Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat einen weiteren
Meilenstein in der 3D-Vermessung der Erde gesetzt: Die "TanDEM X 30 m DEM
Change Maps" geben einen globalen Überblick über die Veränderungen der
Erdoberfläche. Ob Gletscherschwund, landwirtschaftliche Entwicklungen,
Vulkanaktivitäten oder Städteplanung – die Änderungskarten sind für
zahlreiche Forschungsbereiche, Fragen des Klimawandels sowie für
gesellschaftspolitische Themen relevant. Der neue Datensatz der
Satellitenmission TanDEM-X ist ab sofort frei verfügbar – 30 Meter
Pixelgröße und eine Höhengenauigkeit von einem Meter liefern die
hochpräzisen Daten weltweit.
Die nun veröffentlichten DEM Change Maps (DCMs) folgen auf das
2016 fertiggestellte globale TanDEM-X-Höhenmodell, dass schon bisher als
weltweit anerkannte Referenz in wissenschaftlichen und kommerziellen
Anwendungen genutzt wird. Das Höhenmodell von 2016 steht nun mit der neuen
Veröffentlichung selbst in einer editierten Version zur Verfügung. Mit
diesem "Upgrade" dient es als Referenz, um Höhenänderungen für die neuen
Änderungskarten im Rahmen der DEM Change Maps zu berechnen.
Das erste globale Höhenmodell entstand durch eine gewichtete Mittelung
mehrerer Aufnahmen im Zeitraum von 2011 bis 2015, weshalb eine zeitliche
Zuordnung zunächst nur grob möglich ist. Im Gegensatz dazu ist in den DCMs
jeder einzelne Höhenmesswert mit dem Aufnahmedatum versehen, sodass genaue
Analysen der Veränderungen über der Zeit möglich werden. Zusätzlich ergänzte
das Missionsteam die Höhendaten mit einer globalen Waldkarte und einer
genauen Wassermaske, um die Analyse der DEM Change Maps zu
unterstützen. "Die Erdoberfläche unterliegt in vielen Bereichen dynamischen
Veränderungen. Im Vergleich der neuen Datensätze zeigt sich in erstaunlich
detaillierten Facetten, wie sich die Topographie unseres Planeten innerhalb
eines Zeitraums von sechs bis acht Jahren gewandelt hat", erklärt Dr. Marie
Lachaise vom DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung.
Konkret zeichnen sich beispielsweise über Deutschland die veränderten
Landschaften der Kohleabbau-Gebiete ab. Mithilfe der DEM Change Maps
lässt sich die Menge an geförderter Braunkohle und das Abraumvolumen weiter
ableiten. Am Beispiel des Tagewerks Garzweiler in Nordrhein-Westfalen
berechneten die Forschenden, dass zwischen 2011/2013 und 2018 ein
Gesamtvolumen von rund 490 Millionen Kubikmeter Erdmaterial ausgebaggert
wurde. Die Größenordnung stimmt mit den Angaben des
Energieversorgungskonzerns überein, der die Kohleförderung mit 30 Millionen
Tonnen und einer Abraumleistung von 100 bis 120 Millionen Kubikmeter pro
Jahr beziffert.
Eine natürliche Ressource, die uns hilft, der globalen Erwärmung
entgegenzuwirken, ist der Wald. Drastische Abholzungen, speziell in den
tropischen Regenwäldern, stehen daher unter besonderer Beobachtung. Über
bewaldete Flächen dringen X-Band-Radarwellen nur wenig ein, deshalb bewegen
sich die TanDEM-X-Höhen im Kronendach. Man spricht von einem
Oberflächenmodell. In der 3D-Änderungskarte werden die Rodungsmuster über
die Höhenabnahme entsprechend deutlich sichtbar.
Veränderungen an Gletschern und Eisfeldern sind hochempfindliche
Indikatoren für den Klimawandel. Die TanDEM-X DCMs lassen erkennen,
wie dramatisch sich unsere Polarregionen und Gletscher innerhalb weniger
Jahre verändert haben. Massive Abschmelzungen offenbart unter anderem das
südpatagonische Eisfeld in Chile. Insbesondere der Jorge-Mott-Gletscher ist
seit den Aufnahmen für das erste Höhenmodell stark geschrumpft. Der
Veränderungsanalyse nach hat der Gletscher zwischen 2012/2014 und Juni 2018
ein Gesamtvolumen von rund 10,7 Kubikkilometer verloren. Das bedeutet eine
Abschmelzrate von bis zu 2,6 Kubikkilometer pro Jahr. Eine Höhenzunahme
hingegen verzeichnet der Brüggen-Gletscher (auch bekannt als
Pío-XI-Gletscher), der aus dem südpatagonischen Eisfeld abfließt. In Summe
weist er im gleichen Zeitraum ein Wachstum von rund 7,6 Kubikkilometer auf.
Aktuellen Studien zufolge haben lokale geologische und klimatische
Bedingungen zu dem ungewöhnlichen Zuwachs während der letzten Jahrzehnte
geführt. Die neue 3D-Änderungskarte wird die Forschenden dabei unterstützen,
die komplexen Gletscherprozesse nachzuvollziehen.
Ursprünglich war die Mission auf fünf Jahre angelegt. Die
Zwillingssatelliten liefern nun auch nach mehr als 13 beziehungsweise 16
Betriebsjahren zuverlässig hochqualitative Radardaten und werden weiter
genutzt, um 3D-Veränderungen in der Kryosphäre, den globalen Wäldern sowie
in Großstädten weiter zu erfassen. Die nun verfügbaren TanDEM-X 30 m DEM
Change Maps haben sämtliche topographischen Änderungen im Blick. Ziel
ist es, möglichst lange Zeitreihen von DCMs zu erzeugen. Die Zeitachse soll
die Änderungskarten künftig immer stärker in die vierte Dimension heben.
Waldgebiete könnten dann zum Beispiel quantitativ analysiert und sogar ihr
Aufwuchs erfasst werden.