Kosmische Teilchenbeschleuniger noch größer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des DESY astronews.com
19. Juni 2020
Die größten kosmischen Teilchenbeschleuniger scheinen noch
größer zu sein, als man dies bislang gedacht hatte. Dies zeigten Beobachtungen
der Galaxie Centaurus A mit dem H.E.S.S.-Gammastrahlenobservatorium in Namibia.
Danach ist die Beschleunigung nicht auf die Umgebung des Schwarzen Lochs
beschränkt, sondern erstreckt sich weit hinaus in die Galaxie.
Überlagerung eines Bildes der Galaxie
Centaurus A einschließlich der Jets, die aus dem
Zentrum kommen, mit der Intensität der
zugehörigen Gammastrahlung.
Bild: ESO / WFI (Optisch); MPIfR / ESO / APEX
/ A.Weiss et al. (Submillimeter); NASA / CXC /
CfA / R.Kraft et al. (Röntgen), H.E.S.S.
Collaboration (Gamma) (CC BY 4.0) [Großansicht] |
Mit spezialisierten Gammastrahlen-Teleskopen haben Forscherinnen und Forscher
überraschende Einblicke in die größten Teilchenbeschleuniger des Universums
gewonnen: Die Beschleunigung in diesen sogenannten aktiven Galaxien ist demnach
nicht auf die Umgebung ihres zentralen Schwarzen Lochs beschränkt, sondern
erstreckt sich Tausende von Lichtjahren aus der Galaxie hinaus in die
sogenannten Plasma-Jets, die nach oben und unten weit ins All hinausschießen.
Die Beobachtung dürften das Verständnis davon verändern, welche maximalen
Energien durch die Beschleunigungsprozesse in den Jets erreicht werden können.
Die jetzt vorgestellte Studie ist das Ergebnis der Arbeit eines
internationalen Teams mit mehr als 200 Mitgliedern aus 13 Ländern und basiert
auf Messungen mit dem H.E.S.S.-Gammastrahlenobservatorium in Namibia. An dieser
Arbeit sind insbesondere das französische Forschungszentrum CNRS, das
Max-Planck-Institut für Kernphysik und DESY in Deutschland sowie die Universität
Innsbruck in Österreich beteiligt.
In den vergangenen Jahren hat die Beobachtung von Röntgen- und Gammastrahlen,
also sehr energiereichen Lichtteilchen oder Photonen, grundlegend neue Einblicke
ins Universum ermöglicht. "Diese Photonen stammen aus Systemen wie den
supermassereichen Schwarzen Löchern im Herzen bestimmter Galaxien, die sich
Materie einverleiben", erläutert H.E.S.S.-Wissenschaftler Andrew Taylor von
DESY. "Dort werden Elektronen auf enorme Energien beschleunigt, die in von
Menschen gebauten Maschinen unerreichbar sind."
In diesen aktiven Galaxien ist das zentrale Schwarze Loch von einer
sogenannten Akkretionsscheibe umgeben, in der sich Materie sammelt wie im
Strudel eines Badewannenabflusses, bevor sie auf Nimmerwiedersehen hinabstürzt.
Ein kleiner Teil dieser Materie fällt jedoch nicht in das Schwarze Loch, sondern
wird vorher abgezweigt und in Form zweier gigantischer Plasma-Jets senkrecht
nach oben und unten weit aus der Galaxie hinaus in den Kosmos geschleudert.
Die Intensität der von diesen Systemen emittierten Gammastrahlung kann über
sehr kurze Zeiträume von bis zu einer Minute variieren, was auf einen sehr
kleinräumigen Ursprung der Strahlung nahe dem zentralen Schwarzen Loch
hindeutet. Darüber hinaus diskutieren Wissenschaftler den Ursprung der
Röntgenemission der Jets, zu deren Erzeugung je nach Szenario eine extreme
Beschleunigung von Elektronen nötig ist. Da beschleunigte Elektronen im
Plasma-Jet jedoch schnell an Energie verlieren, müssen sie dort kontinuierlich
beschleunigt werden, um entlang der gesamten Jets zu existieren.
Mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.)
beobachteten die Forscherinnen und Forscher die Radiogalaxie Centaurus A mehr
als 200 Stunden lang mit unerreichter Auflösung im Gammastrahlenbereich.
Radiogalaxien strahlen stark im Frequenzbereich der Radiowellen. "Als die der
Erde am nächsten gelegene Radiogalaxie war Centaurus A für eine solche
Untersuchung günstig, da sie uns ermöglichte, die Herkunftsregion der sehr
hochenergetischen Strahlung entlang der Plasma-Jets zu identifizieren", sagt der
stellvertretende H.E.S.S.-Direktor Mathieu de Naurois vom Centre National de
la Recherche Scientifique (CNRS) in Frankreich.
Auf der Grundlage detaillierter Analysen von Gruppen in Innsbruck und Paris
konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass sich die
Quelle der Gammastrahlung tatsächlich über mehrere tausend Lichtjahre erstreckt.
Diese ausgedehnte Emission deutet darauf hin, dass die Teilchenbeschleunigung
nicht nur in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs stattfindet, sondern auch
über die gesamte Länge der Plasma-Jets, wie die beteiligten Gruppen in
Heidelberg und Zeuthen bei Berlin dargelegt haben. Die größten
Teilchenbeschleuniger im Kosmos sind also noch größer als angenommen.
Die Entdeckung deutet darauf hin, dass vermutlich viele Radiogalaxien mit
ausgedehnten Jets Teilchen auf extreme Energien beschleunigen. Damit liefert die
Beobachtung auch wichtige neue Informationen für die Debatte über den Ursprung
der Röntgenemission. "Diese Entdeckung revolutioniert unser Verständnis der
großräumigen Jets und bedeutet einen großen Schritt vorwärts für unser
Verständnis der kosmischen Teilchenbeschleunigung insgesamt", sagt Taylor. "Es
ist sehr befriedigend zu sehen, dass sich langfristige Beobachtungsbemühungen
wie diese auszahlen. Offensichtlich werden wir nach wie vor von unseren
kosmischen Nachbarn überrascht, wenn wir sie anders beobachten."
Die Ergebnisse dieser Studie erforderten umfangreiche Beobachtungen und
optimierte Analysetechniken. Das Observatorium der nächsten Generation, das
Cherenkov Telescope Array (CTA), wird eine noch genauere Beobachtung dieses
Phänomen ermöglichen. Die Studie ist das Ergebnis der Arbeit eines
internationalen Teams mit mehr als 200 Mitgliedern aus 13 Ländern und basiert
auf Messungen mit dem H.E.S.S.-Gammastrahlenobservatorium in Namibia. An dieser
Arbeit sind insbesondere das französische Forschungszentrum CNRS, das
Max-Planck-Institut für Kernphysik und DESY in Deutschland sowie die Universität
Innsbruck in Österreich beteiligt.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Nature.
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