Erfolgreiche Entfernungsmessung mit Megahertz-Laser
Redaktion
/ Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der ÖAW astronews.com
13. Januar 2025
Einem Team aus Österreich ist es gelungen, die Entfernung zu
Satelliten und Weltraumschrott unter Verwendung eines Megahertz-Lasers zu
bestimmten. Neben einer erhöhten Genauigkeit ermöglicht das neue System einen
schnellen Wechsel zwischen hochgenauen Satelliten- und Weltraumschrottmessungen
ohne den Messaufbau adaptieren zu müssen.

Die Grazer SLR-Station im nächtlichen
Beobachtungsbetrieb.
Foto: Dr. Christian Kettenbach [Großansicht] |
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Anzahl an aktiven Satelliten kontinuierlich
gestiegen. Aktuell umkreisen ca. 10.000 funktionstüchtige Satelliten unseren
Planeten. Demgegenüber stehen ca. 40.000 Weltraumschrottobjekte größer als zehn
Zentimeter und mehr als eine Million Teile größer als ein Zentimeter, die eine
Gefahr für aktive Satelliten darstellen. Um hochpräzise Entfernungsmessungen zu
Satelliten und Weltraumschrott durchführen zu können, verwendeten die Forscher
am Observatorium Lustbühel, einer Außenstelle des Instituts für
Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW),
bislang zwei ähnliche Messaufbauten, die aber unterschiedliche Laser benötigen.
Für Messungen zu Satelliten, deren Retroreflektoren Laserlicht zielgerichtet
zur Station zurücksenden, wird aktuell ein Laser mit einer Pulsdauer von 10
Pikosekunden (10-12 Sekunden) bei 0,8 Watt verwendet, der eine
Einzelschuss-Messgenauigkeit von ca. drei Millimeter bei maximal 2000
Einzelmessungen in der Sekunde ermöglicht. Durch die relativ geringe Leistung
des Lasers sind Messungen zu Weltraumschrott nicht möglich. Bei
Entfernungsmessungen zu Weltraumschrott, der naturgemäß keine Retroreflektoren
besitzt, wird aktuell ein Laser mit einer höheren Leistung von 16 Watt
verwendet, um auch diffuse Lichtreflexionen des Objekts detektieren zu können.
Die längere Pulsdauer von 3 Nanosekunden (10-9 Sekunden) mit bis zu
200 Einzelmessungen pro Sekunde bedingt eine Messgenauigkeit von knapp unter
einem Meter. Diese Genauigkeit ist als Basis für die Berechnung der Umlaufbahn
von Weltraumschrott sehr präzise, verhindert aber die Identifizierung von
Substrukturen des Objektes. Aufgrund der geringeren Genauigkeit des Messaufbaus
sind keine millimetergenauen Messungen zu Satelliten möglich.
Die nun publizierte Methode vereint die Stärken beider Messmethoden bei
gleichzeitig erhöhter Genauigkeit. Dazu wurde ein Laser verwendet, der mit
Wiederholraten von maximal 1 Megahertz (bis zu 1.000.000 Einzelmessungen pro
Sekunde) arbeitet. Die hohe Leistung dieses Lasers erlaubt die Vermessung von
Weltraumschrott. Durch die niedrige Pulsdauer von 10 Pikosekunden ist es mit
demselben System auch möglich, hochpräzise Messungen zu Satelliten zu machen.
"Eines unserer Ziele am IWF ist es Lösungen zu finden, um die Vermessung von
Weltraumschrott für andere Stationen zugänglicher zu machen", erklärt
IWF-Gruppenleiter Michael Steindorfer. Aktuell existieren ca. 40
Laser-Ranging-Stationen, von denen aber nur einige wenige Weltraumschrott
vermessen können. "Durch eine Aufrüstung auf ein MHz-fähiges System könnten
diese Stationen im regulären Beobachtungsbetrieb Weltraumschrott vermessen, ohne
laufend Adaptierungen am System machen zu müssen. Dadurch könnten die Stationen
gemeinsam z. B. punktuell die Orbitgenauigkeit von Hochrisiko-Objekten
verbessern, ohne dabei die regulären Beobachtungen von Forschungssatelliten zu
reduzieren."
Die hohe Wiederholrate des Lasers erfordert einige Adaptierungen am
Messaufbau sowie der Hard- und Software. Atmosphärische Rückstreuungen des
Laserlichts würden den Detektor sättigen und damit gültige Messungen unmöglich
machen. Als Gegenmaßnahme wird der Laser in Intervallen gesendet, abgewartet bis
störende atmosphärische Reflexionen vorbei sind und anschließend vom Objekt
reflektiertes Licht detektiert. Diese Unterteilung in eine Mess- und Sendephase
hat allerdings eine Reduktion der Laserleistung auf ca. die Hälfte zur Folge.
