Bremssegel sollen für schnelleren Wiedereintritt sorgen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. Dezember 2022
Die Hinterlassenschaften der Raumfahrt gefährden inzwischen
auch aktuelle Missionen. Zu diesem Weltraummüll zählen auch ausgediente
Satelliten, die oft viele Jahre lang unkontrolliert um die Erde kreisen. Abhilfe
könnten spezielle Segel schaffen, die die altersschwachen Satelliten anbremsen
und so schneller zum Absturz bringen.
Das entfaltete Segel soll den Satelliten
abbremsen, der dadurch schneller wieder in die
dichtere Erdatmosphäre eintritt, wo er dann
verglüht.
Bild: HPS [Großansicht] |
Ausgediente Satelliten auf niedrigen Umlaufbahnen befinden sich oft
Jahrzehnte im Orbit bis sie schließlich beim Wiedereintritt verglühen.
Bremssegel bieten die Möglichkeit die Entsorgung solch ausgedienter Satelliten
wesentlich zu beschleunigen. Ein erster Test ist nun mit einem Satelliten des
italienischen Dienstleisters D-Orbit gelungen: Mithilfe des vom Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) mitentwickelten autonomen Bremssegels ADEO des
Raumfahrtunternehmens HPS, bremste der Satellit in kürzester Zeit durch die
dünne Restatmosphäre der Erde, um dann in die dichtere Erdatmosphäre
einzutreten. Dort wird er in den nächsten Monaten rückstandslos verglühen.
Raumfahrzeuge sind auf niedrigen Umlaufbahnen der Reibung durch die
Restatmosphäre ausgesetzt. Ohne Bahnkorrekturen erfolgt eine langsame Abbremsung
auf immer tiefere Bahnen, bis es zum Wiedereintritt kommt. Bremssegel nutzen
diesen Effekt, um mit einer größeren Oberfläche eine größere Bremswirkung und
damit ein deutlich schnelles Absinken zu erzeugen. Für die niedrigen
Umlaufbahnen bis etwa in 800 Kilometer Höhe können mitgeführte Bremssegel
zukünftig eine unkontrollierte Verschmutzung des Weltraums durch neue Schrott-
und Kollisionstrümmer verhindern. Darüber hinaus tragen solche Segel dazu bei,
die Betriebszeit eines Satelliten zu verlängern. Denn für die Entfaltung und den
folgenden passiven Abstieg wird kein Antrieb benötigt.
Seit vielen Jahren entwickelt das DLR zusammen mit der Münchener Firma HPS
Widerstandssegel im Rahmen verschiedener ESA-Projekte. Zuletzt wurde das
ADEO-Segel beim DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen getestet und für den
Weltraumeinsatz qualifiziert. Das getestete Modell hat ein Gewicht von 800
Gramm, ein Packmaß von 10 Kubikzentimetern und eine entfaltete Segelfläche von
3,6 Quadratmetern. Die Qualifikation umfasste Vibrations-, Schock und
Thermal-Vakuum-Tests. Das Segel wurde dabei mehrmals in einer
Thermal-Vakuum-Kammer entfaltet, um nachzuweisen, dass dies auch unter
Weltraumbedingungen funktioniert und es die hohen Lasten beim Start übersteht.
Nun bestätigten sich die Tests mit der erfolgreichen Entfaltung des
ADEO-Bremssegels im Weltall auf der Mission WILD RIDE. Nach diesem ersten Erfolg
arbeiten bereits mehrere DLR-Institute gemeinsam mit HPS an weiteren
Verbesserungen des Systems. Ein Fokus liegt hierbei auf der Entwicklung und
Qualifikation von wenig reflektierendem robustem Segelmaterial. Hierzu führt das
DLR beispielsweise spezielle Bestrahlungstests durch. Weiterhin wird das 25
Quadratmeter große Nachfolgemodell ADEO-L derzeit mit im DLR entwickelten
ausrollbaren Masten aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK)
zusammengebaut. Weitere Tests in Bremen folgen. Mitte 2023 soll dann auch ADEO-L
seine erste Mission in den Weltraum gehen.
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