Hilfe aus dem All gegen den Klimawandel
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. November 2021
Bei der Bekämpfung des Klimawandels können
Erdbeobachtungssatelliten sowohl globale Bestandsaufnahmen liefern, als auch
präzise punktuelle Messungen vornehmen. Sie unterstützen damit das Pariser
Klimaabkommen. Die Raumfahrt war daher auch Thema bei der aktuell noch laufenden
Klimakonferenz in Glasgow, die noch bis Freitag dauern soll.

Die Sentinel-5P-Mission des europäischen
Erdbeobachtungsprogramms Copernicus misst
Spurengase in der Atmosphäre, wie Methan,
Stickstoffdioxid und Ozon.
Bild: ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Vom 31. Oktober bis zum 12. November 2021 findet im schottischen Glasgow die
26. UN-Klimakonferenz unter dem Vorsitz Großbritanniens statt. Vertreter von 197
Vertragsstaaten beraten dort über geeignete Maßnahmen, um die Ziele der
UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) zu erreichen und das Pariser Klimaabkommen
umzusetzen. "Die Raumfahrt spielt für die Umsetzung dieser Ziele eine wichtige
Rolle, weil sie mithilfe von Erdbeobachtungssatelliten kontinuierlich und über
einen langen Zeitraum den Zustand und die Veränderungen unseres Heimatplaneten
und damit auch die Ursachen und Folgen des Klimawandels auf einzigartige Weise
dokumentiert", erklärt Dr. Walther Pelzer, Mitglied des DLR-Vorstands und Leiter
der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. "Im Verbund mit unseren europäischen und
internationalen Partnern wollen wir durch unsere Aktivitäten dazu beitragen,
dass auf politischer und gesellschaftlicher Ebene dem Klimawandel effektiver
entgegengewirkt werden kann."
So liefern Satelliten wichtige Informationen über den Anstieg des
Meeresspiegels oder die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Außerdem
sammeln sie Daten über die weltweite Entwaldung oder auch zu Änderungen in der
Vegetation. Zu den Schwerpunkten der diesjährigen Weltklimakonferenz zählt die
Reduktion der Treibhausgase auf Netto-Null bis zum Jahr 2050 und die Begrenzung
der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius. Ziel ist es außerdem,
Finanzmittel für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu mobilisieren und
das Regelwerk zur Umsetzung dieses Abkommens weiterzuentwickeln. Teil der
Konferenz war auch in diesem Jahr der "Earth Information Day", der am 3.
November 2021 stattfand. Themen sind die aktuellen Entwicklungen in der
satellitengestützten Erdbeobachtung sowie deren Rolle bei der Bekämpfung des
Klimawandels.
"Erdbeobachtungssatelliten können sowohl globale Bestandsaufnahmen leisten,
als auch präzise punktuelle Messungen vornehmen und damit die Überprüfung des
Pariser Abkommens unterstützen", erläutert Albrecht von Bargen, Ansprechpartner
für die satellitengestützte Klimabeobachtung in der Deutschen Raumfahrtagentur
im DLR und derzeitiger Sprecher der Arbeitsgruppe Klima der Raumfahrtagenturen
bei der COP 26. Damit liefern die Satelliten die Grundlage für
länderübergreifende umweltpolitische Entscheidungen, aber auch für nationale
Maßnahmen, wie etwa zur Minderung und Anpassung von Treibhausgasen.
Bestätigt wird die Bedeutung der Raumfahrt auch durch den jüngsten
Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in dem
Erdbeobachtungssatelliten als entscheidend für die Überwachung der Ursachen und
Auswirkungen des Klimawandels eingestuft werden. Die Einsatzmöglichkeiten für
Erdbeobachtungssatelliten sind dabei vielfältig. "Dazu gehören etwa Messungen
der Eisschilde und der Treibhausgase in der Atmosphäre, sowie die globale
Kartierung der Wälder und der Veränderung der Vegetation", so von Bargen weiter.
Mit dem Pariser Klimaabkommen haben sich die Unterzeichner dazu verpflichtet,
das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Damit verbunden ist die konkrete Limitierung der
noch zulässigen Treibhausgasemissionen. Staaten geben dazu ihre möglichen
Beiträge zur Reduktion an, müssen aber auch den Nachweis erbringen, dass sie
diese erfolgreich umsetzen. Bisher beruhen diese Nachweise auf bodengestützten
Messungen. Satellitengestützte Messungen, wie etwa die der Copernicus
Sentinel-5P-Mission, die unter anderem das Treibhausgas Methan erfasst,
ermöglichen einen flächenhaften Abgleich und die Verfeinerung der
bodengestützten Messungen.
Aktuell wird mit der Copernicus CO2M-Mission außerdem ein System aus drei
Satelliten gebaut, das ab dem Jahr 2026 die CO2-Emissionen global flächendeckend
erfassen kann und so die Bestimmung der nationalen Beiträge unterstützt.
Ergänzend kommen auch nationale Satellitenmissionen hinzu, mit denen die Messung
von Treibhausgasen und das Emissionsgeschehen umfassend beobachtet werden soll.
So soll im Jahr 2027 die deutsch-französische Mission Merlin starten.
