Das Geheimnis der dunklen Sternhaufen
von Stefan Deiters astronews.com
13. Mai 2015
Astronomen haben mithilfe des Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO rund um die elliptische Riesengalaxie Centaurus A
eine neue Art von Kugelsternhaufen entdeckt. Die Objekte sehen auf den ersten
Blick wie normale Sternhaufen aus, enthalten aber deutlich mehr Masse, als man
das eigentlich erwarten würde und mit aktuellen Theorien erklären kann.

Die elliptische Riesengalaxie Centaurus A.
Die untersuchten Kugelsternhaufen sind markiert:
Bei blauen Haufen gibt es keine Auffälligkeiten,
die roten Haufen sind massereicher als gedacht,
die grünen Haufen weisen Eigenschaften wie
Zwerggalaxien auf.
Bild: ESO
/ Digitized Sky Survey / Davide de Martin [Großansicht]
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Kugelsternhaufen sind Ansammlungen aus Tausenden oder gar Hunderttausenden
von Sternen, die alle von ihrer gegenseitigen Anziehungskraft zusammengehalten
werden. Die meisten Galaxien sind von solchen Objekten umgeben, die zu den ältesten Sternsystemen im Universum
gehören. Auch unserer Milchstraße
besitzt eine Familie
von über 150 Kugelsternhaufen.
"Kugelsternhaufen und ihre Sterne sind der Schlüssel zum Verständnis von
Entstehung und Entwicklung von Galaxien", erklärt Matt Taylor von der Pontificia
Universidad Catolica de Chile in Santiago. "Jahrzehntelang dachten Astronomen,
dass alle Sterne eines Kugelsternhaufens dasselbe Alter und dieselbe chemische
Zusammensetzung haben - inzwischen wissen wir aber, dass es sich bei ihnen um merkwürdigere und kompliziertere Gebilde handelt."
Diese Einschätzung wird jetzt von den Ergebnissen einer Studie unterstützt,
die die Kugelsternhaufen rund um die elliptische Riesengalaxie Centaurus A zum
Gegenstand hatte. Bei dieser Galaxie, die auch unter der Katalogbezeichnung NGC
5128 bekannt ist, handelt es sich um die der Milchstraße am nächsten gelegene
Riesengalaxie. Sie ist rund zwölf Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und
dürfte ein System aus bis zu 2.000 Kugelsternhaufen besitzen. Viele davon sind
deutlich heller und massereicher als die Kugelsternhaufen der Milchstraße.
Taylor und sein Team haben sich insgesamt 125 Kugelsternhaufen von Centaurus
A genauer angeschaut. Sie nutzten dazu das Instrument FLAMES am Very Large
Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des Paranal in
Chile. Bei FLAMES (Fibre Large Array Multi Element Spectrograph) handelt es sich
um einen Spektrografen, mit dem gleichzeitig das Licht mehrerer Objekte im
Blickfeld des Teleskops analysiert werden kann.
Die Astronomen bestimmten die Masse der einzelnen Sternhaufen, die sie aus
den mit FLAMES ermittelten Daten über die Bewegung der Sterne in den Haufen
ableiteten. Den Wert verglichen sie dann mit der Helligkeit der einzelnen
Haufen. Dabei ergab sich, dass - wie zu erwarten ist - in den meisten Fällen
Helligkeit und Masse direkt miteinander in Verbindung stehen: Hat ein Haufen
mehr Sterne, ist er auch heller und hat eine größere Masse.
Doch einige Haufen hielten sich nicht an diese Regel: Sie waren deutlich
massereicher, als sie vom Aussehen her eigentlich sein sollten. Und je
massereicher diese merkwürdigen Haufen waren, desto größer war der Anteil an
unsichtbarem, dunklem Material. Es muss in diesen Haufen also eine signifikante nicht
sichtbare Komponente geben.
Schwarze Löcher oder andere kompakte Überreste von Sternen, so die
Einschätzung der Astronomen, könnten zwar einen Teil zur fehlenden Masse
beitragen, doch kommen sie wohl nicht als alleinige Erklärung infrage. Eine andere
Möglichkeit wäre ein hoher Anteil von Dunkler Materie in den Haufen. Allerdings waren
die Experten bislang immer davon ausgegangen, dass Kugelsternhaufen keine
größeren Mengen an Dunkler Materie beinhalten. Dunkle Materie würde somit die Beobachtungen
erklären, aber gleichzeitig den bislang akzeptierten Theorien widersprechen.
"Unsere Entdeckung von Sternhaufen, die in Bezug auf die in ihnen enthaltene
Anzahl von Sternen eine unerwartet hohe Masse haben, deutet darauf hin, dass es verschiedene
Arten von Kugelsternhaufen geben könnte, die eine unterschiedliche
Entstehungsgeschichte haben", so Thomas Puzia von der Pontificia Universidad
Catolica de Chile. "Auf den ersten Blick erscheinen manche Sternhaufen wie ganz
gewöhnliche Haufen, aber es könnte - im wahrsten Sinne des Wortes - mehr in ihnen
stecken, als man auf den ersten Blick sieht."
Die "dunklen Kugelsternhaufen" bleiben einstweilen rätselhaft. Das Team hat bereits damit
begonnen, Kugelsternhaufen um andere Galaxien zu untersuchen und dabei erste
Indizien dafür gefunden, dass es auch dort solche dunklen Objekte geben könnte.
"Wir sind hier über eine neue und mysteriöse Art von Sternhaufen gestolpert", so
Taylor. "Das zeigt, dass wir noch viel über die verschiedenen Aspekte der
Entstehung von Kugelsternhaufen lernen können. Das ist ein wichtiges Ergebnis
und wir müssen nun weitere dunkle Haufen um andere Galaxien aufspüren."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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