Bessere Modelle dank Satellitendaten und KI
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
15. November 2021
Modelle über die Entwicklung des Weltklimas sollten für
politische Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen - sei es nun bei
Klimakonferenzen oder auch bei Koalitionsverhandlungen. Diese Modelle werden
dank aktueller Satellitendaten immer genauer. Auch "Künstliche Intelligenz"
hilft inzwischen bei der Validierung.
Änderungen der Oberflächentemperatur, wie
sie als Mittelwert über verschiedene Klimamodelle
für das Ende des 21. Jahrhunderts für zwei
verschiedene Szenarien simuliert werden. Dabei
entspricht die linke Abbildung näherungsweise
einem Szenario für Einhaltung eines
Zwei-Grad-Ziels, während die rechte Abbildung
näherungsweise ein "Weiter-wie-bisher"-Szenario
darstellt.
Bild: DLR / DKRZ [Großansicht] |
Die Modelle zur Vorhersage des Klimawandels werden immer genauer. Sie
verarbeiten riesige Datenmengen, bewerten Informationen und verknüpfen sie zu
einem Gesamtbild. Wie das aussieht, hat der Weltklimabericht gezeigt: "Es ist
eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die
Landflächen erwärmt hat", stellt der Bericht den wissenschaftlichen
Kenntnisstand dar. Das Ausmaß der Veränderungen im gesamten Klimasystem ist
demnach seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos.
Dass die Aussagen so deutlich ausfallen, hängt mit der Arbeit von Prof.
Veronika Eyring zusammen. Sie ist koordinierende Leitautorin des Kapitels
"Menschlicher Einfluss auf das Klimasystem". Die Wissenschaftlerin vom Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Bremen forscht auf dem
Gebiet der Erdsystemmodellierung und Modellbewertung. Sie nutzt
Erdbeobachtungsdaten aus der Raumfahrt und wendet Methoden der Künstlichen
Intelligenz (KI) an, um belastbare Klimavorhersagen und
Technologiefolgenabschätzungen zu erhalten.
Dürren und Starkregen nehmen zu, Eis in den Meeren schmilzt, die Atmosphäre
heizt sich auf: Wie können die mehr als 230 internationalen Fachleute, die an
dem sogenannten Sechsten IPCC-Sachstandsbericht gearbeitet haben, so sicher
sein, dass die Aktivitäten des Menschen den Klimawandel verursachen? "Die
Beweislinien sind über die Zeit immer stärker geworden. Nicht nur für die
Temperatur, sondern für viele weitere Klimaänderungen", erklärt Eyring. "Wir
haben in dem Bericht den Realitäts-Check geliefert. Die Erwärmung ist bereits
auf 1,1°C im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten angestiegen. Das heißt, wir
sind von dem 1,5°C-Ziel nicht mehr weit entfernt. Der Bericht zeigt auch, dass
jeder kleine Anstieg der Erwärmung zu weiteren und schwerwiegenderen
Auswirkungen des Klimawandels führt. Dies sind eindeutige Belege für die
Dringlichkeit des Handelns. Es geht nun also darum, die Treibhausgas-Emissionen
sofort, schnell und drastisch zu reduzieren. Ansonsten wird es nicht mehr
möglich sein, die Erwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen."
Um die Ergebnisse von Klimamodell-Simulationen darzustellen, entwickelt das
DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen gemeinsam mit mehr
als 70 internationalen Forschungseinrichtungen federführend das Earth System
Model Evaluation Tool (ESMValTool). Das Computerprogramm erlaubt eine
umfangreiche Bewertung der Klima- und Erdsystemmodelle im Vergleich mit
Beobachtungsdaten. Mit dem ESMValTool wurden die Simulationen der neuesten
Generation der sogenannten CMIP6-Modelle ausgewertet und dabei auch das Problem
riesiger Datenmengen berücksichtigt. "Wir konnten zeigen, dass sich die
Klimasimulationen verbessert haben", sagt Eyring, die das CMIP6-Projekt von 2014
bis 2020 leitete. Die Datenprodukte von CMIP6 stellen neben Beobachtungsdaten
eine wichtige Quelle für Klimainformationen im IPCC-Bericht dar.
Trotzdem bestehen noch immer Unsicherheiten in den Vorhersagen des
Klimawandels und seinen Auswirkungen auf globaler und regionaler Skala. Dies
liegt insbesondere daran, dass kleinskalige Prozesse wie Wolkenbildung nicht
explizit aufgelöst und daher nur näherungsweise in Parametrisierungen
dargestellt werden können. Um dieses Problem zu lösen, setzt Veronika Eyring auf
"Künstliche Intelligenz" (KI). Das interdisziplinäre Team von USMILE
(Unterstanding and Modelling the Earth System with Machine Learning) entwickelt
maschinelle Lernverfahren, um das Verständnis und die Modellierung des
Erdsystems weiter zu verbessern. Hier geht es um eine Darstellung von Prozessen
in Wolken und auf der Landoberfläche. So sollen Unsicherheiten in
Klimavorhersagen reduziert werden. Außerdem arbeitet das Team daran,
Klimaschwankungen und Extremereignisse, zum Beispiel Dürren, mit Methoden wie "Deep
Learning" auf kausale Zusammenhänge hin zu untersuchen. "Maschinelles Lernen hat
hier ein außerordentliches Potenzial, um die Klimaforschung voranzubringen und
neue Forschungsfelder zu erschließen", sagt Eyring.
Die Wissenschaftlerin betreut ein Dutzend Doktorandinnen und Doktoranden im
Bereich Klimamodellierung. "Viele arbeiten am Interface zwischen Klimaforschung
und KI, also an der Verbindung von Physik und Informatik. Die junge Generation
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird noch viel bewegen", ist
Eyring sicher. Sie selbst hat Physik studiert. Als sie 1995 ihre Diplomarbeit
schrieb, warnten internationale Klimaforscherinnen und -forscher schon vor dem
vom Menschen verursachten Klimawandel. Veronika Eyring begann, die theoretische
Physik mit der Klimaforschung zu kombinieren.
2021 erhielt sie für ihre herausragende Arbeit auf dem Gebiet der
Klimamodellierung den renommierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, weil sie
maßgeblich dazu beigetragen hat, das Verständnis sowie die Genauigkeit von
Klimavorhersagen durch prozessorientierte Modellierung und Modellevaluierung zu
verbessern. Das Forschungspreisgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro fließt in die
Weiterentwicklung der Klimamodelle durch KI für eine verbesserte
Technologiefolgenabschätzung und Politikberatung – und in die Ausbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses. "Die Anwendung von KI zum Verständnis und zur
Modellierung des Erdsystems steht noch am Anfang. Es ist ein vielversprechender
Bereich, der eine neue Generation von Forschenden erfordert, die an der
Schnittstelle von Klimawissenschaft und künstlicher Intelligenz ausgebildet
ist", sagt Eyring.
Der Abgleich von Erdbeobachtungsdaten und Erdsystemmodellen gilt als wichtige
Grundlage für die Verbesserung von Klimavorhersagen. "Wir sind im DLR
prädestiniert für die Entwicklung dieser Anwendungen. Wir haben die Daten und
die Infrastruktur, mit denen wir die Analysen durchführen können", erklärt Prof.
Dr. Markus Rapp, Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre.
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