Die Geheimnisse der Atmosphäre von GJ 1214 b
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
11. Mai 2023
Dank neuer Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb
ist es nach fast 15 Jahren vergeblicher Anstrengungen gelungen, einige
Eigenschaften der Atmosphäre des Exoplaneten GJ 1214 b zu bestimmen. Der
Mini-Neptun weist danach einen dichten Dunstschleier in der Hochatmosphäre auf.
Zudem gibt es Hinweise auf Wasserdampf und Methan in der Atmosphäre.
Künstlerische Darstellung des Exoplaneten GJ
1214 b, die auf den aktuellen Ergebnissen basiert. GJ 1214 b
ist ein warmer Mini-Neptun, auf dem auf einer Seite ständig
Tag und auf der anderen Seite ewige Nacht herrscht. Eine
ungewöhnlich stark reflektierende Dunstschicht in der
Hochatmosphäre erschwert die Bestimmung der Zusammensetzung
der Ebenen darunter. Der Planet besitzt vermutlich große
Mengen an Wasser. Bild:
NASA / JPL-Caltech / R. Hurt (IPAC) [Großansicht] |
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Dunstschicht von GJ 1214 b anders
zusammengesetzt sein muss, als wir es von den uns bekannten Himmelskörpern
kennen", sagt Maria Steinrück vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in
Heidelberg, Deutschland. Sie hat die Modellrechnungen durchgeführt, die für die
Bewertung der Beobachtungen essentiell sind. Die Daten, so die Forschenden,
seien nur durch eine Schicht in der oberen Atmosphäre des Planeten zu erklären,
die die Strahlung des zentralen Sterns, den GJ 1214 b in 38 Stunden einmal
umkreist, ungewöhnlich stark reflektiert. Woraus diese Schicht jedoch besteht,
bleibt nach wie vor ein Geheimnis, da keine der bisher vermuteten
Zusammensetzungen eine zufriedenstellende Erklärung liefert.
Die gängigen Kandidaten scheiden jedenfalls aus: "Weder Rußteilchen noch
sogenannte Tholine reflektieren die Strahlung des Sterns ausreichend stark",
stellt Steinrück fest. Der Begriff "Tholine" wurde vom US-amerikanischen
Astrophysiker und Autor Carl Sagan geprägt, und beschreibt eine variable
Mischung aus Kohlenwasserstoffen, die auf dem Saturnmond Titan und anderen
Körpern des Sonnensystems zu finden ist. Vermutlich bestand die Atmosphäre der
Ur-Erde ebenfalls zum Teil aus Tholinen.
Ähnlich wie auf der Erde die Ozonschicht mit der UV-Strahlung der Sonne
reagiert, könnten vergleichbare Prozesse auch für die Produktion der chemischen
Verbindungen des Dunstes verantwortlich sein, die in der Hochatmosphäre von GJ
1214 b und vielleicht vieler Mini-Neptune zu finden sind. Derzeit wird in
verschiedenen Laboren intensiv danach geforscht, welche Stoffe das sein könnten.
Organische Verbindungen sind derzeit die heißesten Kandidaten. Erstmals belegen
die neuen Beobachtungen mit MIRI (Mid-Infrared Instrument) am Weltraumteleskop
James Webb auch, dass die Atmosphäre jenseits von Wasserstoff und
Helium einen hohen Anteil an schweren Elementen haben muss. Das folgt aus den
Modellrechnungen, die die gemessene Helligkeitsvariation des vom Planeten
veränderten Sternlichts nachempfinden.
Die Astronominnen und Astronomen haben mit ihrer Beobachtung einen
vollständigen Umlauf von GJ 1214 b erfasst und somit seine Oberfläche von allen
Seiten vermessen – das erste Mal bei einem Mini-Neptun. Das Licht, das GJ 1214 b
von seinem Zentralstern empfängt dient dabei als eine Art Sonde. Etwaige
Einflüsse des Planeten auf das Sternlicht zeigen sich dann in schwankenden
Anteilen der Strahlung des Planeten. Einen Hinweis auf die konkrete
Zusammensetzung der Atmosphäre bieten die Messdaten auch. Wie bereits vermutet,
besitzt dieser Planet wahrscheinlich Wasser, das als gasförmiger Dampf auftritt.
