Teilchendetektoren der Zukunft gesucht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
30. Mai 2022
In sogenannten Graduiertenkollegs sollen Doktorandinnen und
Doktoranden gezielt in einem bestimmten Forschungsbereich gefördert und so
optimal auf ihren künftigen Berufswege in der Wissenschaft vorbereitet werden. In
Mainz entsteht nun ein Kolleg mit dem Schwerpunkt auf Teilchendetektoren. Diese
dürften für die künftige physikalische Forschung von großer Bedeutung sein.
Ein vergleichsweise kleines Experiment: BASE
am CERN in Genf.
Foto: Stefan Ulmer (CC-BY-4.0) [Großansicht] |
An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz geht ab Herbst 2022 eine neues
Graduiertenkolleg an den Start. Das hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft
kürzlich bekannt gegeben. Unter dem Titel "Teilchendetektoren für zukünftige
Experimente – Vom Konzept bis zum Betrieb" haben Nachwuchswissenschaftlerinnen
und Nachwuchswissenschaftler künftig die Gelegenheit im Rahmen ihrer
Doktorarbeit teilchenphysikalische Grundlagenforschung und den Bau und die
Konzeption hierfür nötiger Detektoren miteinander zu verbinden.
Dabei werden sie von einem breit angelegten ergänzenden Ausbildungsprogramm
vor Ort in Mainz aber auch an Partner-Instituten weltweit profitieren. Die
Fördersumme für die nächsten fünf Jahre beträgt über vier Millionen Euro, mehr
als 20 Doktorandinnen und Doktoranden können im Rahmen des neuen Kolleges
promovieren. Sprecher ist Prof. Dr. Matthias Schott, Professor für
Experimentelle Teilchenphysik am Mainzer Exzellencluster PRISMA⁺.
An vielen physikalischen Großexperimenten arbeiten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler daran, teilchenphysikalische Prozesse immer genauer zu
vermessen. Ihr Ziel ist es, neue Physik zu entdecken, die über das aktuell
gültige Standardmodell der Teilchenphysik hinaus geht. Dieses ist zwar extrem
erfolgreich, kann aber grundlegende Fragen der modernen Physik nicht
beantworten: Was ist Dunkle Materie? Und was Dunkle Energie? Wie können wir die
Asymmetrie von Materie und Antimaterie erklären? Woher kommen die Massen der
Neutrinos? Um diese Fragen zu beantworten, ist es notwendig, neuartige
Detektoren zu entwickeln.
"Künftige experimentelle Teilchenphysiker benötigen eine breite Ausbildung,
um diese Forschungsaufgabe zu meistern", beschreibt Schott die Motivation zur
Etablierung eines neuen Graduiertenkollegs. "Aktuell werden weltweit viele
verschiedene experimentelle Ansätze bei der Suche nach neuer Physik verfolgt –
bei künftigen Neutrinoexperimenten ebenso wie bei der beschleunigerbasierten
Physik. Wer in diesem Forschungsbereich arbeiten will, muss sich sowohl mit
Detektortechnologien als auch mit der Planung und Durchführung von Experimenten
sehr gut auskennen."
Das neue Graduiertenkolleg soll hierzu einen idealen Rahmen bieten, indem es
einerseits grundlegenden Fragen der Hochenergie-, Astroteilchen- sowie der
Hadronen- und Kernphysik nachgeht – und andererseits einen Fokus auf die
Entwicklung von innovativen Detektortechnologien mit Anwendungsmöglichkeiten an
mehreren Experimenten legt. Damit bewegt sich das neue Kolleg im Grenzgebiet
zwischen ingenieurwissenschaftlich-technischen und physikalischen Fragen.
Konzeptioneller Grundgedanke ist, dass das Spezialwissen der eigenen
Doktorarbeit durch ein breites Ausbildungsprogramm komplementiert wird. Dieses
wiederum beruht auf vier Säulen: Projektarbeit, Workshops, Sommerschulen und
Internationalisierung. "Der Standort Mainz ist als Ausbildungszentrum für
Detektorentwicklung prädestiniert", ist Schott überzeugt. "Denn es gibt hier
eine langjährige Expertise, die zum Beispiel im Rahmen des Detektorlabors an
unserem Exzellencluster PRISMA⁺ gebündelt wurde." Insbesondere in den Bereichen
photonbasierte Detektoren, ultraschnelle Datenverarbeitung und Rekonstruktion
sowie bei Hochleistungsdetektoren für Spezialanwendungen sei sehr viel Know-How
vorhanden.
Auch die einzigartige Großgeräte-Infrastruktur soll in die Ausbildung
integriert werden – zum Beispiel in Form von Projektarbeiten am Mainzer
Beschleuniger MAMI oder am Forschungsreaktor TRIGA. In puncto
Internationalisierung ist ein 6-monatiger Forschungsaufenthalt an
Partner-Instituten weltweit vorgesehen. "Am Ende wollen wir mit unserem neuen
Graduiertenkolleg vor allem dazu beitragen, eine neue Generation von
Detektorphysikerinnen und – physikern auszubilden", fasst Schott zusammen.
In ihrem aktuellen Auswahlverfahren hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft
bundesweit 13 neue Graduiertenkollegs bewilligt. Die neuen Kollegs werden ab
Herbst 2022 erstmals für eine Dauer von zunächst fünf Jahren gefördert. Für sie
besteht zudem erstmalig die Option, Promovierende mehr als 36 Monate bis zu
maximal 48 Monate über das Programm Graduiertenkollegs zu finanzieren.
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