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Viele Teleskope und ein Schwarzes Loch
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
15. April 2021
Im April 2019 veröffentlichten Forscherinnen und Forscher
das erste "Bild" des supermassereichen Schwarzen Lochs in M 87, das mithilfe des
Event Horizon Telescope (EHT) entstanden war. Gestern wurden nun
weitere Beobachtungen des Zentralbereichs der Galaxie mit zahlreichen anderen
Teleskopen veröffentlicht. Sie bieten einen beispiellosen Blick auf dieses
Schwarze Loch.
Zusammengesetztes Bild, das zeigt, wie das
M-87-System über das gesamte elektromagnetische
Spektrum hinweg während der EHT-Kampagne im April
2017 zur Aufnahme des ikonischen ersten Bildes
eines Schwarzen Lochs aussah. Dieses Bild,
erstellt aus Beobachtungen mit 19 verschiedenen
Einrichtungen auf der Erde und im Weltraum,
offenbart die enormen Ausmaße, die das Schwarze
Loch und sein nach vorne gerichteter Jet haben,
der gerade außerhalb des Ereignishorizonts
startet und in seiner Ausdehnung die gesamte
Galaxie umfasst.
Bild: EHT Multi-Wavelength Science Working
Group; EHT-Kollaboration; ALMA (ESO/NAOJ/NRAO);
EVN; EAVN-Kollaboration; VLBA (NRAO); GMVA;
Hubble Space Telescope, Neil-Gehrels-Swift-Observatorium;
Chandra X-ray-Observatorium; Nuclear
Spectroscopic Telescope Array;
Fermi-LAT-Kollaboration; H.E.S.S.-Kollaboration;
MAGIC-Kollaboration; VERITAS-Kollaboration; NASA
und ESA. Bildzusammenstellung durch J.C. Algaba [Großansicht] |
Die gewaltige Gravitation eines supermassereichen Schwarzen Lochs akkretiert
nicht nur Materie, sondern treibt auch einen energiereichen Materieausfluss oder
Jet an, der Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit über riesige Entfernungen
bewegt. Der Jet von M 87 erzeugt Strahlung über das gesamte elektromagnetische
Spektrum, von Radiowellen bis hin zu Gammastrahlen. Das Muster dieser Strahlung
ist bei jedem Schwarzen Loch anders und gibt entscheidende Einblicke in die
Eigenschaften eines Schwarzen Lochs.
Es ist aber auch eine Herausforderung für die Forscher, weil sich dieses
Muster mit der Zeit verändert. Während der Beobachtungen von M 87 mit dem
Event Horizon Telescope (EHT) kompensierten die Wissenschaftler solche
Schwankungen, indem sie die Beobachtungen mit vielen der weltweit
leistungsstärksten Teleskope am Boden und im Weltraum koordinierten und
Strahlung über das gesamte elektromagnetische Spektrum erfassten. Es ist die
umfangreichste simultane Beobachtungskampagne, die jemals für ein
supermassereiches Schwarzes Loch mit Jets durchgeführt wurde.
"Dieser einzigartige Datensatz ist entscheidend für unser Verständnis der
physikalischen Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung eines der
massereichsten Schwarzen Löcher in unserer kosmischen Nachbarschaft“, sagt
Stefanie Komossa, Astronomin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR)
in Bonn, Teammitglied bei den unterstützenden Multi-Wellenlängen-Beobachtungen
des EHT. Mit der Veröffentlichung geben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler diesen riesigen Datensatz im Rahmen der neuen Untersuchung frei.
Damit kann jeder Interessierte die Daten selbst analysieren und für seine
eigenen Studien nutzen.
Jedes Teleskop liefert entscheidende Informationen über das Verhalten und die
Auswirkungen des Schwarzen Lochs im Zentrum von M 87 mit einer Masse von 6,5
Milliarden-Sonnenmassen, das etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt
liegt. "Wir wussten, dass das erste direkte Bild eines Schwarzen Lochs
bahnbrechend sein würde", sagt Teammitglied Kazuhiro Hada vom National
Astronomical Observatory of Japan. "Aber um das Beste aus diesem
bemerkenswerten Bild herauszuholen, müssen wir alles über das Verhalten des
Schwarzen Lochs zu dieser Zeit wissen, indem wir Beobachtungen über das gesamte
elektromagnetische Spektrum durchführen."
