Mit Satelliten Kollisionen mit Weltraumschrott verhindern
Redaktion
/ Pressemitteilung der TU München astronews.com
8. März 2022
Mehr als 8500 Tonnen Weltraumschrott befinden sich in der
Umlaufbahn um die Erde. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit können auch kleine
Teilchen bei einer Kollision großen Schaden an den Satelliten anrichten. Das
Start-up Vyoma, das mit Unterstützung der Technischen Universität München (TUM)
gegründet wurde, will ein Warnsystem aufbauen, das Kollisionen verhindern soll.
Weltraumschrott wird zu einem immer größeren
Problem in der Raumfahrt.
Bild: ESA [Großansicht] |
Seit Beginn des Weltraumzeitalters 1957 wurden laut der europäischen
Weltraumorganisation ESA bereits 6100 Raketen ins All geschossen, diese brachten
unter anderem 12.020 Satelliten in die Erdumlaufbahn. Mit der Zeit hat sich
dadurch auch eine ungeheure Menge an Schrott im All angesammelt. "Das sind
einmal die alten Satelliten selbst, die nicht mehr funktionsfähig sind", erklärt
Christoph Bamann, der an der Technischen Universität München (TUM) Luft- und
Raumfahrt studierte. "Oder Teile von Raketen, die so groß sein können wie ein
Bus."
Aber auch kleinere Gegenstände fliegen durchs All. So werden etwa sogenannte
Jojo-Gewichte, die sich an Raketen befinden, gezielt weggesprengt, um die
Drehung der Rakete zu verlangsamen. Kleinere Schrottteile entstehen aber auch
durch Kollisionen oder Explosionen. Die Schrott-Teile gefährden vor allem die
funktionsfähigen Satelliten. Denn die Teilchen erreichen
Relativgeschwindigkeiten von 10 Kilometern pro Sekunde. "Das bedeutet, auch wenn
die Teilchen noch so klein sind, können sie bei einer Kollision eine Wucht haben
wie ein Auto mit einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern", so Bamann.
Gemeinsam mit Luisa Buinhas und Stefan Frey hat Bamann im August 2020 das
Start-up Vyoma gegründet. Ihr Ziel: ein europäisches Warnsystem zu etablieren,
um den Betreibern zu helfen, ihre Satelliten aus der Gefahrenzone zu navigieren.
"Wir beobachten den Satellitenschrott und berechnen dann voraus, wohin dieser
fliegen wird", erklärt Frey. Dazu will das Team eigene Satelliten nutzen, die
mit optischen Kameras Bilder der Schrottteile aufnehmen. "Wir haben dann eine
Sequenz von Bildern, die wir mit Informationen von früheren Aufnahmen
kombinieren, und so können wir dann die Umlaufbahn der Schrottteile bestimmen."
Ist die Umlaufbahn bekannt, kann auch die Geschwindigkeit der Teile bestimmt
werden. "Da die Kräfte im erdnahen Weltraum bekannt sind, können wir auch
abschätzen, wohin sie fliegen", so Frey.
Zehn Satelliten in einer bestimmten Konfiguration ermöglichen eine permanente
Beobachtung der Objekte im Weltraum. "Wir sehen so 90 Prozent aller gefährlicher
Objekte mindestens ein bis zweimal pro Tag", sagt Frey. Diese spezielle
Ausrichtung der Satelliten sowie die Software, um aus den Bildern die Flugbahn
der Objekte zu errechnen, haben die Gründerin und Gründer selbst entwickelt.
Neu ist die Idee zur Entwicklung eines kommerziellen Warnsystems vor
Weltraumschrott natürlich nicht, erklärt Frey. Doch bisher war es für kleinere
Unternehmen nicht finanzierbar. "Die Satelliten werden immer kleiner und die
Kosten, einen Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen sind gesunken", so Frey.
"Deswegen ist es jetzt einfach erschwinglich geworden." Zeitgleich mit den
Möglichkeiten wächst auch das Problem: Bereits jetzt müssen die
Satellitenbetreiber pro Jahr und Satelliten mindestens ein Ausweichmanöver
ausführen.
Auch jetzt werden Satellitenbetreiber bereits vor Kollisionen gewarnt. Ein
Netzwerk von erdbasierten Radaranlagen und Teleskopen, die von den USA betrieben
werden, katalogisieren Objekte mit einem Durchmesser von über zehn Zentimetern.
Mit dem Unternehmen Vyoma möchten die Forscherinnen und Forscher ein
weltallbasiertes Netzwerk aufbauen, das noch genauer ist und auch kleinere
Teilchen erkennen kann. "Europa hat außerdem ein großes Interesse daran, in
diesem Bereich eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen", sagt Frey.
Aktuell arbeiten die Gründer an einer Plattform, die ein Netzwerk von
erdbasierten Sensorstationen in Europa nutzt, um Daten zu erheben. Damit wollen
sie Satellitenbetreibern verschiedene Dienstleistungen anbieten: Einmal können
bestimmte Objekte, die dem Satelliten gefährlich werden können, genauer
beobachtet werden. Aber auch der Satellit selbst kann, wenn etwa die
Kommunikation gestört ist, lokalisiert werden. In etwa zwei Jahren will das
Unternehmen seine eigenen Satelliten starten.
Das Start-up wurde durch die Gründungsberatung der TUM unterstützt. Das Team
erhielt außerdem die EXIST-Gründerförderung finanziert durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie den Europäischen Sozialfond
und nutzte vor der offiziellen Gründung des Starts-ups die Büros im TUM
Incubator. Mentor Prof. Urs Hugentobler von der Professur für Satellitengeodäsie
stand den Gründern außerdem mit seinem Expertenwissen zur Seite.
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