Experiment erzeugt Bedingungen wie im Inneren von Riesenplaneten und Sternen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
31. Mai 2023
Einem internationalen Team ist es in Laborexperimenten
gelungen, Materie unter solch extremen Bedingungen zu untersuchen, wie sie sonst
nur im Inneren von Sternen oder Riesenplaneten vorkommen. Die Ergebnisse über
das Verhalten von Materie unter extremer Kompression sind sowohl für die
Astrophysik als auch für die Kernfusionsforschung von Bedeutung.
Mithilfe des stärksten Lasers der Welt konnten
Forscherinnen und Forscher Laborexperimente
durchführen, bei denen sie Ionisation durch
extreme Kompression von Materie erreicht haben.
Bild: Greg Stewart / SLAC National
Accelerator Laboratory; Inset: Jan Vorberger /
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Um die extremen Bedingungen zu erzeugen, die sonst nur im Inneren von Sternen
oder Riesenplaneten herrschen, nutzten die Forscherinnen und Forscher den
leistungsstärksten Laser der Welt: die National Ignition Facility (NIF)
im kalifornischen Livermore. Das Team beschoss für die Experimente zunächst mit
184 Laserstrahlen das Innere eines Goldzylinders. Die in Röntgenstrahlen
umgewandelte Laserenergie erhitzte daraufhin eine in der Mitte platzierte
Hohlkugel aus Beryllium, die gerade einmal einen Durchmesser von zwei
Millimetern umfasste. Durch die Erwärmung dehnte sich die Außenseite der Kugel
rasch aus, während gleichzeitig die Innenseite mit hoher Geschwindigkeit in sich
zusammenfiel. Dadurch traten im Zentrum Temperaturen von etwa zwei Millionen
Grad Celsius und Drücke von bis zu drei Milliarden Atmosphären auf.
In der Folge entstand im Labor für einige Sekundenbruchteile ein winziges
Stück Materie, das sich sonst im Universum nur in Zwergsternen finden lässt. Die
Berylliumprobe, die bis zum 30-fachen ihrer ursprünglichen Festkörperdichte
komprimiert war, wurde durch Streuung intensiver Röntgenstrahlung untersucht, um
Rückschlüsse auf ihre Dichte, Temperatur und elektronische Struktur zu ziehen.
Die Ergebnisse zeigten, dass nach starker Erhitzung und Kompression mindestens
drei von vier Elektronen im Beryllium in leitende Zustände übergingen. Darüber
hinaus identifizierten die Forschenden eine unerwartet schwache elastische
Streuung der Röntgenstrahlung, was auf eine geringere Bindung des verbleibenden
Elektrons an den Atomkern hinweist.
Die Materie im Inneren von Riesenplaneten und kleinen Sternen wird durch das
Gewicht der darüber liegenden Schichten stark komprimiert. Die hohen Drücke, die
die extreme Kompression erzeugt, führen die Atome so eng zusammen, dass kein
Platz mehr für gebundene Elektronen bleibt. Allein durch die hohe Dichte kann
ein vollständig ionisiertes Plasma aus Atomkernen und freien Elektronen
entstehen. "Der Grad der Ionisation von Atomen im Inneren von Sternen ist
entscheidend dafür, wie effektiv Energie vom Zentrum durch Strahlung nach außen
transportiert werden kann. Ist dies zu stark eingeschränkt, wird es in den
Himmelskörpern turbulent, ähnlich wie in einem Kochtopf", erläutert Dominik
Kraus, der zu Beginn des Projektes noch in Kalifornien tätig war und nun
Physikprofessor an der Universität Rostock sowie Gruppenleiter am
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ist. "Ist es zu turbulent, könnte
wahrscheinlich kein Leben, wie wir es kennen, in der nahen Umlaufbahn um kleine
Sterne möglich sein."
"Trotz ihrer Bedeutung für die Struktur und Entwicklung von Himmelsobjekten
ist die druckbedingte Ionisation als Weg zu hochionisierter Materie theoretisch
nicht gut verstanden, da die erforderlichen extremen Materiezustände im Labor
nur sehr schwer zu erzeugen und zu untersuchen sind", erklärt Tilo Döppner,
Projektleiter am Lawrence Livermore National Laboratory sowie Alumnus
der Universität Rostock. "Über die Astrophysik hinaus haben die Ergebnisse auch
erhebliche Auswirkungen auf die Trägheitsfusionsexperimente an der NIF, wo
Röntgenabsorption und Kompressibilität Schlüsselparameter für die Optimierung
von Hochleistungsfusionsexperimenten und somit für die mögliche Entwicklung
einer nahezu unerschöpflichen, kohlenstofffreien Energiequelle durch
lasergetriebene Kernfusion sind."
"Die bahnbrechenden Ergebnisse wurden auch durch die engagierte Arbeit von
Doktoranden an der Universität Rostock und am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
ermöglicht, die teilweise Forschungsaufenthalte an der NIF in Kalifornien
absolviert haben", berichtet Ronald Redmer, Physikprofessor an der Universität
Rostock und Experte in der theoretischen Beschreibung von dichten
astrophysikalischen Plasmen. "Die Auswertung der Ergebnisse aus dem
komplizierten Experimentaufbau und die Modellierung der untersuchten
Plasmazustände ist hochkomplex und benötigt enormen Aufwand an Rechenleistung.
Es hat mehrere Jahre gebraucht, um das aktuelle Verständnis der experimentellen
Daten zu erreichen."
Weitere Einblicke in Materie bei Drücken von Milliarden Atmosphären
versprechen sich die Forschenden auch von einer Anlage in Deutschland. Mithilfe
der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) am
European XFEL in Schenefeld wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Universität Rostock und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf ähnliche
Bedingungen in deutlich kleinerem Maßstab erreichen. Dadurch würde eine vielfach
größere Anzahl von Experimenten möglich, als es aktuell an der NIF realisierbar
ist.
Über die Ergebnisse berichten die Forschenden in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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