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Das Alter von Sternen außerhalb von Sternhaufen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) astronews.com
21. Juli 2023
In einer neuen Studie konnte jetzt ein Zusammenhang zwischen
den Rotationsgeschwindigkeiten von Sternen in und außerhalb von Sternhaufen
hergestellt werden, aus dem sich deren Alter ableiten lässt. Die Ergebnisse
zeigen, dass die Gyrochronologie zur Altersbestimmung nicht nur auf Sternhaufen,
sondern auch auf einzelne Sterne angewandt werden kann.
Das "Skelett" aus Alterslinien für offene Sternhaufen in
einem Rotationsperiode-Farben-Diagramm. Jede
Linie steht für einen Sternhaufen und damit für
ein bestimmtes Alter. Die Doppelsterne (mit
Linien verbundene Kreise und Rauten) folgen
diesen Linien, so dass sich deren Alter ablesen
lässt. Die Alterslinien reichen von 150 Millionen
Jahren (unterste Linie, violett) bis 4 Milliarden
Jahre (dunkelblau). Bild:
D. Gruner, S. A. Barnes, K. A. Janes [Großansicht] |
Wie alt ist ein Stern? Dies ist eine schwierige Frage, die für einen Stern in
einem Sternhaufen leichter zu beantworten ist. Das liegt daran, dass alle Sterne
in einem Sternhaufen – unabhängig von ihrer Größe – den gleichen Ursprung und
damit das gleiche Alter haben. Durch die Untersuchung der Eigenschaften der
Sterne in einem Haufen und ihrer aktuellen Entwicklungsstadien kann man das
Alter des Sternhaufens und damit das Alter seiner Sterne gut abschätzen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkunden nun das neue Gebiet der
Gyrochronologie, mit der sich das Alter einzelner Sterne, sogenannter
Feldsterne, bestimmen lässt. Diese Methode stellt einen Zusammenhang zwischen
der Rotation eines Sterns und seiner Farbe sowie seinem Alter her. Die
Rotationsperiode, mit der sich ein Stern um seine Achse dreht, lässt sich aus
der Beobachtung seiner Helligkeit bestimmen: Viele Sterne haben auf ihrer
Oberfläche dunkle Flecken, ähnlich wie die Sonnenflecken der Sonne. Wenn ein
Stern rotiert und ein Sternfleck ins Sichtfeld einer Beobachterin gerät, dann
nimmt die Helligkeit des Sterns um einen kleinen Bruchteil ab. Durch Messung
dieser kleinen Einbrüche in der Lichtintensität des Sterns und wann sich diese
wiederholen, z. B. mit Daten des Kepler-Satelliten, wie sie hier verwendet
wurden, kann die Rotationsperiode eines Sterns gemessen werden.
Studien an massearmen Zwergsternen in Sternhaufen haben gezeigt, dass Sterne
mit zunehmendem Alter immer langsamer rotieren. Trägt man die Rotationsperioden
von Sternen gegen ihre Farben in einem Diagramm auf, ergibt sich ein
charakteristisches Muster: Die Haufensterne bilden geschwungene Linien, die
zusammen ein Skelett der Rotationsentwicklung definieren. Dabei entspricht jede
Rippe des Skeletts einem Haufen eines bestimmten Alters. Ältere Haufen
definieren nacheinander die höheren Rippen. Jede Rippe entspricht also einer
Kurve gleichen Alters. Zeichnet man nun einen Stern aus einem Sternhaufen in das
Diagramm ein, lässt sich anhand dieser Linien sein Alter ablesen.
Diese Methode wurde auf der Grundlage von Sternhaufen entwickelt; daher war
es bisher nicht klar, ob diese Art der Altersbestimmung auch für Sterne
außerhalb von Sternhaufen, die die überwältigende Mehrheit der Sterne unserer
Galaxis ausmachen, funktioniert. Hier setzt die jüngste Arbeit an. Die Autoren
untersuchten mehr als 300 weit auseinander liegende Doppelsterne. Dabei handelt
es sich um Systeme aus jeweils zwei einander umkreisenden Sternen, die weit
genug voneinander entfernt sind, um sich in ihrer normalen Rotationsentwicklung
nicht gegenseitig zu stören. Solche Doppelsterne sind Feldsterne, aber aufgrund
ihres gemeinsamen Ursprungs kann man wie bei Sternhaufen davon ausgehen, dass
sie dasselbe Alter haben.
Wenn sich nun Feldsterne tatsächlich auf die gleiche Weise entwickeln wie
Haufensterne, dann sollten die beiden Sterne eines Doppelsterns ein konsistentes
Bild ergeben, wenn sie im Diagramm eingetragen werden. Mit anderen Worten: Wenn
ein Stern eines weiten Doppelsternsystems auf der Rotationsrippe eines
bestimmten Sternhaufens liegt, würde dann der andere auch auf der gleichen Rippe
liegen? Gelten also die von Sternhaufen abgeleiteten Alterslinien auch für weite
Doppelsterne?
Die Autoren der Studie fanden heraus, dass dies eindeutig der Fall ist.
Tatsächlich konnten die Autoren die von ihnen untersuchten Doppelsterne in eine
Reihe von Untergruppen aufteilen, die jeweils mit einem Sternhaufen eines
bestimmten Alters verknüpft sind. David Gruner, Hauptautor der Studie und
Doktorand am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) in der Gruppe
Stellare Aktivität, sagt dazu: "Es war überraschend zu sehen, wie gut alle
unsere weiten Doppelsternsysteme zusammenpassten, als wir begannen, sie mit dem
Haufenskelett zu vergleichen. Sogar Systeme mit ,Sternen sehr unterschiedlicher
Massen zeigten eine bemerkenswerte Übereinstimmung in ihren Positionen im
Diagramm, bis zu dem Punkt, dass sie praktisch nicht von den Sternhaufen zu
unterscheiden sind."
Die wenigen Sterne, die oberhalb der Ansammlung von Haufenrippen liegen, sind
vermutlich älter als die bisher gemessenen Sternhaufen. Darüber hinaus zeigten
die Autoren, dass bei der großen Mehrheit der untersuchten Systeme das aus der
Rotation bestimmte Alter eines Sterns mit dem Rotationsalter des zweiten Sterns
im Doppelsternsystem übereinstimmt. Da die Stichprobe an Sternen sehr vielfältig
war, sowohl in ihrer Verteilung über den Himmel als auch in ihren anderen
stellaren Eigenschaften, z. B. Metallizität, impliziert das Ergebnis, dass die
Gyrochronologie wahrscheinlich auch für Feldsterne zuverlässig eingesetzt werden
kann.
Dr. Sydney Barnes, Leiter der Gruppe Stellare Aktivität am AIP, fügt hinzu:
"Diese Arbeit bietet ein gewisses Maß an Sicherheit, dass in Zukunft
zuverlässige Altersangaben für eine viel größere Anzahl von Feldsternen anhand
ihrer Rotationsraten ermittelt werden können." Dieses Ergebnis wird für die
PLATO-Satellitenmission von Bedeutung sein, deren Ziel es ist, nicht nur eine
große Anzahl von Sternen zu entdecken, die Planeten beherbergen, sondern auch
deren Alter zu bestimmen, was erste Einblicke in die Entwicklungsgeschichte von
Exoplaneten ermöglicht.
Über ihre Ergebnisse berichetet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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