SAGITTARIUS A*
Ein Babystern in der Nähe des Milchstraßenzentrums
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Köln astronews.com
1. März 2023
Lange Zeit nahm man an, dass sich im Zentrum der Milchstraße
nur vergleichsweise alte Sterne finden lassen, da Sternentstehung in dieser
Region praktisch unmöglich erschien - bis man rund um das zentrale Schwarze Loch
junge Sterne entdeckte. Nun spürte ein Forschungsteam in dieser Region einen
Babystern auf, der nur einige 10.000 Jahre alt sein dürfte.
Der Babystern X3a in seiner Hülle, X3 (in
Blau dargestellt). Die Hülle wird dabei von stellaren Winden
angeblasen weshalb sich eine zigarrenähnliche Form ausbildet.
Auf Zeitskalen von weniger als 10 Jahren können sich Klumpen
bilden die wiederum von X3a verschluckt werden.
Bild:
Florian Peißker / Universität zu Köln [Großansicht] |
Ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern unter Leitung von
Dr. Florian Peißker vom Institut für Astrophysik der Uni Köln hat einen sehr
jungen Stern in seiner Entstehungsphase nahe dem supermassereichen Schwarzen
Loch Sagittarius A* (Sgr A*) im Zentrum unserer Milchstraße entdeckt. Der Stern
ist nur einige 10.000 Jahre alt und damit jünger als die Menschheit. Den
Babystern mit dem Namen X3a dürfte es so nahe am supermassiven schwarzen Loch
eigentlich nicht geben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon
aus, dass er sich in einer Staubwolke gebildet hat, die das gigantische Schwarze
Loch umkreist und erst nach der Sternbildung auf seine jetzige Umlaufbahn
gesunken ist.
Die Umgebung eines Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie ist eine
Region, die sich durch hochdynamische Prozesse und eine dominante Röntgen- wie
auch UV-Strahlung auszeichnet. Eine solche Umgebung verhindert normalerweise,
dass sich ein Stern wie zum Beispiel unsere Sonne bilden kann. Daher galt lange
die Annahme, dass sich über Zeiträume von Milliarden Jahren nur alte,
entwickelte Sterne durch dynamische Reibungskräfte in der Umgebung des
supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie "ansiedeln" können.
Entgegen jeglicher astrophysikalischen Erkenntnis wurden aber bereits vor
zwanzig Jahren sehr junge Sterne in der direkten Umgebung von Sgr A* gefunden.
Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wie sie dorthin gekommen sind und wo sie
sich gebildet haben. Das unerwartete Auftreten von sehr jungen Sternen in
unmittelbarer Nähe des supermassiven Schwarzen Lochs wird als "Paradox der
Jugend" bezeichnet. Der Babystern X3a – zehnmal so groß und dabei fünfzehnmal so
schwer wie unsere Sonne – könnte nun erklären, wie das möglich ist: X3a
benötigte besondere Entstehungsbedingungen in der direkten Umgebung des
Schwarzen Lochs.
"In einer Entfernung von nur einigen Lichtjahren vom Schwarzen Loch gibt es
eine Region, welche die Bedingungen für Sternentstehung erfüllt", so Peißker.
"Dieser Ring aus Gas und Staub ist hinreichend kalt und gegen zerstörerische
Strahlung abgeschirmt." Tiefe Temperaturen und hohe Dichten führten dort dazu,
das sich Wolken von hunderten Sonnenmassen bildeten. Diese Wolken konnten sich
über Wechselwirkungen miteinander sehr schnell in Richtung des Schwarzen Lochs
bewegen. Hinzu komme, dass sich in unmittelbarer Nähe des Babysterns in der
Sternentstehungsregion sehr heiße Klumpen gebildet haben, die von X3a
aufgenommen wurden. Nur so konnte X3a überhaupt eine so hohe Masse erreichen.
Allerdings sind diese Klumpen nur ein Teil von dessen Entstehungsgeschichte,
erklären aber nicht seine "Geburt". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
gehen daher von folgendem Szenario aus: Abgeschirmt vom Einfluss der Schwerkraft
von Sgr A* und der intensiven Strahlung könnte sich in dessen äußerem Gas- und
Staubring eine ausreichend dichte Gaswolke gebildet haben. Diese Wolke hatte
eine Masse von etwa hundert Sonnen und kollabierte unter ihrer eigenen
Schwerkraft zu einem oder mehreren Protosternen. "Diese sogenannte Fallzeit
entspricht ungefähr dem Alter von X3a. Daher gehen wir davon aus, dass der
Prozess die Geburt von X3a war", ergänzt Peißker.
Beobachtungen haben gezeigt, dass es viele dieser Wolken gibt, die
miteinander wechselwirken können. Es ist daher plausibel, dass von Zeit zu Zeit
eine Wolke in Richtung des Schwarzen Lochs fällt. Dieses Szenario würde ferner
zum Entwicklungsstand von X3a passen, der sich gerade zu einem reifen Stern
entwickelt. Es ist daher durchaus plausibel, dass der Gas- und Staubring als
Geburtsort der jungen Sterne im Zentrum unserer Galaxie fungiert.
"Mit seiner hohen Masse von etwa dem Zehnfachen der Sonnenmasse ist X3a ist
ein Riese unter den Sternen, und diese Riesen entwickeln sich sehr schnell zu
einem reifen Stern", so Dr. Michal Zajaček von der Masaryk-Universität in Brno,
ein Mitautor der Studie. "Wir hatten das Glück, den massereichen Stern inmitten
der kometenförmigen zirkumstellaren Hülle zu entdecken. Anschließend haben wir
wichtige Merkmale identifiziert, die auf ein junges Alter hindeuten, wie etwa
die kompakte zirkumstellare Hülle, die um ihn herum rotiert."
Da ähnliche Staub- und Gasringe auch in anderen Galaxien zu finden sind, kann
der beschriebene Mechanismus auch dort funktionieren. Viele Galaxien könnten
daher sehr junge Sterne in ihrem Zentrum beherbergen. Geplante Beobachtungen mit
dem James-Webb-Weltraumteleskop von NASA und ESA oder dem Extremely Large
Telescope der europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile werden dieses
Sternentstehungsmodell sowohl für unsere Galaxie als auch für andere Galaxien
testen.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht wurde.
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