Ereignishorizont im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
18. Dezember 2013
Astronomen wollen durch Beobachtungen mit mehreren
Radioteleskopen versuchen, den Ereignishorizont des supermassereichen Schwarzen
Lochs der Milchstraße abzubilden. Das Projekt BlackHoleCam, an dem
Wissenschaftler aus verschiedenen europäischen Instituten beteiligt sind,
erhielt jetzt vom Europäischen Forschungsrat eine Förderung von 14 Millionen
Euro.

Schatten des
Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs nach
Simulationen auf der Basis von Einsteins
Allgemeiner Relativitätstheorie.
Bild: M. Moscibrodzka & H. Falcke,
Radboud-Universität Nimwegen |
Für den Aufbau eines Beobachtungssystems, mit dem erstmals exakte Bilder
eines Schwarzen Lochs aufgenommen werden können, hat der Europäische
Forschungsrat (ERC) jetzt 14 Millionen Euro bewilligt. Das Team, geleitet von
Prof. Heino Falcke von der Radboud-Universität Nimwegen, Prof. Michael Kramer
vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und von Prof. Luciano
Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt und dem Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik in Potsdam, will damit Vorhersagen der Allgemeinen
Relativitätstheorie Albert Einsteins überprüfen. Die Forscher erhalten mit einem
sogenannten "Synergy Grant" die höchstdotierte und begehrteste vom Forschungsrat
vergebene Förderung.
Schwarze Löcher können nicht direkt beobachtet werden, weil ihr
Gravitationsfeld so stark ist, dass selbst Licht nicht mehr entweichen kann. Für
die Grenze, ab der selbst Licht der Anziehungskraft nicht mehr entkommt, den
sogenannten Ereignishorizont, gibt es bisher nur theoretische Berechnungen.
"Während die meisten Astrophysiker davon überzeugt sind, dass Schwarze Löcher
existieren, hat tatsächlich noch niemand ein Schwarzes Loch sehen können", so
Heino Falcke, Professor für Radioastronomie an der Radboud-Universität Nimwegen
und am niederländischen Forschungszentrum ASTRON. "Jetzt erst ist die
technologische Entwicklung so weit, dass wir Schwarze Löcher abbilden und damit
überprüfen können, ob sie so existieren wie vorhergesagt: Ohne Ereignishorizont
gibt es auch keine Schwarzen Löcher."
Diesen Ereignishorizont wollen die Astrophysiker nun erstmals messen, indem
sie ins Zentrum unserer Milchstraße schauen. Dort befindet sich Sagittarius A*
ein Schwarzes Loch mit etwa der viermillionenfachen Masse unserer Sonne. Aus
seiner unmittelbaren Umgebung werden ständig Radiowellen ausgesandt. Es sind die
letzten Lebenszeichen von gewaltigen Gasmassen, die den Ereignishorizont
überqueren.
Indem Astrophysiker mit verschiedenen Radioteleskopen weltweit die
Radiowellen von Sagittarius A* bis an ihren Ursprung verfolgen, hoffen sie, den
Ereignishorizont als einen schwarzen Schatten sichtbar machen zu können.
Angesichts der Entfernung zum galaktischen Zentrum von etwa 26.000 Lichtjahren
sollte dieser jedoch nur etwa so dick wie ein Apfel auf dem Mond erscheinen, den
man von der Erde aus betrachtet.
Um so kleine Strukturen detektieren zu können, hatte Falcke schon vor 15
Jahren vorgeschlagen, die von einem weltweiten Netzwerk von Radioteleskopen bei
hoher Frequenz gemessenen Signale mit genauen Zeitangaben zu speichern und dann
rechnerisch zu vergleichen. Inzwischen gibt es internationale Bemühungen, ein
Ereignishorizont-Teleskop nach diesem Prinzip zu konstruieren. "Mit den Mitteln
des ERC-Grants und der hervorragenden Kompetenz, über die wir hier in Europa
verfügen, können wir diese Pläne nun zusammen mit unseren internationalen
Partnern verwirklichen", so Falcke.
Darüber hinaus möchte die Gruppe mithilfe von Radioteleskopen neue Pulsare in
der Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße aufspüren. Pulsare
sind schnell rotierende Neutronensterne, die als präzise Uhren im All genutzt
werden können. "Ein Pulsar in der direkten Umgebung eines Schwarzen Lochs ist
für unsere Forschung von extremem Wert", erklärt Michael Kramer,
geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in
Bonn. "Pulsare ermöglichen es uns, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie
vorhergesagte Krümmung von Raum und Zeit in der Nähe eines Schwarzen Lochs mit
bisher unerreichter Genauigkeit zu vermessen."
Bislang wurden im Zentrum der Milchstraße kaum Pulsare gefunden. Eine
Ausnahme ist der kürzlich von Kramer und seiner Forschungsgruppe in der Nähe von
Sagittarius A* gefundene Pulsar. "Wir vermuten, dass es davon noch mehr gibt.
Und dann werden wir sie auch finden", so Kramer.
Um sicher zu sein, dass im Zentrum der Milchstraße tatsächlich ein Schwarzes
Loch und nicht etwas anderes ist, wollen die Astrophysiker die experimentellen
Daten vom Schatten des Ereignishorizonts und der Bewegung der Pulsare und Sterne
im Umkreis von Sagittarius A* mit Computersimulationen vergleichen. Dafür ist
Luciano Rezzolla der Experte. Der Professor für Theoretische Astrophysik an der
Goethe-Universität leitet auch am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in
Potsdam die Arbeitsgruppe Modellierung von Gravitationswellen.
"Wir können inzwischen sehr präzise berechnen, wie Raum und Zeit durch das
immense Gravitationsfeld eines Schwarzen Loches gekrümmt werden und wie Licht
und Materie sich in dessen Umfeld bewegen", erklärt Rezzolla. "Einsteins
Allgemeine Relativitätstheorie ist die beste Gravitationstheorie, die wir
kennen, aber es ist nicht die einzige. Wir werden diese Beobachtungen nutzen, um
herauszufinden, ob Schwarze Löcher, eines der Lieblingskinder unter den
astronomischen Objekten, wirklich existieren", so Rezzolla weiter. Schließlich
will er mit seinen Kollegen die Gravitationstheorie auf einer Skala überprüfen,
die früher dem Bereich des Science Fiction angehörte. "Das wird ein Wendepunkt
in der modernen Wissenschaft", prognostiziert der italienischstämmige
Astrophysiker.
An dem Projekt BlackHoleCam sind außerdem weitere Partner aus Europa
beteiligt. Die Wissenschaftler werden für ihre Untersuchungen Beobachtungen am
Radiointerferometer NOEMA und am IRAM-30-Meter-Radioteleskop durchführen, die
beide vom deutsch-französisch-spanischen Forschungsinstitut IRAM betrieben
werden. Geplant ist zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem amerikanischen
Event Horizon Telescope-Projekt.
Der Europäische Forschungsrat vergibt "Synergy Grants" für wissenschaftlich
exzellente Forschungsvorhaben in einem aufwendigen und durch starke Konkurrenz
geprägten Auswahlprozess. Die Zuwendungen betragen höchstens 15 Million Euro und
verlangen die Zusammenarbeit von zwei bis vier hauptverantwortlichen Forschern.
In der aktuellen Auswahlrunde wählte der ERC von 449 Forschungsanträgen aus
allen Bereichen der Wissenschaft 13 Projekte aus. Zum ersten Mal wurde dabei ein
Antrag aus der Astrophysik berücksichtigt.
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