Drei Jahre Entfernungsmessung im All per Laser
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
23. Juni 2021
Seit mehr als drei Jahren arbeitet das Laser Ranging
Interferometer auf den beiden Satelliten der deutsch-amerikanischen
Geodäsie-Mission GRACE Follow-On. Das Technologieexperiment erwies sich
in dieser Zeit als äußerst leistungsfähig. Das freut auch das Team des geplanten
weltraumgestützten Observatoriums für Gravitationswellen LISA, das die gleiche
Technologie verwenden soll.
GRACE Follow-On ist ein Tandem aus zwei
Satelliten, die die Erde in einem gegenseitigen
Abstand von 220 Kilometern auf der gleichen Bahn
in 490 Kilometer Höhe über dem Erdboden umrunden.
Die Mission vermisst den Abstand zwischen den
Satelliten mit Mikrowellen (blau) und einem neuen
Laserinterferometer (rot).
Bild: NASA (Erde), Schütze /
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Satelliten) [Großansicht] |
Mit großer Spannung erwarteten die Forschenden vor etwas mehr als drei
Jahren, am 14. Juni 2018, das Einschalten ihres Instruments auf den
GRACE-Follow-On-Satelliten, die nach einem Bilderbuchstart seit Mitte Mai
2018 die Erde hintereinander auf einer Bahn über die Pole umrunden. An den
beiden Satelliten befinden sich münzgroße Löcher, eines zum Senden und eines zum
Empfangen eines Laserstrahls. Eine Herausforderung lag darin den Laserstrahl
durch diese Löcher über eine Distanz von etwa 200 Kilometern hin- und
herzuschicken während die Satelliten mit rund 27.000 Kilometer pro Stunde um die
Erde rasen.
Das Kunststück gelang: Das Laser-Interferometer konnte praktisch unmittelbar
nach dem Einschalten die wissenschaftliche Datenaufnahme beginnen. Seitdem
wurden an über 870 Tagen Messdaten aufgezeichnet, wann immer die Satelliten und
die anderen Instrumente dies erlaubten. Mit dem Laserlicht werden Änderungen des
200 Kilometer Abstands zwischen den Satelliten auf rund einen Atomdurchmesser
genau vermessen. Das ist rund 5000-mal präziser als die parallel eingesetzte
etablierte Mikrowellen-Technik und auch 400-mal präziser als in der
Missionsanforderung des Laserinterferometers spezifiziert. Aus den Messungen der
Abstandsänderung lässt sich das Erdschwerefeld und dessen zeitliche
Veränderungen ableiten. So lassen sich Indikatoren des Klimawandels wie
abschmelzende Eismassen, sinkende Grundwasserspiegel und der steigende
Meeresspiegel aus der Erdumlaufbahn überwachen.
Obwohl das Laser Ranging Interferometer nur als Technologiedemonstration mit
einer minimal erforderlichen Laufzeit von drei Monaten angelegt war, sind auch
nach drei Jahren keine Verringerung der Messgenauigkeit und Zuverlässigkeit des
Instruments und seiner Komponenten festzustellen. Das Interferometer sollte
daher auch weitere Jahre wertvolle Messdaten liefern. "Wir wissen nun, dass
Laserinterferometer im All zwischen Satelliten über Jahre hinweg hochpräzise und
sehr zuverlässig betrieben werden können", sagt Gerhard Heinzel, Leiter der
Arbeitsgruppe "Weltrauminterferometrie" am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) und Manager der deutschen
Beiträge zum Laser Ranging Interferometer.
"Besonders beeindruckend ist, dass wir mehr als 100 Tage dauernde
Mess-Segmente von über 1500 Erdumläufen haben, in denen die Satelliten 60
Millionen Kilometer zurückgelegt haben, während denen die Laserverbindung nicht
einmal unterbrochen wurde", so Heinzel. "Auch für LISA, das geplante
Gravitationswellen-Observatorium im All ist dies ein wichtiges Ergebnis, denn
wir haben für GRACE Follow-On LISA-Technologie eingesetzt. Sie funktioniert
einwandfrei und dauerhaft." LISA ist eine geplante Satellitenmission unter
Führung der ESA mit NASA-Beiträgen, die ab 2032 ins All starten könnte und dort
vom Erdboden aus nicht nachweisbare niederfrequente Gravitationswellen messen
würde. LISA wird dafür wie GRACE Follow-On laserbasierte
Abstandmessungen zwischen Satelliten – allerdings über deutlich größere
Entfernungen von 2,5 Millionen Kilometer – verwenden.
Aufgrund der enormen Empfindlichkeitssteigerung bei den Messungen der
Abstandsänderungen durch das Laserinterferometer ergeben sich zudem ganz neue
Möglichkeiten, das Verhalten des Satellitentandems besser zu verstehen.
Bestimmte bisher rätselhafte kurze Ereignisse, die die Beschleunigungssensoren
der Satelliten registrieren, lassen sich mithilfe der Daten des Laserinstruments
durch Treffer von Mikrometeoriten von der Größe eines Staubkorns erklären. Auch
können die Effekte von Schubdüsen zur Lageregelung der Satelliten aus den
Abstandsdaten extrahiert werden.
Welches Potenzial in den Messungen des Laserinstruments steckt, wird bei
gleichzeitiger Anpassung der Analyse-Methoden mit zunehmender Messdauer
sichtbar. Die höhere Auflösung der laserbasierten Abstandsmessungen sorgt für
genauere Karten des statischen Schwerefelds der Erde. Sie bildet aber auch
kurzfristige zeitliche Änderungen ab, die in den bisher monatlich
veröffentlichten Schwerefeldkarten fehlten. Forschende vom AEI Hannover, der
Leibniz Universität Hannover und vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ)
Potsdam werden in den nächsten Jahren gemeinsam die optimale
Auswertungsstrategie der Messdaten des Laserinstruments untersuchen.
"Wir haben nach drei Jahren Messbetrieb konkrete Ideen dafür, wie wir die
nächsten Geodäsie-Mission in der Erdumlaufbahn noch einmal verbessern können",
sagt Vitali Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe
"Weltrauminterferometrie" am AEI. "Zukünftige Erderkundungsmissionen könnten
dann nur noch ein Laserinstrument wie das Laser Ranging Interferometer zur
Abstandsmessung verwenden."
"Nach dem großen Erfolg von LISA Pathfinder zeigt uns GRACE-Follow-On nun,
dass ein weiterer Baustein – die Laserverbindung zwischen weit voneinander
entfernten Satelliten – bereit für die LISA-Mission ist", unterstreicht Karsten
Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik Hannover und
Direktor des Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität
Hannover. "Wir freuen uns, dass die Europäische Weltraumorganisation ESA die
Entwicklung von bis zu zwei ähnlichen Missionen zur Messung des Erdschwerefelds
und die dazugehörige Laser-Interferometrie vorantreibt. Mehrere gleichzeitig
betriebene Satellitenpaare würden die Qualität der Erdschwerefeld-Karten
erheblich verbessern."
|