aller Galaxien an eine externe Person
geschickt, die für jede Galaxie einen bestimmten Parameter verändert, sodass
drei Varianten des Datensatzes entstehen: einer mit den echten gemessenen Werten
und zwei mit leicht veränderten Werten. Die Forschenden, die den Datensatz
auswerten, wissen nicht, welches die echten Daten sind. Sie führen ihre Analyse
mit allen Datensätzen durch und erfahren erst anschließend, welches das richtige
Ergebnis ist. Danach wird die Analysemethode nicht mehr verändert.
Laut den KiDS-Legacy-Daten ist die Materie im All etwas ungleichmäßiger
verteilt, als KiDS-1000 ergeben hatte. "Dabei zeigen viele Tests zur internen
Konsistenz der Daten, dass diese finale Analyse deutlich robuster ist als
vorherige Studien", erklärt Dr. Benjamin Stölzner von der Ruhr-Universität
Bochum. Die neuen Ergebnisse verglich das Team auch mit denen anderer Surveys.
Frühere KiDS-Analysen hatten auf eine Diskrepanz zum Planck-Survey hingedeutet,
der die Materiedichte basierend auf dem kosmischen Mikrowellenhintergrund
schätzt, einer Strahlung, die kurz nach dem Urknall ausgesandt wurde und noch
heute messbar ist. "Die Abweichungen unseres KiDS-Datensatzes haben in den
vergangenen Jahren in der Forschungscommunity für einiges Aufsehen gesorgt",
schildert Prof. Dr. Hendrik Hildebrandt von der Ruhr-Universität Bochum und
Koordinator des KiDS-Teams. "Ironischerweise lösen wir diese Diskrepanz nun
selbst auf. Zu unserer Überraschung enthalten die KiDS-Legacy-Daten keine
Hinweise auf Fehler im Standardmodell der Kosmologie."
Die finale Auswertung ist in fünf Publikationen beschrieben, die in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurden bzw.
werden sollen. Darin
erklären die Forschenden auch, wie die Unterschiede in den verschiedenen KiDS-Analysen
zustande kommen.
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Wright, A. et
al. (2024): The Fifth Data Release of the Kilo Degree Survey:
Multi-Epoch Optical/NIR Imaging Covering Wide and Legacy-Calibration
Fields, A&A, 686, A170
Reischke, R. et al. (2024):
KiDS-Legacy: Covariance Validation and the Unified OneCovariance
Framework for Projected Large-Scale Structure Observables, A&A
(arXiv.org-Preprint)
Stölzner, B. et al. (2025):
KiDS-Legacy: Consistency of Cosmic Shear Measurements and Joint
Cosmological Constraints with External Probes, A&A
(arXiv.org-Preprint)
Wright, A. et al. (2025):
KiDS-Legacy: Redshift Distributions and Their Calibration, A&A
(arXiv.org-Download)
Wright, A. et al. (2025): KiDS-Legacy: Cosmological Constraints from Cosmic
Shear with the Complete Kilo-Degree Survey, A&A (arXiv.org-Preprint)
Kilo-Degree Survey (KiDS)
Ruhr-Universität Bochum
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