Der Schatten des Schwarzen Lochs von M87
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
10. April 2019
Astronomen ist es erstmals gelungen, den Schatten eines
Schwarzen Lochs vor dem ihn umgebenden glühend heißen Plasma zu beobachten. Dies
gelang mithilfe des Event Horizon Telescope, eines erdumspannenden
Netzes von Radioteleskopen. In Visier genommen wurde dabei die elliptische
Riesengalaxie Messier 87 in rund 55 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Der erste direkte visuelle Nachweis für ein
supermassereiches Schwarzes Loch erfolgte im
Zentrum der gewaltigen Galaxie Messier 87. Der
Schatten des Schwarzen Lochs zeigt sich in
Beobachtungen mit dem Event Horizon Telescope,
einem Netzwerk von acht bodengebundenen über den
ganzen Globus verteilten Radioteleskopen.
Bild: EHT-Kollaboration [Großansicht] |
Schwarze Löcher verschlucken alles Licht und sind daher unsichtbar. Was
plausibel klingt, ist in der Praxis zum Glück für die Astronomen doch ein wenig
anders. Denn Schwarze Löcher sind von leuchtenden Gasscheiben umgeben und heben
sich daher vom dunklen Hintergrund ab, ähnlich wie eine schwarze Katze auf einem
weißen Sofa. Und so ist es mit dem Event Horizon Telescope jetzt
erstmals gelungen, ein Schwarzes Loch zu fotografieren. Dabei nahm dieses
weltweite Netzwerk von acht bodengebundenen Radioteleskopen die rund 55
Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Messier 87 ins Visier.
Im April 2017 verlinkten die Wissenschaftler zum ersten Mal acht Teleskope
rund um den Globus und bildeten auf diese Weise ein virtuelles Teleskop, dessen
Öffnung nahezu dem Durchmesser der Erde entsprach. Very-Long-Baseline-Interferometrie
(VLBI) heißt diese Technik, in der die Signale der Einzelantennen gleichsam
überlagert werden. Diese Synchronisation geschieht mithilfe von hochpräzisen
Atomuhren auf die Nanosekunde genau. Dabei lässt sich eine extreme
Winkelauflösung von weniger als 20 Mikro-Bogensekunden erreichen; hätten unsere
Augen ein derartiges Leistungsvermögen, könnten wir die einzelnen Moleküle in
unserer Hand sehen.
Zum Verbund dieses sogenannten Event Horizon Telescope (EHT)
gehörten unter anderem der 30-Meter-Spiegel von IRAM in Spanien sowie das
APEX-Teleskop in Chile, an dem das Max-Planck-Institut für Radioastronomie
beteiligt ist. Insgesamt haben die Teleskope allein bei den Beobachtungen im
Jahr 2017 etwa vier Petabytes an Daten aufgenommen – eine solch große Menge,
dass der Transport auf dem Postweg tatsächlich schneller und effektiver ist, als
das Senden der Daten per Internet. Die Messdaten wurden am Max-Planck-Institut
für Radioastronomie in Bonn mittels eines Supercomputers, dem Korrelator,
kalibriert und ausgewertet.
"Die Ergebnisse geben uns zum ersten Mal einen klaren Blick auf ein
supermassives Schwarzes Loch und sie markieren einen wichtigen Meilenstein für
unser Verständnis der fundamentalen Prozesse, welche die Bildung und die
Entwicklung von Galaxien im Universum bestimmen", sagt Anton Zensus, Direktor am
Bonner Max-Planck-Institut und Vorsitzender des EHT-Kollaborationsrats. Es sei
bemerkenswert, dass in diesem Projekt astronomische Beobachtungen und
theoretische Interpretation schneller als erwartet zum erhofften Resultat
geführt hätten.
Nach den Worten von IRAM-Direktor Karl Schuster basiert der Erfolg auf einer
"jahrzehntelangen europäischen Fachkompetenz" in der Millimeterastronomie:
"Schon in den 1990er-Jahren haben das Max-Planck-Institut in Bonn und unser
Institut mit seinen beiden Observatorien technisch und wissenschaftlich gezeigt,
dass wir mit hochauflösenden Radiobeobachtungen eine einzigartige Methode
besitzen, die unmittelbare Umgebung von supermassereiche Schwarzen Löchern zu
analysieren."
IRAM als eine von der Max-Planck-Gesellschaft mitfinanzierte Einrichtung nahm
mit dem 30-Meter-Teleskop an der Kampagne aktiv teil. Dieses Teleskop spielte
mit seinem in Europa gelegenen Standort und seiner außerordentlichen
Empfindlichkeit eine entscheidende Rolle für den Erfolg der EHT-Beobachtung.
Das Herz der supermassiven Galaxie M 87 besitzt zwei spezielle Eigenschaften,
die es zu einem geeigneten Kandidaten für das Projekt machen: Es ist zum einen
dank seiner ungewöhnlichen Größe und zum anderen wegen seiner relativen Nähe zur
Erde gut zu sehen und damit ein perfektes Studienobjekt für Wissenschaftler, die
mit dem weltumspannenden Teleskopverbund nun endlich ein Instrument besitzen, um
ein solch exotisches Objekt direkt zu beobachten. Die Regionen um
supermassereiche Schwarze Löcher sind den extremsten Bedingungen ausgesetzt, die
wir im Weltall kennen.