"GJ 1214 b könnte daher eine Wasserwelt sein", sagt Eliza Kempton, Professorin
an der University of Maryland in den USA. Allerdings könnten die
Merkmale auch auf Methangas hindeuten. Eine Mischung aus beiden ist ebenfalls
denkbar. Zur Klärung sind daher weitere Beobachtungen nötig.
Im Jahre 2009 haben Astronomen den knapp 50 Lichtjahre entfernten GJ 1214 b
durch die Transitmethode entdeckt. Dabei ist die Bahn des Planeten so
orientiert, dass er regelmäßig seinen Zentralstern kreuzt und durch die
Bedeckung die Sternhelligkeit geringfügig verringert. Aus diesen Messungen ließ
sich seine Größe von etwa drei Erddurchmessern errechnen. Seine Masse beträgt
etwa sieben Erdmassen. Das klassifiziert GJ 1214 b eindeutig als einen
Mini-Neptun.
Diese Art von Exoplaneten ist die häufigste, die Astronomen finden. Im
Sonnensystem gibt es solche Planeten jedoch nicht. Das ist ein Grund dafür, dass
ihre Beschaffenheit kaum bekannt ist. GJ 1214 b umkreist seinen Zentralstern GJ
1214 in einer Entfernung, die etwa einem Siebzigstel der Distanz zwischen der
Erde und der Sonne entspricht. Damit befindet sich der Planet in einer
sogenannten gebundenen Rotation. Das bedeutet, dass eine Umkreisung genauso
lange dauert wie eine Rotation um die eigene Achse. Deswegen beleuchtet und
heizt der Zentralstern immer dieselbe Seite des Planeten. Winde tragen die
Luftschichten auf die gegenüberliegende Hemisphäre, wo sie in ewiger Nacht
abkühlen.
Wie beim globalen Erdklima hängt auch hier die Temperatur auf GJ 1214 b von
verschiedenen Einflüssen ab: die Leuchtkraft und die Temperatur des Sterns, der
Abstand des Planeten vom Stern und die Eigenschaften der Atmosphäre. Daraus
ergibt sich eine charakteristische Wärmestrahlung des Planeten, welche die
Forschenden mit den MIRI-Beobachtungen aufnahmen. Diese bestehen aus Spektren,
welche die verschiedenen Anteile der Infrarotstrahlung entsprechend ihrer
Wellenlänge aufspalten. Daraus schließen die Astronominnen und Astronomen, dass
die Hälfte der Einstrahlung durch den Zentralstern von der Dunstschicht
reflektiert wird und zur Erwärmung der Atmosphäre nicht beiträgt. Die
Berechnungen ergeben somit, dass GJ 1214 b eine mittlere, globale Temperatur von
etwa 230 Grad Celsius besitzt, die zwischen Tag und Nacht um etwa 115 Grad
variiert.
Mehrfach haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher versucht, die
Zusammensetzung der Atmosphäre von GJ 1214 b zu bestimmen, indem sie das
Sternlicht analysierten, das bei jeder Bedeckung dessen Luftschichten
durchdringt. Dabei prägen sich gewöhnlich eindeutige Merkmale der Gase auf das
Licht auf. Die bisherigen Beobachtungen zeigten jedoch nichts. Das JWST hat nun
ein neues Kapitel aufgeschlagen. "GJ 1214b war der weiße Wal der Bestimmung von
Exoplanetenatmosphären. Die gesamte Forschungsgemeinschaft war lange Zeit hinter
ihm her. Es ist wunderbar, dass endlich einige seiner Geheimnisse gelüftet
werden", freut sich Laura Kreidberg. Sie ist Direktorin am MPIA und leitet die
Abteilung "Atmosphärenphysik der Exoplaneten", in der Maria Steinrück forscht.
Kreidberg war eine der ersten, die GJ 1214 b ins Visier nahm um seine
Zusammensetzung zu bestimmen. Diese Ergebnisse stellen einen Durchbruch in der
Planetenforschung dar. Sie steigern die Hoffnung, dass nun ein Werkzeug gefunden
wurde, mit dem die häufigste Klasse von Exoplaneten systematisch untersucht
werden kann.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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