Das bemerkenswerte Ende einer bemerkenswerten Mission
von
Stefan Deiters astronews.com
31. Juli 2023
Die Satellitenmission Aeolus der europäischen
Weltraumorganisation ESA ist Geschichte: Der Satellit verglühte am Freitagabend
kontrolliert in der Erdatmosphäre. Selbstverständlich war dieses Ende zunächst nicht, so dass
das Betriebsteam das Ende von Aeolus genauso feierte wie die Mission selbst: Sie
hat in den letzten Jahren wichtige Daten über die Winde in der Erdatmosphäre
geliefert.
Die Mission Aeolus lieferte Daten über den Wind in der
Erdatmosphäre.
Foto: ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Aeolus, die "Windmission" der europäischen Weltraumorganisation
ESA, ist am 28. Juli gegen 21.00 Uhr MESZ über der Antarktis in die
Erdatmosphäre eingetreten. Dies bestätigte das US Space Command. Dem
Wiedereintritt gingen eine Reihe komplexer Manöver voraus, bei denen die
Umlaufbahn von Aeolus von einer Höhe von 320 Kilometer auf nur 120
Kilometer abgesenkt wurde, um so einen kontrollierten Eintritt in die
Atmosphäre zu ermöglichen. Dabei wurde Aeolus so positioniert, dass
alle Teile, die möglicherweise nicht in der Atmosphäre verglüht waren, in
einen bestimmten Bereich des Atlantiks stürzten und somit niemanden
gefährdeten.
Das war - zumindest bei dieser Mission - nicht selbstverständlich: Heute gibt
es für Satellitenmissionen Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass
Satelliten bei ihrer Rückkehr zur Erde keine Schäden verursachen. So werden
Satelliten in der Regel so konstruiert, dass der Großteil des Satelliten beim
Wiedereintritt verglüht oder der Wiedereintritt so kontrolliert stattfinden
kann, dass nicht verglühende Teile in dafür vorgesehene Bereich des Ozeans
stürzen. Als Aeolus in den späten 1990er Jahren entwickelt wurde, gab
es jedoch noch keine derartigen Vorschriften. So wäre der Satellit, wenige
Wochen nachdem ihm der Treibstoff ausgegangen war, unkontrolliert in die
Erdatmosphäre eingetreten.
Dass dabei jemand zu Schaden gekommen wäre, war allerdings wenig wahrscheinlich:
Satelliten und Raketenteile fallen etwa einmal pro Woche auf die Erde zurück,
und Trümmerteile, die die Passage durch die Erdatmosphäre überstehen, haben nur
sehr selten Schäden angerichtet. Experten schätzen, dass die Wahrscheinlichkeit,
von einem Trümmerteil getroffen zu werden, dreimal geringer ist, als die
Wahrscheinlichkeit, von einem Meteoriten getroffen zu werden. Trotzdem setzte
man bei der ESA alles daran, den Wiedereintritt von
Aeolus so sicher wie möglich zu machen.
So machte sich vor einigen Wochen ein Team im
ESA-Missionskontrollzentrum ESOC in Darmstadt an die Arbeit und tüftelte aus,
wie man den noch vorhandenen Treibstoff des Satelliten nutzen konnte, um die Bahn
von Aeolus so abzusenken und anzupassen, dass er sich zur
entsprechenden Zeit in der besten Position für den Wiedereintritt befinden
würde. Das ist dem Team gelungen, so dass die Mission im Einklang mit den heute
geltenden Vorschriften zu Ende gegangen ist.
"Die Teams haben etwas
Bemerkenswertes erreicht. Diese Manöver waren komplex, und Aeolus war
nicht dafür ausgelegt, sie auszuführen, und es bestand immer die Möglichkeit,
dass dieser erste Versuch eines unterstützten Wiedereintritts nicht
funktionierte", so ESA-Betriebsdirektor Rolf Densing. "Der Wiedereintritt von
Aeolus war immer ein sehr geringes Risiko, aber wir wollten die Grenzen
verschieben und das Risiko weiter reduzieren, um unseren Einsatz für den
'Null-Weltraumschrott-Ansatz' der ESA zu unterstreichen. Wir haben viel aus
diesem Erfolg gelernt und können den gleichen Ansatz möglicherweise auch auf
einige andere Satelliten anwenden, die sich am Ende ihrer Lebensdauer befinden
und gestartet wurden, bevor die aktuellen Bestimmungen in Kraft waren."
Aeolus war eine anspruchsvolle Mission und die Entwicklung der
dafür nötigen Lasertechnologie dauerte viele Jahre. Nach einer Reihe von
Verzögerungen konnte der Satellit schließlich 2018 gestartet werden. Er war Teil
der Erdbeobachtungsflotte der ESA und lieferte detaillierte Informationen über die
Windverhältnisse in der Erdatmosphäre. "Aeolus war wirklich
herausragend. In der Tat war es schwierig, die Technologie zu entwickeln, aber
die Mühe hat sich mehr als ausgezahlt", so Simonetta Cheli, ESA-Direktorin für
Erdbeobachtungsprogramme. "Es kam nicht nur der Wissenschaft zugute, indem es
einen Beitrag zur Klimaforschung leistete, sondern die Daten wurden auch
operativ für Wettervorhersagen verwendet, was sich während des Covid-Lockdowns
als unerlässlich erwies, als Flugzeuge, die Wetterinstrumente tragen, am Boden
blieben."
Bei der ESA ist bereits die Nachfolgemission Aeolus-2 geplant, die
zusammen mit dem europäischen Wettersatellitenbetreiber Eumetsat realisiert
werden soll.
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