Schwarze Löcher sind faszinierende kosmische Objekte, die eine unglaubliche
Gesamtmasse innerhalb eines winzigen Raumbereichs umfassen. Ihre Masse und damit
ihre Anziehungskraft sind so groß, dass selbst Licht ihnen nicht entkommen kann.
Daher bleiben sie schwarz – und es ist unmöglich, sie direkt wahrzunehmen. Die
einzige Chance, Schwarze Löcher zu sehen, besteht darin, ihren "Schatten"
abzubilden. Dieser entsteht durch die extrem starke Beugung des Lichts – und
zwar kurz bevor es unwiderruflich im Schwarzen Loch verschwindet.
Hochauflösende Radiobeobachtungen im Bereich von Millimeterwellen erlauben es
den Astronomen, ungestört von dichten Staub- und Gaswolken bis an die Ränder von
Schwarzen Löchern vorzudringen. Das jetzt veröffentlichte Bild wurde bei 1,3
Millimeter Wellenlänge gewonnen und zeigt klar eine ringförmige Struktur mit
einer dunklen Zentralregion – eben den Schatten des Schwarzen Lochs. Um dieses
sehr massereiche und kompakte Objekt bewegt sich mit hohen Geschwindigkeiten ein
heißes Gasplasma. Die ringförmige Struktur auf dem Bild ist nichts anderes als
die stark erhitzte Materie um das Massemonster, dessen Licht von ihm selbst wie
durch eine Linse umgelenkt und verstärkt wird. Nach einer rund 55 Millionen
Lichtjahre langen Reise trifft es auf die Teleskope des EHT-Verbundes.
Der Ursprungsort, M 87, ist eine elliptische Riesengalaxie nahe dem Zentrum
des Virgo-Galaxienhaufens. Charles Messier trug im Jahr 1781 das Objekt unter
der Nummer 87 in seinen Katalog ein. Die Galaxie ist auch als starke Radioquelle
namens Virgo A bekannt und sehr aktiv. Aus ihrem Kern schießt ein mindestens
5000 Lichtjahre langer Jet – Materie, die in der Akkretionsscheibe des Schwarzen
Lochs im Zentrum beschleunigt wird und in Form eines stark gebündelten Strahls
senkrecht zu dieser Scheibe mit hoher Geschwindigkeit ausströmt.
Der Schatten verrät den Forschenden eine Menge über die Natur der zentralen
Maschinerie und ermöglicht es ihnen, die enorme Gesamtmasse des Schwarzen Lochs
von M 87 präzise zu bestimmen. Sie liegt bei 6,5 Milliarden Sonnenmassen. Dieser
Wert deckt sich gut mit dem aus anderen Beobachtungen gewonnen.
"Über viele Jahrzehnte konnten wir Schwarze Löcher nur indirekt nachweisen",
sagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Dann
haben Detektoren vor ein paar Jahren zum ersten Mal Gravitationswellen gemessen
und die Auswirkungen von Schwarzen Löchern auf die Raumzeit bei deren
Verschmelzung gleichsam hörbar gemacht. "Nun können wir sie endlich auch sehen
und haben die Möglichkeit, diese exotischen Objekte und deren extreme
Raumzeitkrümmung mit all ihrer Faszination auf einzigartige Weise zu
untersuchen", sagt der Wissenschaftler, einer der Hauptverantwortlichen von
BlackHoleCam. Dieses Projekt ist Teil des EHT, dem rund 200 Forschende
angehören.
Die Beobachtungen gehen weiter: Seit Ende 2018 ist auch NOEMA, das zweite
IRAM-Observatorium in den französischen Alpen, Teil des weltweiten Verbundes.
Mit seinen zwölf hochempfindlichen Antennen wird dieses Observatorium das
leistungsfähigste des EHT auf der nördlichen Hemisphäre sein. "Dank NOEMA werden
wir in einen neuen Empfindlichkeitsbereich vorstoßen und damit noch mehr
faszinierende Erkenntnisse gewinnen", sagt Karl Schuster.
Für Anton Zensus bedeutet der Erfolg eine Zäsur in der Astronomie. "In
Zukunft werden sich Forscher weit über unser Arbeitsgebiet hinaus klar an eine
Zeit vor und nach dieser Entdeckung erinnern", sagt der Max-Planck-Direktor.
Seiner Meinung nach werden die Astronomen die galaktischen Zentren besser
verstehen und ein vollständiges Bild von Entstehung und Entwicklung aktiver
Galaxien gewinnen. Zudem werde man die allgemeine Relativitätstheorie auf Herz
und Nieren testen können. "Denn schwarze Löcher sind ein ideales Labor für
Messungen unter starker Schwerkraft."
Die heute auf mehreren Pressekonferenzen vorgestellten Ergebnisse sind in
sechs Fachartikeln beschrieben, die in einer Sonderausgabe der Zeitschrift
Astrophysical Journal Letters erschienen sind.
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