Unerwartet viele junge Sterne im galaktischen Zentrum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität zu Köln astronews.com
12. Oktober 2023
In der direkten Umgebung des supermassereichen Schwarzen
Lochs im Zentrum der Milchstraße wurde eine unerwartet große Anzahl junger
Sterne identifiziert und mithilfe des James Webb Space Telescope zudem
Wassereis nachgewiesen. Die neuen Daten könnten helfen, die Geschehnisse in
diesem Bereich unser Heimatgalaxie besser zu verstehen.
Ein Multi-Wellenlängenblick auf die Umgebung
des supermassereichen Schwarzen Lochs SgrA* (gelbes X). Rot
sind die Sterne, blau der Staub. Viele der jungen Sterne in
dem Sternenhaufen IRS13 werden vom Staub verdeckt oder von den
hellen Sternen überblendet.
Bild:
Florian Peißker / Universität zu Köln [Großansicht] |
Ein internationales Team um Dr. Florian Peißker vom Institut für Astrophysik
der Universität zu Köln hat einen jungen Sternhaufen in der direkter Umgebung
des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* (SgrA*) im Zentrum unserer
Galaxie im Detail analysiert und gezeigt, dass er deutlich jünger ist als
erwartet. Dieser Sternhaufen, bekannt als IRS13, wurde zwar bereits vor über
zwanzig Jahren entdeckt, aber erst jetzt ist es durch die Kombination
verschiedenster Daten – aufgenommen mit einer Vielzahl von Teleskopen über einen
Zeitraum mehrerer Dekaden – gelungen, die Sternhaufenmitglieder im Detail zu
bestimmen. Die Sterne sind einige 100.000 Jahre alt und damit für stellare
Verhältnisse außerordentlich jung. Zum Vergleich: unsere Sonne ist ca. fünf
Milliarden Jahre alt. Eigentlich sollte es aufgrund der hochenergetischen
Strahlung wie auch der Gezeitenkräfte der Galaxie nicht möglich sein, dass sich
eine derart große Anzahl so junger Sterne in der direkten Umgebung zum
supermassiven Schwarzen Loch befindet.
In Zusammenhang mit der aktuellen Studie wurde zudem ein weiteres
herausragendes Ergebnis publiziert: Zum ersten Mal wurde mit dem James
Webb-Weltraumteleskop (JWST) ein Spektrum, frei von atmosphärischer Störung, vom
galaktischen Zentrum aufgenommen. Ein Prisma an Bord des Teleskops wurde am
Institut für Astrophysik in der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Andreas Eckart.
Das nun vorliegende Spektrum zeigt, dass sich im galaktischen Zentrum Wassereis
befindet. Dieses Wassereis, welches sich häufig in den staubigen Scheiben um
sehr junge stellare Objekte befindet, ist ein weiterer unabhängiger Indikator
für das junge Alter einiger Sterne nahe des Schwarzen Lochs.
Neben dem unerwarteten Nachweis von jungen Sternen und Wassereis durch das
JWST haben die Forscherinnen und Forscher um Peißker auch festgestellt, dass
IRS13 eine turbulente Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Die
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass IRS13 durch Reibung mit dem
interstellaren Medium, Kollisionen mit anderen Sternhaufen oder interner
Prozesse in Richtung des supermassereichen Schwarzen Lochs wanderte. Ab einer
gewissen Entfernung wurde der Sternhaufen dann von der Gravitation des Schwarzen
Lochs "eingefangen". Bei diesem Prozess könnte sich an der Spitze des
Sternhaufens eine Bugstoßwelle aus dem Staub gebildet haben, der den Haufen
umgibt – ähnlich wie bei der Spitze eines Schiffs im Wasser. Die damit
verbundene Dichtezunahme des Staubs regte daraufhin weitere Sternentstehung an.
Dies ist eine Erklärung, warum diese jungen Sterne vor allem in der Spitze bzw.
Front des Sternhaufens zu finden sind.
"Die Analyse von IRS13 sowie die damit einhergehende Interpretation des
Sternhaufens ist der erster Versuch, ein Jahrzehnte altes Rätsel über die
unerwartet jungen Sterne im galaktischen Zentrum zu lüften", so Peißker. "Denn
neben IRS13 gibt es einen Sternhaufen, den sogenannten S-cluster, der sich noch
näher am Schwarzen Loch befindet und ebenfalls aus jungen Sternen besteht. Sie
sind ebenfalls deutlich jünger als es nach akzeptierten Theorien möglich wäre."
Die gewonnen Erkenntnisse über IRS13 bieten in weiterer Forschungsarbeit die
Gelegenheit, eine Verbindung zwischen der direkten Umgebung des Schwarzen Lochs
und Regionen in mehreren Lichtjahren Entfernung herzustellen. "Der Sternhaufen
IRS13 scheint der Schlüssel zu sein, um den Ursprung der dichten Sternpopulation
im Zentrum unserer Galaxie zu enträtseln", unterstreicht Dr. Michal Zajaček,
Wissenschaftler an der Masaryk-Universität im tschechischen Brünn. "Wir haben
umfangreiche Beweise dafür gesammelt, dass sehr junge Sterne in der Reichweite
des supermassereichen Schwarzen Lochs in Sternenhaufen wie IRS13 entstanden sein
könnten. Dies ist auch das erste Mal, dass wir Sternpopulationen
unterschiedlichen Alters – heiße Hauptreihensterne und noch junge entstehende
Sterne – in dem Haufen so nahe am Zentrum der Milchstraße unterscheiden können."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal.
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