Ausweichmanöver im Erdorbit
von
Stefan Deiters astronews.com
4. September 2019
Der Start der Starlink-Konstellation des
US-Unternehmens SpaceX hatte bereits im Frühjahr für Kritik gesorgt, da manche eine
Verschmutzung des Himmels mit Satellitenspuren befürchteten. Jetzt musste ein
ESA-Forschungssatellit erstmals einem Starlink-Satelliten ausweichen.
Starlink
hatte auf entsprechende Hinweise nicht reagiert, macht aber nun eine
Kommunikationspanne dafür verantwortlich.
Der Satellit Aeolus der ESA, der Informationen über den Wind
in der Atmosphäre liefert, musste am Montag ein
Kurskorrekturmanöver durchführen, um eine mögliche Kollision
mit einem Starlink-Satelliten auszuschließen.
Bild: ESA/ATG medialab [Großansicht] |
Das Starlink-Projekt von SpaceX-Chef Elon Musk hatte schon im Frühjahr für
Schlagzeilen gesorgt: Am 24. Mai nämlich waren die ersten 60 Satelliten der
Konstellation ins All gestartet worden. Insgesamt sollen es einmal fast 12.000
Satelliten werden, um einen weltweiten satellitenbasierten Internetzugang
bereitstellen zu können. Doch schon die ersten Satelliten sorgten für einigen
Unmut, waren sie doch in den ersten Tagen nach dem Start als helle Lichterkette am
Himmel zu sehen - anfangs sogar mit bloßem Auge.
Obwohl ihre Helligkeit schnell abnahm, sorgte dies doch zu besorgten
Stellungnahmen beispielsweise der Internationalen Astronomischen Union, die eine
"Verschmutzung" des Nachthimmels durch eine Vielzahl von Satelliten
befürchtete, was bestimmte astronomische Untersuchungen erschweren oder
gar ganz unmöglich machen würde (astronews.com berichtete).
Nun hat sich noch eine anderes Problem mit neuen großen
Satelliten-Konstellationen gezeigt, die nicht nur SpaceX, sondern auch andere
Unternehmen in den nächsten Jahren ins All bringen wollen: Die europäische Weltraumagentur
ESA musste mit ihrem Satelliten Aeolus ein Kurskorrekturmanöver durchführen, um
eine Kollision mit einem der Starlink-Satelliten sicher auszuschließen.
Vorausgegangen war eine Bahnanalyse, die vor einigen Wochen ein geringes
Kollisionsrisiko zwischen Starlink-44 und Aeolus aufgezeigt
hatte. Nach den Richtlinien der ESA ist eine Kurskorrektur nötig, wenn das
Kollisionsrisiko höher wird als
1:10.000 - ein Wert, der am vergangenen Donnerstag erreicht war. Zuvor hatte man
bereits mit dem Starlink-Team Kontakt aufgenommen, das der ESA aber antwortete, dass
man nicht die Absicht habe, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen.
Als die Wahrscheinlichkeit einer Kollision weiter anstieg, entschloss man
sich am europäischen Raumfahrtkontrollzentrum in Darmstadt zum Handeln und hob
am Montag die Bahn von Aeolus um rund 350 Meter an. Zuvor hatte die
Kollisionswahrscheinlich bereits 1:1000 betragen.
Als die vermeintliche Gleichgültigkeit von Starlink bekannt wurde, hatte es zunächst erhebliche
Kritik am Verhalten des US-Unternehmens gegeben. Dieses hat sich inzwischen auch
selbst zu dem Vorfall erklärt: Man sei von der ESA kontaktiert worden als die
Kollisionswahrscheinlichkeit noch deutlich geringer als 1:10.000 war und hätte daher
entsprechend geantwortet. Durch eine Panne seien dann aber die weiteren
Berechnungen und die damit verbundene Kommunikation nicht an das Kontrollteam
von Starlink weitergeleitet worden. Hätte man diese gesehen, wäre man
selbstverständlich mit der ESA in Kontakt getreten, um die für beide Seiten
beste Lösung zu finden.
Bei der ESA gibt man sich auch versöhnlich und unterstreicht, dass hier
niemanden eine Schuld trifft. "Das Beispiel zeigt aber auch, dass wir dringend
ein Management des Verkehrs im Orbit benötigen, mit eindeutigen
Kommunikationsprotokollen und mehr automatischen Prozessen", so Holger
Krag, der bei der ESA für die Sicherheit im Weltraum zuständig ist.
Bislang, so Krag, würden die Diskussionen über möglicherweise nötige
Ausweichmanöver per E-Mail geführt und hängen oft von den einzelnen Verantwortlichen in
den Kontrollzentren ab. Gerade angesichts der für die kommenden Jahre erwarteten
Mengen an zusätzlichen Satelliten, seien hier dringend automatisierte Prozesse
nötig, um Kollisionen im Orbit zu vermeiden.
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