Frühe Phase prägt weitere Entwicklung von Sternen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
20. September 2022
Bevor ein Stern zu einer richtigen Sonne wird, macht er eine
turbulente Entwicklung durch, die schwer zu modellieren ist. Dieser frühen Phase
wurde in klassischen Modellen zur Sternentwicklung wenig Bedeutung
zugemessen. Eine neue Studie zeigt aber nun, dass die weitere Entwicklung eines
Sterns durchaus von dieser frühen Phase geprägt ist.
Künstlerische Darstellung eines Protosterns.
Bild: NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Vom Baby bis zum Teenager: Sterne in ihren "jungen Jahren" stellen die
Wissenschaft vor große Herausforderungen. Der Prozess der Sternentstehung ist
besonders komplex und schwer in theoretischen Modellen abzubilden. Eine der
wenigen Möglichkeiten, um mehr über die Entstehung, die Struktur oder das Alter
von Sternen zu erfahren, ist das Beobachten ihrer Schwingungen. "Vergleichbar
mit der Erforschung des Erdinneren mithilfe der Seismologie können wir aus den
Schwingungen von Sternen ebenso Aussagen über ihren inneren Aufbau und damit
auch über ihr Alter treffen", sagt Konstanze Zwintz, die die Forschungsgruppe
"Sternentwicklung und Asteroseismologie" am Institut für Astro- und
Teilchenphysik der Universität Innsbruck leitet.
Die Lehre von Sternschwingungen hat sich in den letzten Jahren stark
weiterentwickelt, nicht zuletzt da sich die Möglichkeiten der präzisen
Beobachtung durch Teleskope im Weltraum wie TESS, Kepler und James
Webb auf vielen Ebenen verbessert haben. Diese Fortschritte werfen nun auch
neues Licht auf jahrzehntelang gängige Theorien zur Entwicklung von Sternen:
Sterne werden als "Kinder" bezeichnet, solange sie in ihrem Kern noch nicht
Wasserstoff zu Helium verbrennen. In diesem Stadium befinden sie sich auf der
sogenannten Vorhauptreihe, nach dem Zünden werden sie "erwachsen" und wechseln
auf die Hauptreihe.
"Die Forschung zu Sternen hat sich bislang vor allem auf die Phase des
erwachsenen Sterns – wie es beispielsweise unsere Sonne ist – fokussiert", sagt
Thomas Steindl, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Zwintz und Hauptautor der
jetzt vorgestellten Studie. "Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sehr
intuitiv klingt, aber bislang wurde die Entwicklung der Vorhauptreihe kaum
beachtet, da die Phase sehr turbulent und schwer zu modellieren ist. Erst die
technologischen Fortschritte der letzten Jahre erlauben uns einen genaueren
Blick in die Kindheit der Sterne – und damit auch auf jenen Moment, an dem der
Stern beginnt Wasserstoff zu Helium zu fusionieren."
In ihrer Studie legen die Innsbrucker Forscherin und ihr Doktorand nun ein
Modell vor, mit dem die Phase vor dem Erwachsenwerden der Sterne realistisch
abgebildet werden kann. Zugrunde liegt dabei das
Open-Source-Sternentwicklungsprogramm MESA (Modules for Experiments in Stellar
Astrophysics). Inspiriert durch einen Vortrag des Astronomen Eduard Vorobyov von
der Universität Wien bei einer Tagung im Jahr 2019, verfeinerte Thomas Steindl
in monatelanger Arbeit die Methode, wie mithilfe dieses Sternentwicklungscodes
die chaotische Phase der frühen Sternentstehung nachgebildet werden kann, um
anschließend deren spezifische Schwingungen vorherzusagen.
"Unsere Daten zeigen, dass Sterne auf der Vorhauptreihe in ihrer Entwicklung
einen sehr chaotischen Verlauf nehmen, den wir nun aber trotz seiner Komplexität
auch in unserem neuen theoretischen Modell heranziehen können", so Steindl.
Dadurch zeigt der Astronom, dass die Art und Weise der Entstehung des Sterns
Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten auch nach dem Zünden auf der
Hauptreihe hat: "Die Kindheit hat einen Einfluss auf das spätere Pulsieren des
Sterns: Das klingt sehr simpel, es wurde aber tatsächlich bezweifelt. In den
klassischen Theorien ging man davon aus, dass die Zeit vor dem Zünden schlicht
irrelevant ist. Das stimmt so nicht: Vergleichbar mit einem Musikinstrument
führen schon feinste Unterschiede im Zusammenbau zu signifikanten Änderungen im
Ton. So beschreiben unsere modernen Modelle die Schwingungen in realen Sternen
besser."
Zwintz freut sich über diese Entdeckung und blickt sehr optimistisch in die
Zukunft: "Ich war bereits vor etwa 20 Jahren, als ich erstmals die Schwingung
eines Sternes vor mir auf dem Bildschirm gesehen habe, überzeugt davon, die
Bedeutsamkeit der frühen Sternentwicklung auf den 'erwachsenen' Stern eines
Tages belegen zu können. Dank der großartigen Arbeit von Thomas Steindl ist uns
das nun gelungen: Definitiv ein Heureka-Moment für unsere Arbeitsgruppe und ein
weiterer Grundstein für ein besseres Verständnis der Wachstumsschritte von
Sternen."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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