Studie fordert Umweltschutz auch im Weltraum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Astronomischen Gesellschaft astronews.com
25. April 2022
Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Weltraum
zum Schutz seiner empfindlichen Umwelt dringend einen ähnlichen rechtlichen
Schutz wie die Erde, das Meer und die Atmosphäre benötigt. Grund ist die Zunahme
von Weltraummüll im erdnahen Orbit durch die Inbetriebnahme von sogenannten
Mega-Satellitenkonstellationen.
Spuren von Starlink-Satelliten kurz nach dem
Start am Nachthimmel über dem US-Bundesstaat New
Mexiko.
Foto: M. Lewinsky / Creative Commons
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Die Installation riesiger Satellitenkonstellationen aus mehreren tausend
Satelliten zur Versorgung der Erde mit schnellem Internet beunruhigt die
Astronomie weltweit: Der Start dieser großen Anzahl von Satelliten würde zu
einer Überlastung des Weltraums führen, so das Ergebnis einer jetzt
vorgestellten Studie. Zudem würden die Raketenstarts die Atmosphäre verschmutzen
und Bruchstücke von zerbrochenen Satelliten, die mit enormer Geschwindigkeit
durch den Weltraum fliegen, andere Satelliten in ihrer Umlaufbahn gefährden.
Ebenso stören die Satelliten, die Lichtstreifen am Himmel und damit eine
signifikante Lichtverschmutzung verursachen, in zunehmendem Maße die Forschung
im optischen Wellenlängenbereich. Das Vera-C.-Rubin-Observatorium in Chile, das
über einen Zeitraum von zehn Jahren den Himmel vermessen soll, ist
beispielsweise schon stark beeinträchtigt. In der Studie wird gezeigt, dass der
Weltraum ein wichtiges Umfeld für die professionelle Astronomie,
Amateurastronomie und indigene Völker darstellt und dass der wissenschaftliche,
wirtschaftliche und kulturelle Nutzen des Weltraums sorgfältig gegen diese
schädlichen Umweltauswirkungen abgewogen werden sollten.
Die unter Leitung der Universität Edinburgh entstandene Forschungsarbeit steht
im Zusammenhang mit einem Rechtsfall, der derzeit vor dem US-Berufungsgericht
verhandelt wird und einen wichtigen Präzedenzfall in der wachsenden Kampagne für
die Ausdehnung des Umweltschutzes auf den Weltraum darstellen dürfte. Die Lösung
des Problems erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der den Weltraum als Teil
der Umwelt und als schützenswertes Gut auf nationaler und internationaler Ebene
betrachtet, so die Experten. Die Forscherinnen und Forscher fordern die
politischen Entscheidungsträger auf, die Umweltauswirkungen aller Aspekte von
Satellitenkonstellationen - einschließlich ihres Starts, ihres Betriebs und
ihres Wiedereintritts aus dem Orbit - zu berücksichtigen und zusammen an einem
gemeinsamen, ethischen und nachhaltigen Ansatz für den Weltraum zu arbeiten.
"Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte. Wir können eine große Anzahl
von Satelliten kostengünstig starten und sie zum Nutzen des Lebens auf der Erde
einsetzen - aber das hat seinen Preis", so Andy Lawrence, Professor für
Astronomie am Institut für Astronomie der Universität Edinburgh und Hauptautor
der Studie. "Die Raumfahrtindustrie schadet nicht nur der Sternbeobachtung,
sondern könnte sich so auch selbst ins Bein schießen."
Lawrence hatte die Öffentlichkeit mit seinem Buch "Losing The Sky" auf
diese Probleme aufmerksam gemacht. Die Veröffentlichung führte dazu, dass er
eine Expertenaussage für einen Rechtsfall verfasste, der derzeit vor dem
US-Berufungsgericht verhandelt wird und in dem argumentiert wird, dass die
US-Umweltvorschriften auch für die Genehmigung von Weltraumstarts gelten
sollten. Professor Michael Kramer, Präsident der Astronomischen Gesellschaft,
weist darauf hin, dass die Vielzahl von Satelliten nicht nur optische sondern
auch radioastronomische Beobachtungen stören. "Wir brauchen Regeln, die
sicherstellen, dass unsere Kinder und Enkel immer noch in der Lage sein werden,
das Wunder Sternenhimmel zu bestaunen", unterstreicht Kramer. "Schon jetzt ist
es in Deutschland schwierig, diese Erfahrung zu machen. Mit den
Mega-Konstellationen besteht die Gefahr, dass es überall auf der Welt unmöglich
sein wird."
"Wir glauben, dass alle Dinge miteinander verbunden sind und dass wir
Verantwortung übernehmen müssen, als ob unser Leben davon abhinge", betont auch
Professor Moriba Jah, Mitautor der Studie und außerordentlicher Professor für
Luft- und Raumfahrttechnik und technische Mechanik an der University of
Texas in Austin. "Traditionelles ökologisches Wissen ist der Schlüssel zur
Lösung dieses schwierigen Problems. Die größte Herausforderung besteht darin,
Empathie und Mitgefühl für die Lösung dieser Umweltkrisen zu wecken. Wenn es uns
gelingt, innovative Wege zu finden, die es der breiten Öffentlichkeit
ermöglichen, sich in diese katastrophale Situation hineinzuversetzen und dagegen
angehen zu müssen, dann wird die Erde und alles Leben, das sie erhält, dadurch
gewinnen."
"Das Rubin-Observatorium wird aufgrund seines großen Spiegels und seines
weiten Sichtfeldes eine der am stärksten von einer großen Anzahl heller
Satelliten betroffenen astronomischen Einrichtungen sein – das sind dieselben
Eigenschaften, die es zu einem so bemerkenswerten Motor für Entdeckungen
machen", verdeutlicht Dr. Meredith Rawls, von der Universität von Washington das
Problem für die professionelle Astronomie. "Ich mache mir viele Gedanken
darüber, wie sich Satellitenstreifen auf die Wissenschaft auswirken, aber das
Anliegen eines dunklen und ruhigen Himmels ist sehr viel umfangreicher."
"Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um die sich rasch verändernde
Satellitensituation zu bewältigen, wenn wir hoffen wollen, eine Zukunft mit
einem dunklen und ruhigen Himmel für alle zu schaffen", so Rawls, die auch eine
Hauptakteurin des neuen Zentrums der Internationalen Astronomischen Union (IAU)
für den Schutz des dunklen und ruhigen Himmels vor Störungen durch
Satellitenkonstellationen ist, das die Interessengruppen für
Himmelsbeobachtungen zusammenbringen soll, um gemeinsam die Auswirkungen von
Satelliten zu quantifizieren und zu deren Abschwächung beizutragen.
Die Studie des Teams ist in der Zeitschrift Nature Astronomy
erschienen.
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