Protonen sind kleiner als lange angenommen
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
8. Februar 2022
Sind Protonen tatsächlich kleiner als noch vor einigen
Jahren angenommen? Neue Experimente deuteten darauf hin und ließen manche sogar
über eine notwendige Änderung des Standardmodells spekulieren. Nun haben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich die alten Daten noch einmal
angesehen und konnten auch daraus einen geringeren Protonenradius ableiten.
Das Proton (rot) - hat einen Radius von 0,84
Femtometern (fm). In der Abbildung sind auch die
drei Quarks dargestellt, aus denen sich das
Proton zusammensetzt, sowie die Gluonen, die sie
zusammenhalten.
Bild: Dr. Yong-Hui Lin / Universität Bonn [Großansicht] |
Unser Bürostuhl, die Luft, die wir atmen, die Sterne am Nachthimmel: Sie alle
bestehen aus Atomen, die sich wiederum aus Elektronen, Protonen und Neutronen
zusammensetzen. Elektronen sind negativ geladen; sie haben nach heutigem
Kenntnisstand keine Ausdehnung, sondern sind punktförmig. Bei den positiv
geladenen Protonen ist das anders - ihr Radius beträgt aktuellen Messungen
zufolge 0,84 Femtometer (ein Femtometer ist ein Billiardstel Meter). Bis vor
wenigen Jahren dachte man allerdings noch, sie seien 0,88 Femtometer groß - ein
winziger Unterschied, der in der Fachwelt jedoch für erhebliche Furore sorgte.
Denn er ließ sich nicht so einfach erklären.
Manche Expertinnen und Experten hielten ihn sogar für einen Hinweis darauf,
dass das Standardmodell der Teilchenphysik falsch sei und abgeändert werden
müsse. "Unsere Analysen deuten jedoch darauf hin, dass dieser Unterschied
zwischen den alten und neuen Messwerten gar nicht existiert", erklärt Prof. Dr.
Ulf Meißner vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität
Bonn. "Stattdessen waren die älteren Werte mit einem systematischen Fehler
behaftet, der bislang deutlich unterschätzt wurde."
Um den Radius eines Protons zu bestimmen, kann man es in einem Beschleuniger
mit einem Elektronenstrahl beschießen. Wenn ein Elektron auf das Proton stößt,
ändern beide ihre Bewegungsrichtung - ähnlich wie bei der Kollision zweier
Billardkugeln. In der Physik bezeichnet man diesen Vorgang als elastische
Streuung. Je größer das Proton, desto häufiger kommt es zu solchen Kollisionen.
Aus Art und Ausmaß der Streuung lässt sich daher seine Ausdehnung berechnen.
Je höher dabei die Geschwindigkeit des Elektronenstrahls, desto genauere
Messungen sind möglich. Allerdings steigt damit auch die Gefahr, dass Elektron
und Proton beim Zusammenstoß neue Teilchen bilden. "Bei hohen Geschwindigkeiten
oder Energien geschieht das immer häufiger", erklärt Meißner. "Die elastischen
Streuungs-Ereignisse werden im Gegenzug seltener. Daher hat man für Messungen
der Protonengröße bislang nur Beschleunigerdaten verwandt, bei denen die
Elektronen eine relativ geringe Energie hatten."
Im Prinzip liefern aber auch Kollisionen, bei denen andere Teilchen
entstehen, wichtige Einblicke in die Form des Protons. Das gilt ebenso für ein
weiteres Phänomen, das bei hohen Geschwindigkeiten des Elektronenstrahls
auftritt - die sogenannte Elektron-Positron Vernichtung. "Wir haben eine
theoretische Basis entwickelt, mit der sich auch solche Ereignisse für die
Berechnung des Protonenradius nutzen lassen", sagt Prof. Dr. Hans-Werner Hammer
von der TU Darmstadt. "Dadurch können wir Daten berücksichtigen, die bislang
außen vor bleiben."
Mit dieser Methode haben die Physiker die Messwerte aus älteren, aber auch
ganz aktuellen Experimenten neu analysiert – inklusive denen, die bislang einen
Wert von 0,88 Femtometern nahelegten. Mit ihrem Verfahren kamen die Forscher
jedoch auf 0,84 Femtometer; das ist der Radius, der auch in neuen Messungen
gefunden wurde, die auf einer ganz anderen Methodik basieren.
Das Proton scheint also tatsächlich rund fünf Prozent kleiner zu sein, als in
den 1990er und 2000er Jahren angenommen wurde. Gleichzeitig erlaubt das
Verfahren der Forscher auch neue Einblicke in die Feinstruktur von Protonen und
ihrer ungeladenen Geschwister, der Neutronen. Es hilft somit dabei, den Aufbau
der Welt um uns herum etwas besser zu verstehen - des Stuhls, der Luft, aber
auch der Sterne am Nachthimmel.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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