"Die Kombination von VLBI-Daten aus dem Radio-Millimeter-Band mit zeitnah
durchgeführten Messungen bei anderen Wellenlängen wie Nahinfrarot, Optik,
Röntgen- und Gammastrahlung bietet ein großartiges Datenreservoir für ein
detailliertes Bild der physikalischen Prozesse, die in der Nähe des Schwarzen
Lochs und in der Startregion des Jets ablaufen", ergänzt Thomas P. Krichbaum,
MPIfR-Astronom und Mitglied des EHT-Wissenschaftsrats. Die Daten wurden von
einem Team von siebenhundertsechzig Personen aus fast zweihundert Institutionen
und zweiunddreißig Ländern oder Regionen mit von Agenturen und Institutionen
rund um den Globus finanzierten Teleskopen von 19 Observatorien, darunter auch
die Effelsberg- und APEX-Teleskope des MPIfR, in einem Zeitraum von Ende März
bis Mitte April 2017 aufgenommen.
"Es gibt mehrere Gruppen, die auf Hochtouren arbeiten, um zu sehen, ob ihre
Modelle mit diesem reichhaltigen Beobachtungsschatz übereinstimmen, und wir sind
begeistert, dass die gesamte Gemeinschaft die freigewordenen Daten nutzen kann,
um uns zu helfen, die engen Verbindungen zwischen Schwarzen Löchern und ihren
Jets besser zu verstehen", sagt Daryl Haggard von der McGill University.
"An diesen phantastischen Beobachtungen sind viele der besten Teleskope der Welt
beteiligt, die zusammen eine Betriebszeit von dreihundert Jahren eingebracht
haben", unterstreicht auch Juan Carlos Algaba von der University of Malaya
in Kuala Lumpur in Malaysia. "Dies ist ein wunderbares Beispiel für die
Zusammenarbeit von Astronomen auf der ganzen Welt bei ihrer wissenschaftlichen
Arbeit."
Die Ergebnisse zeigen, dass die Menge an elektromagnetischer Strahlung, die
durch die Materie um das supermassereiche Schwarze Loch von M 87 erzeugt wurde,
die geringste war, die jemals beobachtet wurde. Dadurch boten sich ideale
Bedingungen für die Untersuchung des Schwarzen Lochs, von Regionen nahe dem
Ereignishorizont bis hin zu Zehntausenden von Lichtjahren Abstand. Die
Verbindung der bereits erhaltenen Teleskopdaten mit den aktuellen und
zukünftigen EHT-Beobachtungen wird es den Wissenschaftlern ermöglichen, wichtige
Untersuchungen in einigen der bedeutendsten und anspruchsvollsten Bereiche der
Astrophysik durchzuführen.
Zum Beispiel planen die Forscher, diese Daten zu nutzen, um die Tests von
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu verbessern. Eine große Hürde bei
der Anwendung solcher Tests auf M 87 liegen derzeit in Unsicherheiten über das
Material, das um das Schwarze Loch rotiert und in Jets abgestrahlt wird und
insbesondere in den Eigenschaften, die das emittierte Licht bestimmen. "Das
Verständnis der Teilchenbeschleunigung ist zentral für unser Verständnis sowohl
des EHT-Bildes als auch der Jets in all ihren Eigenschaften", so Sera Markoff
von der Universität Amsterdam. "Diese Jets schaffen es, die vom Schwarzen Loch
freigesetzte Energie auf Skalen zu transportieren, die größer sind als die
Wirtsgalaxie, entsprechend einem riesigen Stromkabel. Die erhaltenen Ergebnisse
werden uns helfen, die Menge der transportierten Energie zu berechnen und den
Effekt, den die Jets des Schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausüben."
Die Veröffentlichung der neuen Daten fällt mit dem aktuellen
EHT-Beobachtungslauf im Jahr 2021 zusammen, bei dem wiederum ein weltweites
Netzwerk von Teleskopen zum Einsatz kommt – es ist der erste seit dem Jahr 2018.
Noch in dieser Woche nehmen die EHT-Astronomen sechs Nächte lang M 87 sowie Sgr
A*, das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, und
mehrere noch weiter entfernte Schwarze Löcher ins Visier. "Mit der
Veröffentlichung der Daten, kombiniert mit der Wiederaufnahme der Beobachtungen
mit einem verbesserten EHT, können wir davon ausgehen, dass noch viele
aufregende neue Ergebnisse für uns am Horizont stehen", ist Mislav Baloković von
der Yale University überzeugt.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel
veröffentlicht, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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