Eine ebenfalls in der Studie präsentierte Alternative sind sogenannte
bistatische Messungen. Dabei sendet die Laserstation Laserlicht aus und ein
zweites räumlich getrenntes Teleskop empfängt das vom Weltraumschrott
reflektierte Laserlicht. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass die
atmosphärischen Rückstreuungen des Laserlichts ab einem gewissen Abstand beider
Stationen nicht in das Empfangsteleskop gelangen können. "Mithilfe eines zweiten
Teleskops am Dach des Observatoriums Lustbühel konnten wir nachweisen, dass
bereits ein Abstand von ca. zehn Metern zwischen Sender und Empfänger zur
Vermeidung von atmosphärischen Streuungen ausreicht. Dadurch konnten wir die
volle Laserleistung nutzen und erstmalig Satelliten und Weltraumschrott bei
einer Wiederholrate von 1 MHz vermessen", erläutert Steindorfer. Dieses
Messprinzip ermöglicht eine Nutzung von existierenden astronomischen Teleskopen
in Europa zur Entfernungsmessung zu Weltraumschrott, selbst ohne einen Laser zu
besitzen.
"Mit unserem System ist es gelungen, die Normal-Point-Genauigkeit auf wenige
Mikrometer zu reduzieren", so Steindorfer. Zusätzlich zur Möglichkeit
Weltraumschrott zu vermessen, steigert die Verwendung eines MHz-Lasers auch die
Genauigkeit der Messungen zu Satelliten. Durch die hohe Wiederholrate des Lasers
konnten die Forscher bis zu 2.000.000 erfolgreiche Entfernungsmessungen in einem
Zeitintervall von 15 Sekunden zu dem mit Retroreflektoren bestückten ehemaligen
Forschungssatelliten Jason-2 erzielen. Die hohe Einzelschussgenauigkeit,
kombiniert mit der großen Anzahl an Datenpunkten bewirkt eine deutliche
Reduktion der Normal-Point-Genauigkeit. "Mit unserem System ist es gelungen,
diese Normal-Point-Genauigkeit auf wenige Mikrometer zu reduzieren", so
Steindorfer.
Die erhöhte Genauigkeit bringt auch bislang versteckte Details in den
Messungen zu Weltraumschrott zu Tage. In den Messdaten kann nun zwischen weiter
entfernten und näheren Komponenten eines Objektes unterschieden werden.
Zusätzlich kann man über die zeitliche Änderung der Entfernung auf das
Rotationsverhalten von Weltraumschrott rückschließen. Eine genaue Kenntnis der
Rotation von Objekten ist unter anderem wichtig, um zukünftige Missionen zur
Entsorgung von Weltraumschrott zu unterstützen.
Aufgrund der hohen Anzahl an kommerziellen Firmen, die Satelliten in den
Erdorbit transportieren, hat sich die Anzahl an aktiven Satelliten im letzten
Jahrzehnt auf ca. 10.000 verdreifacht. Entfernungsmessungen zu Satelliten mit
Retroreflektoren liefern dabei einen fundamentalen Beitrag zur Definition des
globalen terrestrischen Referenz-Koordinatensystems, des Erdschwerefelds, des
Massenzentrums der Erde sowie zu den Erdorientierungsparametern. Weltraumschrott
besitzt naturgemäß keine Retroreflektoren - die Entfernung kann aber unter
Verwendung eines leistungsfähigeren Lasers trotzdem vermessen werden.
Die SLR-Station des IWF Graz hat eine internationale Führungsposition bei der
Erforschung von Weltraumschrott eingenommen und kann die Entfernung von Objekten
bis zu einer Größe von einem Meter hochgenau bestimmen. Zusätzlich wird das
reflektierte Sonnenlicht (Lichtkurven) von Objekten bis zum geostationären Orbit
in einer Entfernung von 36.000 km vermessen. Eine genaue Bestimmung der
Umlaufbahn ist fundamental für die Risikoabschätzung bei der Annäherung von
aktiven Satelliten und Weltraumschrott. Die Genauigkeit der Orbitvorhersage
entscheidet dabei über die Notwendigkeit eines Ausweichmanövers. Aus
Veränderungen der Helligkeit von Objekten können Rückschlüsse auf die
Rotationsachse und -periode gezogen werden. Aus der zeitlichen Veränderung
dieser Größen kann man Wechselwirkungen von Weltraumschrott mit der
Erdatmosphäre, dem Erdmagnetfeld oder dem Lichtdruck unserer Sonne untersuchen.
Hochgenaue Entfernungsmessungen, Lichtkurvenmessungen und die Zugänglichkeit
dieser Technologien sind dabei ein wichtiger Beitrag, um Weltraummissionen
nachhaltig und sicher zu gestalten.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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