Äußerst empfindlicher Detektor für Radioaktivität
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
27. Februar 2023
In einem Untertagelabor in Dresden befindet sich seit kurzem
der empfindlichste Aufbau zur Messung von Radioaktivität in Deutschland und
einer der empfindlichsten Aufbauten dieser Art auf der Welt. Mit dem neuen Detektor wird es
möglich, an den spannendsten Fragen der Astrophysik zu Dunkler Materie, Sternen
oder dem Urknall auf internationalem Spitzenniveau zu arbeiten.
Zur Beantwortung offener Fragen in der
Kosmologie und Teilchenphysik werden präzise Messungen
benötigt. Unser Bild zeigt das Hubble eXtreme Deep Field, einen tiefen
Blick ins All im Bereich des Sternbilds
Chemischer Ofen.
Bild: NASA, ESA, G. Illingworth, D. Magee und
P. Oesch (University of California, Santa Cruz),
R. Bouwens (Leiden University) und das
HUDF09-Team [Großansicht] |
Was ist Dunkle Materie? Was hat es mit Neutrinos auf sich? Wie funktionieren
Sterne und was war eigentlich in den ersten Minuten nach dem Urknall im
Universum los? Zur Beantwortung dieser Fragen benötigt man sehr empfindliche
Detektoren und sehr viel Geschick. Nur in wenigen Laboren auf der Welt konnte
man bisher solch sensitive Messungen durchführen. Seit kurzem gibt es jedoch
auch in Deutschland einen derart empfindlichen Detektor, der den Forschenden
zukünftig Antworten auf diese Fragen ermöglichen kann. Nach langer
Entwicklungsarbeit haben die Forschenden vom Institut für Kern- und
Teilchenphysik der TU Dresden und vom Institut für Strahlenphysik des
Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) den Aufbau im Untertagelabor
"Felsenkeller" Dresden nun in Betrieb genommen.
Sie können damit fortan Proben von Stoffen und Materialien mit einer
Radioaktivität im Bereich von 100 Mikrobequerel analysieren, in anderen Worten,
Proben mit 100 Millionen mal weniger Radioaktivität, als im menschlichen Körper
vorhanden ist. Damit gehört der Messaufbau im Felsenkellerlabor zu der
Weltspitze der sensitivsten Messgeräte für Radioaktivität. "Wenn man seltene
Prozesse und geringe Aktivitäten in der Physik untersuchen möchte, dann braucht
man prinzipiell zwei Dinge: einerseits viel Geduld – denn die Prozesse finden ja
nur selten statt – und andererseits eine Umgebung, die möglichst strahlungsarm
ist, damit der Detektor nicht permanent von natürlichen Strahlungsquellen, wie
sie z. B. in jedem Baumaterial vorhanden sind, gestört wird", erklärt Steffen
Turkat, Mitarbeiter der TU Dresden im Felsenkeller-Labor.
So schützt die 45 Meter dicke Felsschicht im Stollen des ehemaligen Eislagers
der Dresdner Felsenkeller-Brauerei den Detektor zwar vor einem Großteil der
kosmischen Strahlung, jedoch nicht vor der natürlichen Radioaktivität aus der
Umgebung. Daher mussten die Forschenden den Detektor zusätzlich mit einer
ausgetüftelten Anordnung aus strahlungsarmen Betonwänden, großen Mengen an Blei
und Kupfer sowie sogenannten Veto-Detektoren schützen. Nur so kann dieser
hochempfindliche Aufbau funktionieren und Kernumwandlungen aus den wertvollen
Proben auswerten.
"Ich freue mich besonders über die Vielzahl an ungeplanten Anfragen von
interessierten Kolleginnen und Kollegen weltweit, die den Detektor nun gerne
nutzen würden. Bei diesen Anfragen geht es dann schnell mal um extrem wertvolle
und seltene Proben, die wissenschaftlich äußerst spannend sind, die aber mit
anderen Detektoren nicht analysiert werden können. So ein Detektor erzeugt somit
automatisch neue Kollaborationen und Vernetzungen zu anderen faszinierenden
Fachgebieten", erläutert Turkat.
Prof. Kai Zuber von der TU Dresden ist der wissenschaftliche Leiter des
Felsenkellerlabors und freut sich insbesondere darauf, seine eigenen
anspruchsvollen Forschungsinteressen in der Physik jenseits des Standardmodells
quasi vor der Haustür verfolgen zu können: "Ich interessiere mich vor allem für
den doppelten Betazerfall und die Suche nach Prozessen, die die geladene
Leptonenzahl verletzen würden. Aber auch für die Verbesserung der
Halbwertszeiten von Radionukliden ist der Felsenkeller nun exzellent geeignet."
Auch Prof. Daniel Bemmerer, Technischer Leiter des Felsenkellerlabors und
Gruppenleiter für Nukleare Astrophysik am HZDR, ist begeistert von den neuen
Möglichkeiten, die der Detektor bietet: "Wir können nun Aktivierungsmessungen
für Kernfusions-Experimente bei Energien durchführen, die den eigentlichen
Energien und Temperaturen in unserer Sonne wesentlich näherkommen, als es bisher
möglich war. Dadurch wird auch eine neue Nutzungsmöglichkeit für den
Felsenkeller-Beschleuniger geschaffen."
Neben dem neuen Detektor ist in Deutschlands tiefstem Untertage-Physiklabor
bereits seit 2019 ein Ionenbeschleuniger zur Untersuchung der wichtigsten
Prozesse im Inneren der Sterne in Betrieb. Der Detektor wurde aus Mitteln des
Großgeräteprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft beschafft.
Über die neue Einrichtung im Dresdener Felsenkeller berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astroparticle Physics erschienen ist.
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