Deren Lidarsystem (Light Detecting and Ranging) wird Quellen hochpräzise
erfassen können, die zum Teil großflächig, aber mit geringer Konzentration
Methan emittieren - wie etwa auftauende Permafrostböden. Das Laserinstrument
kann unabhängig von externen Lichtquellen arbeiten und daher auch bei Nacht
Messungen vornehmen. Diese verschiedenen satellitengestützten Beobachtungen
ermöglichen so ein umfassendes Screening und eine präzise Bestimmung globaler
Emissionsflüsse.
Für die Erfassung der globalen Eismassen sind Satelliten von entscheidender
Bedeutung. Denn sie bieten die einzige Möglichkeit, Massenveränderungen der
Eisschilde sowie deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg nicht nur punktuell,
sondern auch umfassend und kontinuierlich zu messen. So konnte festgestellt
werden, dass im Zeitraum zwischen April 2002 und Juni 2021 der Grönländische
Eisschild durchschnittlich 250 und der Antarktische Eisschild 92 Gigatonnen pro
Jahr an Eismasse verloren haben. Zusammen verursachten sie damit etwa 26 Prozent
des mittleren globalen Meeresspiegelanstiegs.
Doch wie funktionieren solche Messungen? Durch die Umverteilung von Massen,
wie etwa durch das Schmelzen von Eis, verändert sich die Erdanziehung. Da sich
das Schwerefeld der Erde wiederum auf die Satellitenbahnen und somit auf die
Positionen und Geschwindigkeiten der Satelliten auswirken, können Missionen wie
GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment), die in den Jahren 2002 bis 2017
aktiv war, und GRACE-Follow-On, die im Jahr 2018 gestartet ist, solche
Auswirkungen messen. Beide Missionen sind in Kooperation zwischen der
US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, dem Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) und dem Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) realisiert worden.
Wälder sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Lebensgrundlage und
sichern als Heimat für viele Tier- und Pflanzenarten die weltweite
Artenvielfalt. Insbesondere die tropischen Waldgebiete helfen außerdem durch
Kohlenstoffspeicherung, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zu
reduzieren und wirken dabei der globalen Erwärmung entgegen. Rund ein Drittel
der Landmasse der Erde ist heute von Wäldern bedeckt. Doch bereits seit Mitte
des 20. Jahrhunderts wurde der Bestand durch Abholzung um mehr als die Hälfte
reduziert. Wälder sind aufgrund natürlicher, klimatischer und durch Menschen
verursachte Prozesse hinsichtlich der Vegetationshöhe, Biomasse und
Artenvielfalt sehr unterschiedlich aufgebaut. Die Kartierung dieser
Strukturmuster ist ein wichtiges Element, um den Zustand der Wälder zu erfassen
und Funktion und Entwicklung von Waldökosystemen in Modellen abzubilden.
Das DLR nutzt dazu interferometrische Radar-Daten, die für das globale
Höhenmodell der deutschen Satellitenmission TanDEM-X aufgenommen wurden, in
Kombination mit Daten der NASA-Mission GEDI (Global Ecosystem Dynamics
Investigation Lidar). GEDI nimmt mithilfe eines Lasers von der Internationalen
Raumstation ISS aus punktuelle Messungen der 3D-Waldstruktur vor. Mit Methoden
aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz werden aus beiden Datensätzen
Waldhöhe und Waldbiomasse flächendeckend abgeleitet. Biodiversität als wichtiger
Faktor bei der Kohlenstoffspeicherung Biodiversität und Klima beeinflussen sich
wechselseitig. So wird die biologische Vielfalt durch den Klimawandel bedroht,
der sich wiederum negativ auf das Klima auswirkt.
Am Beispiel von Mangroven wird dies besonders deutlich: Während diese
besonderen Ökosysteme weltweit zwischen rund vier und 20 Milliarden Tonnen
Kohlenstoff speichern und so erheblich zum Klimaschutz beitragen, sind sie durch
die zunehmenden Extremwetterereignisse und dem steigenden Meeresspiegelanstieg
besonders gefährdet. Der Verlust der Mangrovenwälder hätte die Freisetzung von
CO2 zur Folge, welches wiederum den Treibhauseffekt verstärkt. Die
Erhaltung der biologischen Vielfalt ist somit entscheidend für den Klimaschutz.
Daten der Sentinel-2-Mission des europäischen Erdbeobachtungsprogramms
Copernicus sind bei der Kartierung und Überwachung der Ausdehnung von Mangroven
und anderer Ökosysteme äußerst hilfreich. Im Jahr 2022 soll mit dem ersten
deutschen Hyperspektralsatelliten EnMAP (Environmental Mapping Analysis Program)
eine neue Mission zur Erforschung der Ökosysteme auf der Landoberfläche der Erde
starten.
Deutschland ist führend an den Erdbeobachtungsprogrammen der Europäischen
Kommission, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Europäische
Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten EUMETSAT beteiligt. Die
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR gestaltet die Programme entsprechend der
Zielsetzungen der Bundesregierung. Die nationalen Satellitenmissionen ergänzen
dabei die europäischen Aktivitäten.
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