Manche
Riesensterne schummeln beim Alter
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
27. Juni 2019
Das Alter von roten Riesensterne lässt sich mit zwei
verschiedenen Verfahren bestimmen. Bei einigen Roten Riesen führen diese
jedoch zu dramatisch unterschiedlichen Ergebnissen: Die Sterne sehen alt aus,
müssten aber aufgrund ihrer Masse viel jünger sein. Nun ist es zwei
Forscherinnen gelungen, diesen Widerspruch bei einigen der Riesen aufzuklären.
Gegen Ende ihres Lebens verwandeln sich
Hauptreihensterne, wie etwa die Sonne, in Rote
Riesen. Die Zone, innerhalb der gewaltige
Plasmaströme heißes Material nach außen
transportieren, dehnt sich dann nach Innen bis
zum Kern aus. Kernmaterial kann auf diesem Wege
an die Oberfläche des Sterns gelangen – und
ermöglicht einen indirekten Blick ins Innere.
Bild: SAGE-group/MPS [Großansicht] |
Hauptreihenstern, Roter Riese, Weißer Zwerg – im Laufe der Millionen oder gar
Milliarden von Jahren ihres Lebens durchlaufen Sterne verschiedene
Entwicklungsstufen, die sich äußerlich stark unterscheiden. Dennoch sieht man
einem Stern sein Alter nicht an – zumindest nicht auf den ersten Blick.
Schließlich ist die Dauer jeder Lebensphase von Stern zu Stern sehr
unterschiedlich. Mit einem gezielten zweiten Blick können Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler der genauen Lebensgeschichte eines Sterns nachspüren.
Verschiedene Methoden erlauben heute eine verlässliche Altersbestimmung. Doch
es gibt knifflige Fälle: Vor vier Jahren entdeckten zwei Forschergruppen unter
Leitung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam und des
Max-Planck-Instituts für Astronomie rote Riesensterne, die für Verwirrung
sorgten. Satte vier Milliarden Jahre lagen die Ergebnisse verschiedener
Altersmessungen auseinander.
"Die Sterne schienen gleichzeitig alt und jung zu sein", erinnert sich Dr.
Saskia Hekker vom MPS und der Universität Aarhus in Dänemark, die damals zu
beiden Entdeckerteams gehörte und nun Erstautorin der neuen Studie ist. "Dieser
Widerspruch hat mich nicht mehr losgelassen." Zusammen mit ihrer Kollegin Dr.
Jennifer A. Johnson von der Ohio State University in den USA ist es ihr
jetzt gelungen, das Rätsel einiger dieser Sterne zu lösen. Die Forscherinnen
sind davon überzeugt, dass die Sterne ihr jugendliches Alter nur vortäuschen.
Für ein geradezu greisenhaftes Alter von mehr als zehn Milliarden Jahren
spricht das Baumaterial der mysteriösen Roten Riesen. Die Sterne enthalten
vergleichsweise wenig Eisen, ein Element, das im Laufe der Entwicklung des
Universums nur langsam entstanden ist. Alte Sterne enthalten deshalb im
Vergleich zu anderen Stoffen wie Magnesium, Silizium und Calcium wenig Eisen,
junge etwas mehr. Um das Verhältnis dieser Elemente zueinander zu bestimmen,
spalten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Licht des jeweiligen Sterns
in seine einzelnen Wellenlängen auf. In diesem sogenannten Spektrum hinterlässt
jedes Element, das in dem Stern vorkommt, einen charakteristischen
Fingerabdruck.
Eine andere Methode der Altersbestimmung blickt auf die Schwingungen eines
Sterns. Mit Methoden der Asteroseismologie lässt sich aus ihnen auf die Masse
schließen – und somit auf das Alter. Da im Innern von massereichen Sternen
besonders hohe Temperaturen herrschen, verbrennt ihr Brennstoff vergleichsweise
schnell. Massereiche Sterne haben somit eine deutlich geringere Lebenserwartung
als massearme. Die rätselhaften Roten Riesen erwiesen sich auf diesem Wege als
Schwergewichte. Weniger als sechs Milliarden Jahre dürften sie demnach bisher
durchlebt haben.
Die neue Untersuchung löst nun diesen Widerspruch. Die Forscherinnen konnten
zeigen, dass einige der Sterne auf eine ausgesprochen ereignisreiche
Vergangenheit zurückblicken. "Einige der rätselhaften Sterne müssen während oder
nach ihrer Transformation in Rote Riesen mit anderen verschmolzen sein", fasst
Hekker die Ergebnisse zusammen. "Ihre hohes Gewicht ist somit keine
ursprüngliche Eigenschaft und eignet sich nicht zur Altersbestimmung", fügt sie
hinzu. "Sie sind in Wirklichkeit alt."
Schlüssel zu diesen Ergebnissen waren die Mengen an Kohlenstoff, Stickstoff
und Sauerstoff an der Oberfläche der Sterne. Sie erlauben einen indirekten Blick
ins Sterninnere. Wenn sogenannte Hauptreihensterne, also solche, die sich im
selben Entwicklungsstadium wie die Sonne befinden, gegen Ende ihres Lebens in
Rote Riesen verwandeln, ändert sich ihr innerer Aufbau: Die Elemente
Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, die im Kern entstehen, können in
gewaltigen Plasmaströmen an die Oberfläche der Sterne gewirbelt und dort dann
nachgewiesen werden. Je nachdem, wie heiß – und damit massereich – der
betreffende Stern ist, finden sich die Elemente in unterschiedlichen
Verhältnissen.
In ihren Messungen fanden die Forscherinnen in einigen Fällen Werte, die
typisch sind für Sterne geringer Masse. "Bevor sie zu Roten Riesen wurden,
müssen dieser Sterne noch vergleichsweise leicht gewesen sein", schlussfolgert
Johnson. "Ihr heutiges hohes Gewicht lässt sich dadurch erklären, dass sie als
Rote Riesen mit anderen Sternen verschmolzen sind", argumentiert die Forscherin.
Die Erklärung greift nicht für alle untersuchten Sterne. Bei einigen passt
die vor Jahren bestimmte hohe Masse gut zum Vorkommen von Kohlenstoff,
Stickstoff und Sauerstoff an ihrer Oberfläche. "Diese Sterne könnten in einer
früheren Entwicklungsphase, bevor Kernmaterial an die Oberfläche gewirbelt
wurde, mit anderen verschmolzen sein", so Hekker. Eine endgültige Erklärung
steht noch aus.
Die neue Studie bietet einen neuen Zugang zu der Frage, wie häufig Sterne
kollidieren und als Folge verschmelzen. Über den Umweg der Altersbestimmung
ließen sich Rote Riesen mit einer solch bewegten Vergangenheit nun aufspüren.
Über ihre Arbeit berichten die Wissenschaftlerinnen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Academy of Sciences erschienen ist.
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