Kern des Roten Planeten ist kleiner als gedacht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich astronews.com
26. Oktober 2023
Die Mission des NASA-Marslanders InSight war es, etwas über das Innere des Roten
Planeten herauszufinden. Die Erschütterungen, die durch einen
Meteoriteneinschlag verursacht wurden, erlaubten einen neuen Blick auf den
Marskern aus flüssigem Eisen. Dieser ist offenbar kleiner und dichter als
gedacht, darüber befindet sich eine Schicht aus flüssigem Mantelmaterial.
Die Analyse seismischer Daten, die von der
InSight-Mission aufgezeichnet wurden, zeigt, dass der
flüssige Eisenkern des Mars von einer 150 km dicken,
geschmolzenen Silikatschicht umgeben ist. Der Kern (lachsfarben) ist
folglich kleiner und dichter.
Bild: Thibaut Roger - NCCR Planet S - ETH
Zürich [Großansicht] |
Vier Jahre lang registrierte die NASA-Sonde InSight mit ihrem
Seismometer auf dem Mars Beben. Forschende an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule Zürich (ETH Zürich) erfassten und analysierten die zur Erde
übermittelten Daten, um die innere Struktur des Planeten zu bestimmen. "Obwohl
die Mission bereits im Dezember 2022 beendet wurde, haben wir jetzt etwas sehr
Interessantes entdeckt", sagt Amir Khan, Privatdozent im Departement
Erdwissenschaften der ETH Zürich.
Die Analyse der registrierten Marsbeben kombiniert mit Computersimulationen
zeigen ein neues Bild des Inneren des Planeten: Zwischen dem Marskern aus einer
flüssigen Eisenlegierung und dem Mantel aus festem Silikatgestein befindet sich
eine rund 150 Kilometer dicke Schicht aus flüssigen Silikaten. "Eine solche,
völlig geschmolzene Silikatschicht sehen wir auf der Erde nicht", sagt Khan.
Diese jetzt veröffentlichte Erkenntnis liefert auch neue Werte für die Größe und
Zusammensetzung des Marskerns und löst damit ein Rätsel, das sich die Forscher
bisher nicht erklären konnten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie
unter der Leitung von Henri Samuel vom Institut de Physique de Globe de
Paris, die gleichzeitig erschienen ist.
Die Analyse der ersten beobachteten Marsbeben hatte nämlich ergeben, dass die
mittlere Dichte des Marskerns bedeutend kleiner sein musste als diejenige von
reinem, flüssigen Eisen. Der Erdkern besteht zu rund 90 Gewichtsprozenten aus
Eisen. Leichte Elemente wie Schwefel, Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff
machen ungefähr zehn Gewichtsprozente aus. Im Marskern hatten die leichten
Elemente gemäß der ersten Analysen einen Anteil von 20 Gewichtsprozenten. "Über
dieses seltsame Resultat haben wir uns damals gewundert", sagt Dongyang Huang,
Postdoktorand in Zürich.
Aufgrund der neuen Berechnungen beträgt der Radius des Marskerns nun anstatt
1800 bis 1850 Kilometer noch 1650 bis 1700 Kilometer und macht damit ungefähr 50
Prozent des Radius vom Mars aus. Ist der Marskern kleiner als bisher angenommen,
aber gleich schwer, so bedeutet dies folgendes: Seine Dichte ist größer, und er
enthält weniger leichte Elemente. Gemäß der neuen Berechnungen sinkt der Anteil
der leichten Elemente auf neun bis 14 Gewichtsprozente. "Damit ist die mittlere
Dichte des Marskerns zwar immer noch etwas klein, aber nicht mehr unerklärbar",
sagt Paolo Sossi, Assistenzprofessor an der ETH Zürich.
Denn man nimmt an, dass der Mars sehr früh entstanden ist, als die Sonne noch
von einem Gasnebel mit leichten Elementen umgeben war, die sich im Kern
ansammeln konnten. Die ersten Berechnungen stützten sich auf Beben, die ziemlich
nahe bei der InSight-Sonde stattgefunden hatten. Im August und September 2021
registrierte das Seismometer jedoch zwei Beben, die sich auf der anderen Seite
des Mars ereigneten. Eines davon stammte von einem Meteoriteneinschlag. "Diese
Beben produzierten seismische Wellen, die durch den Kern liefen", erklärt
Cecilia Duran, Doktorandin an der ETH Zürich. "Damit konnten wir den Kern
durchleuchten."
Bei den früheren Beben hingegen wurden die Wellen an der Kerngrenze
reflektiert und lieferten keine Informationen über den inneren Bereich des Roten
Planeten. Neu konnten die Forschenden nun Profile der Dichte und der
Geschwindigkeit der Bebenwellen im Kern erstellen, die bis in eine Tiefe von
rund 1000 Kilometer im Kern reichen.
Um aus solchen Profilen auf die Zusammensetzung des Materials zu schließen,
vergleichen Forschende normalerweise die Werte mit jenen von künstlich
hergestellten Eisenlegierungen, die unterschiedliche Anteile anderer Elemente
enthalten. Im Labor setzt man diese Legierungen hohen Temperaturen und Drücken
aus, wie sie im Planeteninnern herrschen, und misst die entsprechende Dichte und
Geschwindigkeit der Bebenwellen. Doch die meisten dieser Experimente beziehen
sich auf das Innere der Erde und lassen sich kaum auf den Mars anwenden.
Die ETH-Forschenden verwendeten deshalb eine andere Methode. Sie bestimmten
die Eigenschaften verschiedenster Legierungen mit quantenmechanischen
Berechnungen, die sie am Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz
(CSCS) in Lugano durchführten. Doch als die Forschenden die berechneten mit den
gemessenen Profilen verglichen, stießen sie auf ein Problem: Es gab kein
Material, das gleichzeitig zu den Werten im Innern und am äußeren Rand des Kerns
passte. An der Kerngrenze hätte die richtige Eisenlegierung beispielsweise viel
mehr Kohlenstoff enthalten müssen als im Kerninnern. "Das brachte uns auf die
Idee, dass der Bereich, den wir früher als den äußeren, flüssigen Eisenkern
betrachtet hatten, gar nicht der Kern ist, sondern der tiefste Bereich des
Mantels", erklärt Huang.
Tatsächlich stimmten die in den äußersten 150 Kilometern gemessenen und
berechneten Profile überein mit denjenigen einer flüssigen Schicht aus
Silikatmaterial, aus dem auch der Marsmantel besteht. Weitere Analysen der
früheren Marsbeben sowie zusätzliche Computersimulationen bestätigten dieses
Resultat. Die Forschenden bedauern, dass die InSight-Sonde aufgrund der
verstaubten Solarpanels keine weiteren Daten liefern konnte, die noch mehr
Aufschluss über die genauere Zusammensetzung des Materials im Marsinnern hätten
geben können. "Doch InSight war eine sehr erfolgreiche Mission, aus der
wir viel herausgeholt und viel Neues gelernt haben", fasst Khan zusammen.
Die Ergebnisse über das Innere des Mars wurden in zwei Fachartikeln
vorgestellt, die jetzt in der Zeitschrift Nature erschienen sind.
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