Sandhügel auf Mond, Mars und anderswo
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Köln astronews.com
15. September 2021
Sind Sandhügel auf dem Mond steiler als auf der Erde? Diese
Frage war Ausgangspunkt einer jetzt vorgestellten Untersuchung, die es erlauben
könnte, aus dem Böschungswinkel von Hügeln auf Planeten und Monden auf die
vorherrschende Partikelgröße zu schließen. Das ist etwa für den Aufbau von
Forschungsstationen von Bedeutung, wenn dazu vor Ort vorhandenes Material genutzt werden
soll.
Aufnahme der Mondlandschaft, die während der
Mission Apollo 17 entstand.
Foto: NASA [Großansicht] |
Eine seit Langem bestehende Problemstellung in den Naturwissenschaften und
der Industriepraxis ist die Vorhersage des Böschungswinkels bzw. Schüttwinkels
für aufgeschüttete Hügel aus trockenem zusammenhaltenden körnigen Material.
Mithilfe von numerischen Simulationen konnten die Geophysiker Dr. Eric Parteli,
bis 2020 an der Universität zu Köln, nun an der Universität Duisburg-Essen und
Filip Elekes von Universität zu Köln ein mathematisches Modell entwickeln und
die bis dato bestehende Wissenslücke schließen.
Viele erinnern sich noch an das Spielen im Sandkasten als Kind: Lässt man
Sand aufeinander rieseln, dann bildet sich ein Sandkegel, der je nach Größe der
Sandkörner etwas unterschiedlich aussieht. "In der Physik ist hier vor allem der
Winkel des Schüttkegels, der durch den fließenden Sand entstanden ist,
interessant, der sogenannte Böschungswinkel", erklärt Elekes. "Der
Böschungswinkel stellt ein Maß für das Fließverhalten des Granulats dar: Je
fließfähiger das Granulat, desto kleiner der Böschungswinkel."
Das Zusammenspiel aus Partikelgröße, Fließverhalten (Böschungswinkel) und
Schwerkraft (Gravitationsbeschleunigung) ist für verschiedene industrielle
Anwendungen von besonderer Wichtigkeit, wie etwa für die additive Fertigung (z.
B. beim 3D-Druck). Auch in der Raum- und Planetenforschung wird das Verständnis
für granulare Materie und Pulversysteme immer wichtiger. "In Zukunft sollen
beispielsweise Bauteile für Raumsonden direkt in der Raumstation oder gar auf
der Oberfläche des Mondes oder des Mars gedruckt werden", so Parteli, der eine
Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten sieht.
Für die richtige Wahl der
Partikelgröße müsse der beschriebene Zusammenhang quantitativ verstanden werden.
"Da setzen wir an. Ein mathematisches Modell für den Böschungswinkel als
Funktion der Partikelgröße und der jeweiligen Gravitationsbeschleunigung würde
Planetenforscherinnen und -forschern ermöglichen, etwa aus den Hangneigungen
einer außerirdischen Sedimentlandschaft auf die Partikelgröße einer
Planetenoberfläche zu schließen", erläutert Parteli.
Um solch ein Modell zu erzielen, verwendeten die Wissenschaftler in ihrer
Arbeit teilchenbasierte numerische Simulationen, auch
Diskrete-Elemente-Simulationen genannt. Bei solchen Simulationen werden die
Newtonschen Translations- und Rotationsbewegungsgleichungen für jedes einzelne
Teilchen numerisch gelöst unter Berücksichtigung eines Modells für die auf die
Teilchen wirkenden Kräfte. Diese Kräfte sind die Schwerkraft, die Kontakt- bzw.
Reibungskräfte zwischen den miteinander in Berührung stehenden Partikeln sowie
die recht schwach ausgeprägten elektrostatischen Kräfte, die zwischen Molekülen
und Atomen stets wirken, die van-der-Waals-Wechselwirkungen.
Mithilfe der Simulationen erzeugten sie zahlreiche Schüttkegelmodelle aus
verschiedenen Kombinationen von Teilchendurchmesser und
Gravitationsbeschleunigung, um aus den Ergebnissen dann eine mathematische
Gleichung für den Böschungswinkel als Funktion dieser Parameter abzuleiten. "Wir
haben dabei den Teilchendurchmesser systematisch von 50 Mikrometer bis 10 Meter
variiert und die Gravitationsbeschleunigung von sechs Prozent der irdischen
Schwerkraft, was etwa der Bedingung auf Pluto entspricht, bis hin zum
hundertfachen der Gravitationsbeschleunigung der Erde", erläutert Elekes. Als
Granulat für ihre Simulationen nutzten sie Glaskugeln, da für Glaskugeln
zahlreiche experimentelle Ergebnisse zum Böschungswinkel als Funktion des
Teilchendurchmessers vorliegen.
Mit diesen experimentellen Beobachtungen konnten sie ihr Modell unter
irdischer Gravitationsbedingung validieren und eine mathematische Gleichung für
den Böschungswinkel als Funktion des Partikeldurchmessers und der
Gravitationsbeschleunigung entwickeln.
Ursprünglich hatten sich Elekes und Parteli die Frage gestellt: Sind
Sandhügel auf dem Mond aufgrund der dort herrschenden niedrigeren
Gravitationsbeschleunigung steiler als auf der Erde? Durch ihre Forschung können
sie nun eine klare Antwort geben: ja. "Ein Sandhügel – zumindest der in der
Simulation aus Glaskugeln nachgebaute – ist auf dem Mond etwa 10° steiler als
auf der Erde, da auf dem Mond nur 17 Prozent der irdischen Gravitation wirken",
so Elekes, dessen Bachelorarbeit im Jahr 2018 sich mit dieser Ausgangsfrage
befasste und somit den Anstoß zu der umfangreicheren Untersuchung gab.
Auf dem Pluto, wo lediglich sechs Prozent der irdischen
Gravitationsbeschleunigung vorhanden sind, wäre ein solcher Schüttkegel sogar
20° steiler als auf unserem Planeten. Die beiden Geophysiker beobachteten
darüber hinaus, dass dieser Unterschied in dem Böschungswinkel für verschiedene
Gravitationsbeschleunigungen größer wird, je kleiner der Partikeldurchmesser
ist.
Über ihre Studie berichten die Forscher in der Zeitschrift Proceedings of
the National Academy of Sciences of the United States of America.
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