Die Schneegrenze in den Alpen und die Wasserknappheit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
27. Dezember 2022
Die Schneegrenze in den Alpen verschiebt sich immer weiter
nach oben. Das ergab jetzt eine Auswertung von 15.000 Satellitenaufnahmen der
US-amerikanischen Erdbeobachtungssatelliten Landsat. Weniger Schnee
bedeutet weniger Wasser für die wichtigsten Flüsse und kann zu Wasserknappheit
führen. Von Satellitendaten erhofft man sich daher auch bessere Vorhersagen zur
Wasserversorgung.
Veränderung der Schneegrenzen im Aosta-Tal:
Die Abbildung verdeutlicht, wie sich die
Schneegrenze verändert hat. Die blauen Flächen
zeigen die Schneebedeckung im März 2022. Die
gelben Flächen markieren die durchschnittliche
Schneebedeckung im März für die Jahre 1985 bis
2021.
Bild:
DLR (CC BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
Die Schneegrenze in den italienischen Alpen lag im vergangenen Frühjahr
durchschnittlich 400 Meter, in manchen Regionen sogar fast einen Kilometer höher
als üblich. Das haben Forschende im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) ermittelt. Sie werteten dazu rund 15.000 Satelliten-Aufnahmen der Alpen
aus 37 Jahren aus. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch
untersucht, welchen Einfluss die Schneebedeckung der Alpen auf den Wassermangel
in Norditalien hatte. Norditalien erlebte in diesem Jahr eine der schwersten
Dürren der letzten 70 Jahre.
Die Forschenden aus dem Earth Observation Center (EOC) im DLR
analysierten die Lage der Schneegrenze in neun Regionen in den italienischen
Alpen, darunter das Aosta-Tal und Südtirol. Hier entspringen wichtige Zuflüsse
zu Italiens größtem Strom, dem Po. Insbesondere im Frühjahr speisen sich Flüsse
wie die Dora Baltea oder die Etsch zu einem großen Teil aus Schmelzwasser.
Bleibt der Schnee aus, droht der bevölkerungsreichsten Region Italiens
Wassermangel.
"Die Schneegrenze beschreibt, ab welcher Höhe es in den Bergen eine
geschlossene Schneedecke gibt. Je höher diese Grenze liegt, desto weniger Schnee
– und damit potenzielles Schmelzwasser – ist verfügbar. So lag etwa im Tessin,
der Grenzregion zwischen Italien und der Schweiz, die Schneegrenze im März
dieses Jahres 625 Meter über dem langjährigen Mittelwert. Dadurch war in der
Region 56 Prozent weniger Schneebedeckung als üblich zu verzeichnen", sagt Jonas
Köhler, der die Studie im EOC durchgeführt hat.
Das Forschungsteam hat die Ergebnisse aus Aufnahmen des
Erdbeobachtungssatelliten Landsat abgeleitet. Der Datensatz enthält
monatliche Beobachtungen der Schneegrenze für den gesamten Alpenraum seit 1985.
Landsat zeichnet sich durch eine räumliche Auflösung von 30 Metern aus.
So kann Schnee auch im komplexen Gelände von Hochgebirgsregionen kartiert
werden. Weil das Landsat-Archiv weit in die Vergangenheit reicht, lassen sich
Zeitreihen erstellen. "Hintergrund der Dürre in Norditalien war ein
Zusammenspiel aus hohen Temperaturen und wenig Niederschlag im Winter und
Frühling 2022, auf das mehrere Hitzewellen folgten. Satellitenaufnahmen zeigen
die Auswirkungen dieser Wetterlage auf die Schneebedeckung deutlich", erklärt
Köhler.
Italienische Behörden schränkten die Wassernutzung in Regionen wie der
Lombardei und dem Piemont ein – mit Auswirkungen auf die bewässerte
Landwirtschaft in der Po-Ebene. Auch in Deutschland waren die Folgen eines
niederschlagsarmen Winters zu spüren: So war der Rhein aufgrund von niedrigen
Pegelständen zum Teil nicht mehr schiffbar. "Die Satellitendaten zeigen, dass
sich die Schneegrenze in großen Teilen der Alpen um mehrere Meter pro Jahr nach
oben verschiebt. Die kontinuierliche Beobachtung der Schneegrenze kann in der
Zukunft dabei helfen, mögliche Dürren frühzeitig zu erkennen", ergänzt Köhler.
Das Earth Observation Center im DLR steht dazu im Austausch mit dem
Forschungszentrum Eurac in Italien und der Zentralanstalt für Meteorologie und
Geodynamik in Österreich. Diese stellen im Rahmen des Projektes Alpine
Drought Observatory weitere Daten zum Dürre-Monitoring in den Alpen zur
Verfügung.
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