Auf der Spur des Quantenflimmerns des Vakuums
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
13. November 2023
Absolut leer – so stellen sich die meisten von uns das
Vakuum vor. In Wirklichkeit aber ist es von einem energetischen Flimmern
erfüllt: den Quantenfluktuationen. Nun bereitet die Fachwelt ein Laserexperiment
vor, das diese Vakuumfluktuationen auf eine neuartige Weise nachweisen soll und
dadurch womöglich Hinweise auf neue Physikgesetze liefern könnte.
So deutlich sichtbar wie auf dem Foto ist
der Röntgenstrahl des weltgrößten Röntgenlasers European XFEL
erst bei völliger Dunkelheit und einer Belichtungszeit von 90
Sekunden. Hier sollen die Experimente zum Nachweis von
Vakuumfluktuationen stattfinden.
Foto: Jan Hosan / European XFEL [Großansicht] |
Schon lange ist der Physikwelt klar: Das Vakuum ist gar nicht komplett leer,
sondern mit Vakuumfluktuationen erfüllt – einem ominösen Quantenflimmern in Zeit
und Raum. Zwar ist es nicht unmittelbar zu erfassen, kann sich aber indirekt
auswirken, etwa indem es die elektromagnetischen Felder winziger Teilchen
verändert. Nur: Vakuumfluktuationen ohne die Anwesenheit irgendwelcher Teilchen
nachzuweisen, ist bislang noch nicht geglückt. Würde dies gelingen, könnte eine
der fundamentalen Theorien der Physik, die Quantenelektrodynamik (QED), in einem
bis dato ungetesteten Bereich bewiesen werden. Doch würden sich bei so einem
Experiment Abweichungen von der Theorie zeigen, würde das auf neue, bislang
unentdeckte Teilchen schließen lassen.
Das Experiment, das das bewerkstelligen soll, ist im Rahmen der Helmholtz
International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) geplant, einem vom
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) geführten Forschungskonsortium am
European XFEL in Hamburg, dem größten Röntgenlaser der Welt. Genauer: an der
dortigen Experimentierstation High Energy Density (HED). Das Prinzip:
Ein ultrastarker Laser feuert kurze, intensive Lichtblitze in eine luftleer
gepumpte Edelstahlkammer. Darin soll er die Vakuumfluktuationen so manipulieren,
dass sie einen Röntgenblitz aus dem European XFEL auf scheinbar magische Weise
umpolarisieren, das heißt in seiner Schwingungsrichtung drehen.
"Das wäre in etwa so, als würde man ein durchsichtiges Plastiklineal zwischen
zwei Polarisationsfilter schieben und dort hin und her biegen", erklärt
HZDR-Theoretiker Prof. Ralf Schützhold. "Eigentlich sind die Filter so
eingestellt, dass hinter ihnen kein Licht herauskommen kann. Doch das gebogene
Lineal würde die Schwingungsrichtung des Lichts so verändern, dass man am Ende
doch etwas sieht." Das Lineal entspräche in diesem Bild den Vakuumfluktuationen,
der ultrastarke Laserblitz würde sie verbiegen.
Das ursprüngliche Konzept sieht vor, nur einen optischen Laserblitz in die
Kammer zu schießen und mit speziellen Messtechniken zu registrieren, ob er die
Polarisation des Röntgenblitzes verändert. Das Problem: "Das Signal dürfte
äußerst schwach sein", erläutert Schützhold. "Es kann sein, dass von einer
Billion Röntgen-Photonen nur ein einziges seine Polarisation ändert." Das aber
könnte unterhalb der derzeitigen Messgrenze liegen – der Technik könnte das
Geschehen schlicht durch die Lappen gehen.
Deshalb setzen Schützhold und sein Team auf eine Variante: Statt nur einen
optischen Laserpuls schießen sie gleichzeitig zwei in die luftleere Kammer. Dort
treffen beide Blitze aufeinander, sodass sie regelrecht kollidieren. Genau in
diesen Kollisionspunkt soll auch der Röntgenpuls des European XFEL feuern. Das
Entscheidende: Auf den Röntgenpuls wirken die kollidierenden Laserblitze wie
eine Art Kristall. Ebenso wie Röntgenstrahlung beim Durchtritt durch einen
normalen Kristall gebeugt, also abgelenkt wird, sollte auch der XFEL-Röntgenpuls
durch den kurzzeitig existierenden "Lichtkristall" der beiden kollidierenden
Laserblitze abgelenkt werden.
"Dadurch würde sich nicht nur die Polarisation des Röntgenpulses ändern,
sondern er würde gleichzeitig auch ein wenig abgelenkt", beschreibt Schützhold.
Durch diese Kombination könnte die Chance steigen, den Effekt tatsächlich messen
zu können – so die Hoffnung. Das Team hat in seiner Arbeit diverse Varianten
durchgerechnet, in welchem Winkel die beiden Laserblitze in der Kammer
aufeinandertreffen. Welche dieser Varianten sich als beste erweist, wird sich in
den Experimenten zeigen.
Zusätzlich verbessern ließen sich die Aussichten, wenn nicht zwei Laserblitze
gleicher Farbe in die Kammer geschossen würden, sondern zwei Blitze von
unterschiedlicher Wellenlänge. Denn dann könnte sich zusätzlich auch die Energie
des Röntgenblitzes ein wenig verändern, was ebenfalls bei der Messung des
Effekts helfen würde. "Aber das ist technisch anspruchsvoll und wird vielleicht
erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt", meint Schützhold.
Derzeit laufen gemeinsam mit dem European XFEL-Team der
HED-Experimentierstation die Planungen in Hamburg, erste Versuche sollen 2024
beginnen. Sind sie erfolgreich, könnten sie die QED ein weiteres Mal bestätigen.
Vielleicht aber würden die Experimente Abweichungen von der bewährten Theorie
feststellen. Dahinter könnten bis dato unentdeckte Teilchen stecken – zum
Beispiel ultraleichte Geisterteilchen namens Axionen. "Und das", sagt Schützhold,
"wäre ein klares Zeichen dafür, dass es weitere, bislang unbekannte Naturgesetze
gibt."
Über das geplante Experiment berichtet das Team in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Physical Review D erschienen ist.
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