Sauerstoff in der Atmosphäre von Kelt-9b
Redaktion
/ Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung der OeAW astronews.com
29. Dezember 2021
In der heißen Atmosphäre des Exoplaneten KELT-9b konnte ein
internationales Forschungsteam nun atomaren Sauerstoff nachweisen. Der Fund
gelang dank eines neuen Modells der Atmosphäre von heißen extrasolaren Planeten,
das die Beobachtungen erstaunlich gut beschreibt und künftig helfen könnte, auch
bei erdähnlichen Exoplaneten nach Sauerstoff zu suchen.
Künstlerische Darstellung des Exoplaneten
KELT-9b und seines Muttersterns HD 195689.
Bild: INAF / Marco Galliani [Großansicht] |
Extrasolare Planeten, kurz Exoplaneten, sind Planeten, die andere Sterne als
die Sonne umkreisen. Seit die ersten Welten dieser Art vor etwas mehr als zwei
Jahrzehnten entdeckt wurden, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
versucht, ihre Atmosphären zu charakterisieren und zu erklären, warum sie sich
so sehr von den Planeten in unserem Sonnensystem unterscheiden.
Um die Atmosphären dieser fernen Planeten zu beobachten, wird in den Spektren
der Exoplaneten nach deren spektralen "Fingerabdrücken" gesucht. "Bei einem
sogenannten Transit zieht der Planet von der Erde aus gesehen vor seinem
Mutterstern vorbei", erklärt Luca Fossati vom Grazer Institut für
Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Wenn
der Planet eine Atmosphäre hat, geht ein Teil des Sternenlichts durch sie
hindurch und erlaubt uns, die physikalischen Eigenschaften und die
Zusammensetzung der Atmosphäre zu untersuchen."
Der 2017 entdeckte Exoplanet KELT-9b befindet sich 650 Lichtjahre von uns
entfernt, in Richtung des Sternbilds Schwan (astronews.com berichtete). Er ist
ein Gasriese mit der 2,8-fachen Masse des Jupiter, aber nur einer halb so großen Dichte. KELT-9b wird von seinem Mutterstern HD 195689 extrem intensiv
bestrahlt. Da der Planet dem Stern sehr nahe ist und ihm (wie Mond und Erde)
immer die gleiche Seite zeigt, werden auf der ständig beleuchteten Hemisphäre
Temperaturen von über 4000 Grad Celsius erreicht - Werte, die so hoch sind, dass
sogar Wolfram schmelzen würde, ein Metall, das üblicherweise in unseren
Glühbirnen verwendet wird.
Bei solchen Temperaturen können elementare Moleküle wie Wasser, Kohlendioxid
und Methan nicht existieren und auch kein Leben, wie wir es kennen. Diese
extremen Eigenschaften machen KELT-9b aber auch interessant: Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen die Natur eines so heißen und
eigenartigen Objekts verstehen und herausfinden, warum der Planet in der Nähe
seines Muttersterns nicht einfach verdampft.
Bei ihrem Versuch, die Eigenschaften von KELT-9b besser zu charakterisieren,
entdeckte das Team die "Fingerabdrücke" von atomarem Sauerstoff im Spektrum des
Planeten. Es ist der erste eindeutige Nachweis von Sauerstoffatomen in der
Atmosphäre eines Exoplaneten. Die Idee für den Nachweis lieferten neue
Simulationen der Planetenatmosphäre, die von Fossati geleitet wurden. Die
Forscherinnen und Forscher haben ein Computermodell entwickelt, das die
Atmosphären heißer Exoplaneten simulieren kann. Mit diesem Modell lassen sich
die wichtigsten Eigenschaften der äußersten Exoplaneten-Atmosphären am Computer
nachbilden und ihre Struktur, Zusammensetzung und Temperatur mit bisher
unerreichter Genauigkeit vorhersagen.
Die aus den Simulationen für KELT-9b gewonnenen Daten stimmten nicht nur mit
früheren Beobachtungen anderer chemischer Elemente - wie Wasserstoff - in seiner
Atmosphäre überein, sondern deuteten auch auf den möglichen Nachweis von
Sauerstoffatomen hin, was das Team schließlich auch dazu bewegte, tatsächlich
danach zu suchen. Das Vorhandensein von Leben auf KELT-9b ist bei den
Temperaturen, die auf seiner Oberfläche herrschen, zwar ausgeschlossen, die
Technologie und die Computermodelle können aber ebenso effektiv für die Suche
nach Sauerstoff in den Atmosphären von gemäßigteren, erdähnlichen Exoplaneten
eingesetzt werden.
Das Team analysierte frühere Beobachtungen des Planeten, die mit dem
3,6-Meter-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums in Spanien gemacht wurden.
"Unsere Ergebnisse bestätigten die Vorhersage des theoretischen Modells: Die
Sauerstoffspuren waren von Anfang an vorhanden, wurden aber in früheren Analysen
übersehen", so Fossati. Das Modell hat nicht nur ihr Vorhandensein vorhergesagt,
es stimmt auch überraschend gut mit den Beobachtungen überein. Das gibt den
Forscherinnen und Forschern die Gewissheit, dass die Physik, auf der die
Simulationen basieren, die Realität heißer Atmosphären von Exoplaneten in einem
noch nie dagewesenen Ausmaß abbildet.
Die Ergebnisse zeigen, dass KELT-9b zwar im Laufe der Zeit etwas Gas aus
seiner heißen Atmosphäre verliert, aber nicht die Gefahr besteht, dass er in
absehbarer Zeit verdampft. Seine Nähe zum Stern führt jedoch zu starken
Turbulenzen und stürmischen Winden in seiner Atmosphäre. Die Beobachtungen
deuten darauf hin, dass die Windgeschwindigkeiten bis zu 40.000 Kilometer pro
Stunde erreichen können, was bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, dass die
stärksten auf der Erde gemessenen Windgeschwindigkeiten etwa 400 Kilometer pro
Stunde betragen und jene des Jupiters bei etwa 1500 Kilometer pro Stunde liegen.
Die Übereinstimmung zwischen dem Modell und den Beobachtungen ist ein
Meilenstein in der Erforschung von Planeten außerhalb des Sonnensystems. "Wir
wissen jetzt, dass wir realistische Modelle von Exoplaneten erstellen und die
Atmosphären der heißesten Exoplaneten deutlich besser verstehen können", betont Fossati. Ähnliche Beobachtungen der Atmosphären kleinerer, kühlerer Planeten
sind zwar noch nicht möglich, werden es aber eines Tages sein. "Wir betrachten
diese Arbeit als Generalprobe für die künftige Suche nach Sauerstoff in den
Atmosphären verschiedener Planeten in der Galaxie, einschließlich kleinerer,
möglicherweise bewohnbarer, erdähnlicher Welten", so der IWF-Forscher.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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