Energiereiche Elektronen aus dem Weltall
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
26. November 2024
Ein Team der H.E.S.S.-Kollaboration hat kürzlich die
energiereichsten Elektronen und Positronen identifiziert, die je auf der Erde
gemessen wurden. Sie liefern Beweise für kosmische Prozesse, die enorme
Energiemengen freisetzen, deren Ursprung aber noch unbekannt ist. Aus dem
Weltall wären Messungen in diesem Energiebereich kaum möglich.
Visualisierung der
H.E.S.S.-Teleskopanordnung zur Erfassung der
Teilchenschauer, die von hochenergetischen
kosmischen Elektronen und Positronen sowie von
Gammastrahlen erzeugt werden.
Bild:
MPIK/H.E.S.S. Collaboration [Großansicht] |
Das Universum ist voller extremer Umgebungen, von den kältesten Temperaturen
bis hin zu den energiereichsten Quellen. Extreme Objekte wie Supernovaüberreste,
Pulsare oder aktive galaktische Kerne können geladene Teilchen und
Gammastrahlung erzeugen, deren Energien um Größenordnungen über denen liegen,
die bei thermischen Prozessen wie etwa der Kernfusion in Sternen erreicht
werden. Während das emittierte Gammalicht ungestört den Weltraum durchquert,
werden die geladenen Teilchen - auch kosmische Strahlung genannt - von den
allgegenwärtigen Magnetfeldern im Universum abgelenkt und erreichen die Erde
gleichmäßig aus allen Richtungen. Zudem verlieren die geladenen Teilchen dabei
durch die Wechselwirkung mit Licht und Magnetfeldern Energie.
Besonders stark sind diese Verluste vor allem bei den energiereichsten
Elektronen und Positronen mit Energien über Tera-Elektronenvolt (1 TeV = 1012
Elektronenvolt), den Elektronen der kosmischen Strahlung (CRe). Ihr Nachweis auf
der Erde ist daher ein eindeutiger Hinweis auf die Existenz starker kosmischer
Teilchenbeschleuniger in der Nähe unseres Sonnensystems, auch wenn sie nicht zur
Bestimmung ihres Ursprungs im Weltraum verwendet werden können. Allerdings ist
der Nachweis dieser hochenergetischen Teilchen schwierig: Weltraumbasierte
Teleskope mit einer Detektorfläche von rund einem Quadratmeter können nicht
genügend der seltenen Teilchen einfangen. Bodengebundene Instrumente können zwar
die Teilchenkaskaden nachweisen, die beim Auftreffen kosmischer Teilchen auf die
Erdatmosphäre ausgelöst werden, stehen aber vor der Herausforderung, die von
Elektronen oder Positronen ausgelösten Kaskaden von den deutlich häufiger
auftretenden Kaskaden zu unterscheiden, die durch den Aufprall schwererer
kosmischer Kerne entstehen.
Im Jahr 2008 gelang es Forschenden erstmals, diese CRe in den Daten des
bodengestützten H.E.S.S.-Cherenkov-Teleskops zu identifizieren. Das
H.E.S.S.-Observatorium in Namibia verwendet fünf große abbildende atmosphärische
Cherenkov-Teleskope, um das schwache Cherenkov-Licht zu erfassen, das von
hochgeladenen Teilchen und Photonen erzeugt wird, die die Atmosphäre unseres
Planeten durchdringen und dadurch eine Kaskade von Teilchen erzeugen. Obwohl das
H.E.S.S.-Observatorium in erster Linie dazu dient, Gammastrahlen zu detektieren,
zu selektieren und ihre Quellen zu vermessen, können die Daten auch für die
Suche nach kosmischen Elektronen verwendet werden.
In einer neuen Analyse, die nun von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
der H.E.S.S.-Kollaboration vorgestellt wurde, konnten neue Erkenntnisse über den
Ursprung dieser Teilchen gewonnen werden. In ihrer Arbeit werteten sie den
riesigen Datensatz, der über ein Jahrzehnt lang von vier der H.E.S.S.-Teleskope
gesammelt worden war, neu aus und wendeten dazu neuartige und strenge
Selektionsalgorithmen an, um kosmische Elektronen mit einer beispiellos
niedrigen Hintergrundkontamination zu identifizieren. Dies führte zu einem
bisher unerreichten statistischen Datensatz für die Analyse der kosmischen
Elektronen. Insbesondere konnten die Forschenden der Kollaboration erstmals CRe-Daten
in den höchsten Energiebereichen bis zu 40 TeV (Tera-Elektronenvolt) gewinnen.
"Wir beobachten, dass das Energiespektrum der CRe mit zunehmender Energie
einen sanften Abfall zeigt, bei etwa einem Tera-Elektronenvolt wird das Spektrum
allerdings schlagartig deutlich steiler. Sowohl oberhalb als auch unterhalb
dieses Bruchs folgt das Spektrum einem Potenzgesetz und enthält keine weiteren
Auffälligkeiten, wie sie von vielen Modellen für die CRe-Beschleunigung
vorhergesagt wurden", bemerkt Mathieu de Naurois vom Laboratoire
Leprince-Ringuet, E'cole Polytechnique, CNRS. Die Forschenden stellten
jedoch fest, dass der Übergang von dem flachen zu einem steilen Abfall des
Energiespektrums bei etwa 1 Tera-Elektronenvolt überraschend scharf ist.
"Das ist ein wichtiges Ergebnis, denn wir können daraus schließen, dass die
gemessene kosmische Strahlung höchstwahrscheinlich nur von einigen wenigen
Quellen in der Nähe unseres eigenen Sonnensystems stammt, die maximal einige
tausend Lichtjahre entfernt sind - eine sehr geringe Entfernung im Vergleich zur
Größe unserer Galaxie. Emissionen von sehr vielen Quellen in unterschiedlichen
Entfernungen würden dieses Signal viel stärker verwischen", erklärt Kathrin
Egberts von der Universität Potsdam. "Mit unserer detaillierten Analyse konnten
wir den Ursprung dieser kosmischen Elektronen erstmals stark eingrenzen".
Prof. Werner Hofmann vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in
Heidelberg erläutert die Bedeutung der neuen Analyse für die astrophysikalische
Forschung: "Die sehr geringen Flussraten bei hohen Energien schränken die
Möglichkeiten weltraumgestützter Missionen, ähnliche Messungen durchzuführen,
stark ein. Unsere Analyse liefert nun Daten in einem entscheidenden und bisher
unerforschten Energiebereich, die unser Verständnis der lokalen Umgebung
beeinflussen. Sie wird daher wohl auf absehbare Zeit den Maßstab in diesem
Energiebereich liefern."
Das Forschungsteam berichtet über seine Ergebnisse in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
|