Blick auf den Morgen- und Abendhimmel von WASP-39 b
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW astronews.com
16. Juli 2024
Der Exoplanet WASP-39 b gehörte mit zu den ersten Zielen,
die vom Weltraumteleskop James Webb detaillierter untersucht wurden. Nun ist es
gelungen, den Transit des Planeten vor seinem Stern so hoch aufzulösen, dass
sich Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung zwischen der Morgen- und
Abendseite des Planeten zeigten.
So wie in dieser künstlerischen Darstellung
könnte der Planet WASP-39b in rund 700 Lichtjahre Entfernung
aussehen.
Bild:
NASA, ESA, CSA und J. Olmsted (STScI) [Großansicht] |
Der über 1250 Grad Celsius heiße Gasriese
WASP-39 b, der sich alle vier Tage vor seinen Stern schiebt, verhält sich dabei
ganz ähnlich wie der Erdmond während einer totalen Sonnenfinsternis: Unmittelbar
vor und nach einer Totalität, d. h. der vollständigen Abdeckung der Sonne durch
den Mond, gibt es auch immer eine partielle Finsternis, bei der sich
vorzugsweise die rechte bzw. linke Hälfte des Mondes vor der Sonne befindet.
Analog dazu verdeckt WASP-39 b unmittelbar vor und nach dem kompletten Transit
für jeweils etwa 30 Minuten vorzugsweise mit der Morgen- bzw. Abendseite seinen
Stern.
Dieser Gasriese hat aber im Gegensatz zum Mond eine dichte Atmosphäre,
die während eines Transits vom dahinterstehenden Stern durchleuchtet wird. Im
vollen Transit ist "nur" eine gemittelte Atmosphäre messbar, bei der es zunächst
unklar ist, wie groß die Unterschiede zwischen der Morgen- und Abendseite sind.
Dabei wirken Moleküle in der Planetenatmosphäre wie ein Filter, was Rückschlüsse
auf deren chemische Zusammensetzung zulässt.
Die normale
Transitspektroskopie ist seit dem Jahr 2000 ein Standardmittel zur Erforschung
von Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Die
Zusammensetzung der Atmosphäre auf der Morgen- und Abendseite separat
aufzulösen, ist ein weitaus schwierigeres Unterfangen und gelang erst jetzt zum
ersten Mal mithilfe des Weltraumteleskops James Webb. Dabei wurden
interessante Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung von WASP-39 b
deutlich: Die Morgenseite zeigt weniger Kohlendioxid als die Abendseite.
Detaillierte 3D-Klima-Wolken-Modelle des Grazer Instituts für Weltraumforschung
(IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften legen dabei nahe, dass
die Asymmetrie im Kohlendioxid von der - im Vergleich zur
Abendseite - stärker bewölkten Morgenseite herrühren könnte, die dadurch etwa
200 Grad kühler ist.
IWF-Forscherin Ludmila Carone und ihre Kolleginnen und Kollegen aus der
Forschungsgruppe rund um IWF-Direktorin Christiane Helling haben diese
Wolkenasymmetrie für WASP-39 b bereits 2023 vorhergesagt. "Das ist natürlich ein
großer Erfolg für uns", schwärmt Carone. "Es ist sehr zeitaufwendig,
solche 3D-Klima-Modelle zu bauen und sie dann auch noch mit einem vollständigen
Wolkenmodell zu verbinden. Aber diese und weitere Messung zeigen, dass sich der
Aufwand gelohnt hat."
Umgekehrt sagten die Chemie-Modelle
aber auch voraus, dass die Morgenseite von WASP-39 b grundsätzlich kühl genug
sein sollte, um im Gegensatz zur Abendseite sehr viel Methan zu bilden.
Beobachtet wurde aber, dass Methan gleichermaßen auf der Abend- und Morgenseite
fehlt. Eine Ursache könnte die sehr dynamische Atmosphäre sein, in der ein
gewaltiger Atmosphärenjet mit mehr als 4000 km/h von der heißeren Abendseite
über die Nachtseite auf die Morgenseite und wieder zurückströmt und dabei die
Methanproduktion in den kühleren Bereichen unterdrückt. Zudem könnte auch eine
vertikale Durchmischung mit tieferen, heißen Atmosphären-Schichten die
Methanproduktion grundsätzlich überall auf dem Planeten reduzieren.
Welcher dynamischer Effekt dabei wie
stark ist, ist derzeit noch Gegenstand der Untersuchung. Die neuen
JWST-Messungen für WASP-39 b liefern hier wichtige Impulse. "Weltraummissionen
wie JWST zeigen uns wiederholt, wie wichtig Grundlagenforschung ist. Der
wissenschaftliche Kreislauf von Modellvorhersage – Beobachtung –
Dateninterpretation – Modellverifikation ist der Schlüssel zum
Erkenntnisgewinn", betont Helling. "Bereits die ersten JWST-Daten
unterstreichen, dass unsere virtuellen Labore auch in Zukunft eine wesentliche
Rolle bei der Wetter- und Klimavorhersage für extrasolare Planeten spielen
werden."
Über die Ergebnisse berichten die Forschenden in
einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature erscheinen wird.
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