Helga und Zohar sind zurück in Deutschland
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
13. März 2023
Nach ihrer Reise um den Mond mit der NASA-Mission
Artemis I sind die Strahlungsmesspuppen Helga und Zohar zurück in Köln. Am
Donnerstag wurden sie den Medien präsentiert, nun beginnt das Auslesen aller
Messwerte. Ziel ist ein dreidimensionales Abbild der Strahlenbelastung des
weiblichen Körpers während eines Mondfluges.
Die Strahlungsmesspuppen Helga und Zohar sind
an Bord von Artemis I um den Mond geflogen.
Bild: NASA / Lockheed Martin / DLR [Großansicht] |
"Die astronautische Raumfahrt entwickelt sich rasant. Zukünftig werden
voraussichtlich auch kommerzielle Raumstationen in niedrigen Erd-Orbits
entstehen auf denen Menschen forschen und arbeiten. Gleichzeitig wird die
astronautische Exploration des Weltraums zum Mond und darüber hinaus an Fahrt
aufnehmen", sagt die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft-
und Raumfahrt (DLR) Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla. "Die Strahlenbelastung
ist dabei eine der zentralen ungelösten medizinischen Herausforderungen der
astronautischen Raumfahrt. Diese müssen wir genauer verstehen, um wirksame
Maßnahmen zum Schutz von Menschen im Weltraum zu entwickeln. Hier hat das
Projekt MARE (MATROSHKA AstroRad Radiation Experiment) im Rahmen der Mondmission
Artemis I echte Pionierarbeit geleistet, insbesondere mit dem Fokus auf
zukünftige Mond-Astronautinnen."
Mit der Übergabe der beiden Messpuppen am Kennedy Space Center der
NASA im Januar (astronews.com berichtete) erfolgte bereits der erste Check aller
batteriebetriebenen Messinstrumente. "Die aktiven Strahlungsdetektoren haben
durchgehend erstklassige Daten geliefert", freut sich MARE-Projektleiter Dr.
Thomas Berger vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Am DLR-Institut
in Köln beginnt nun die Auswertung der über 12.000 passiven Strahlungsdetektoren
aus kleinen Kristallen, die jeweils über die beiden Messkörper verteilt
platziert sind. Mit dem Auslesen der Kristalle entsteht ein dreidimensionales
Abbild des menschlichen Körpers, das zeigt, wie hoch die Strahlenbelastung auf
Knochen und Organe an unterschiedlichen Stellen während eines Mondflugs
insgesamt ist. "Scheibe für Scheibe nehmen wir Helga und Zohar auseinander, um
die Messkristalle auszubauen", erklärt Berger das Vorgehen. "Die einzelnen
Messkristalle können wir dann mithilfe der passenden Laborgeräte hier am DLR
auslesen."
Die beiden Messkörper sind weiblichen Körpern samt Fortpflanzungsorganen
nachempfunden, sodass die Strahlungsdosis auch für die besonders
strahlungsempfindlichen Organe gemessen werden kann. Die Astronautinnen-Phantome
bestehen aus jeweils 38 Scheiben, sind 95 Zentimeter groß, 36 Kilogramm schwer
und enthalten aus Kunststoff nachgebildete Organe und Knochen unterschiedlicher
Dichte. Zusätzlich wird untersucht wie viel Strahlungsabschirmung die von Zohar
getragene Strahlungsschutzweste ermöglichte. Zohar, bereitgestellt von der
israelische Raumfahrtagentur ISA, wiegt mit der AstroRad-Weste der Firma StemRad
ganze 62 Kilogramm.
"Der Vergleich der Strahlungswerte von Helga ohne Weste und Zohar mit
Schutzweste zeigt uns, welche Abschirmungswirkung die Weste entfalten kann",
erklärt Berger weiter. Die umfangreichen Auswertungen werden nun einige Monate
in Anspruch nehmen. Mit detaillierten Ergebnissen ist bis Anfang kommenden
Jahres zu rechnen. "Schon jetzt sehen wir, dass sich einige unserer Annahmen zur
Strahlungsexposition bei Mondreisen bestätigen", sagt Berger. "Wir benötigen nun
alle verfügbaren Messdaten, um detailliertere Aussagen treffen zu können."
Absehbar ist bereits die Überführung der Forschungsergebnisse in irdische
Anwendungen. Ein "Spin Off" wurde am DLR bereits im Rahmen eines
Vorgängerprojekts durchgeführt. In diesem Projekt war ab 2004 ein Phantom namens
MATROSHKA für eineinhalb Jahre der Weltraumstrahlung außerhalb der
Internationalen Raumstation ISS ausgesetzt, es folgten weitere drei Jahre im
Inneren der Raumstation. Ein Zwilling dieses Weltraumphantoms wurde in
Zusammenarbeit mit der GSI in Darmstadt für Grundlagenforschung im Rahmen der
Krebstherapie verwendet. Im Weiteren wurden gemeinsam mit der israelischen Firma
StemRad, die in Kooperation mit Lockheed Martin die AstroRad-Weste entwickelt
hat, Forschungen bezüglich der Anwendung und Sicherheit von "X-Ray Protection
Equipment" für Radiologen und Mitarbeitende im Krankenhaus durchgeführt. Dies
zielt insbesondere in Richtung verbesserter Schutzkleidung für den Operateur im
routinediagnostischen Einsatz und bei längerdauernden komplizierten Eingriffen.
Artemis I ist die erste in einer Reihe von Missionen des
Artemis-Programms der NASA. Es sieht vor, nach mehr als 50 Jahren wieder
Menschen auf unserem Trabanten zu landen, dort gemeinsam mit internationalen
Partnern eine dauerhafte Basis zu errichten und eine Raumstation in der
Mondumlaufbahn zu bauen, von der aus Menschen zu weiter entfernten Zielen,
einschließlich des Mars, aufbrechen sollen. Artemis I war der erste
Schritt auf diesem Weg.
Bei dieser noch unbemannten Mission wurden alle neu entwickelten Systeme im
Zusammenspiel getestet – das Orion-Raumschiff, das Europäische Servicemodul
(ESM), die Schwerlastrakete SLS (Space Launch System) und die Bodensysteme. Die
Sicherheit der Astronautinnen und Astronauten steht dabei an oberster Stelle.
Dazu gehört insbesondere der Schutz vor der kosmischen Strahlung, die im
Weltraum um ein Vielfaches höher ist als auf der Erde – auf dem Mond zum
Beispiel rund 800 Mal. Um künftig geeignete Schutzmaßnahmen bei
Langzeitmissionen ergreifen zu können, muss man die Strahlenbelastung genau
kennen. Das wurde bei Artemis I mit dem Experiment MARE erforscht.
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