Anzeige
 Home  |  Nachrichten  | Frag astronews.com  | Bild des Tages  |  Kalender  | Glossar  |  Links  | Forum  | Über uns    
astronews.com  
Nachrichten

astronews.com
astronews.com

Der deutschsprachige Onlinedienst für Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt

Home  : Nachrichten : Teleskope : Artikel [ Druckansicht ]

 
QUASARE
Entferntester Quasar im jungen Universum
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
astronews.com
8. März 2021

Mithilfe zahlreicher Teleskope wurde nun der am weitesten entfernte bekannte radiohelle Quasar aufgespürt. Man sieht diesen Quasar mit der Bezeichnung P172+18 zu einer Zeit, in der das Universum gerade einmal 780 Millionen Jahre alt war. Außerdem scheint es sich bei dem Objekt um eines der am schnellsten wachsenden supermassereichen Schwarzen Löcher zu handeln.

Quasar

Künstlerische Darstellung eines Quasars wie P172+18. Bild: ESO/M. Kornmesser [Großansicht]

Quasare gehören zu den hellsten Objekten im Universum. Deshalb untersuchen Astronomen sie in großen kosmologischen Entfernungen sehr genau. Obwohl sie bereits 1963 durch die Messung von Radiowellen entdeckt wurden, sind nur zehn Prozent der Quasare "radiolaut", d. h. sie leuchten bei Radiofrequenzen besonders hell. Die Astronomen rätseln jedoch, wie dieser geringe Anteil zu erklären ist und ob er auch für die frühesten kosmischen Epochen gilt.

Bis vor Kurzem waren nur drei radiolaute Quasare mit einer Rotverschiebung (z) von mehr als sechs bekannt, wobei der am weitesten entfernte bei z = 6,2 lag. Die Rotverschiebung ist das Maß, das Kosmologen verwenden, um große Entfernungen von Objekten anzuzeigen, die dadurch entstehen, dass die kosmische Expansion das elektromagnetische Spektrum zu größeren Wellenlängen hin verschiebt. Die Rotverschiebung hängt direkt mit dem Alter des Universums zusammen, in dem z. B. ein Quasar beobachtet wird.

Nun hat ein internationales Forscherteam die bisher fernste bekannte Radioquelle entdeckt. Eduardo Bañados, Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und Chiara Mazzucchelli von der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile und ehemalige Doktorandin am MPIA, leiteten die Zusammenarbeit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden den Quasar mit der Bezeichnung P172+18 bei der Rotverschiebung z=6,82. Sie entspricht einer Ära, in der das Universum gerade einmal 780 Millionen Jahre alt war, also etwa 100 Millionen Jahre früher als der bisherige Rekordhalter.

Anzeige

"Ich finde es sehr aufregend, zum ersten Mal neue Schwarze Löcher zu entdecken und einen weiteren Baustein zu liefern, um zu verstehen, wie das ursprüngliche Universum entstanden ist", sagt Mazzucchelli. "Die Beobachtungen sind nicht nur dazu da, Entfernungsrekorde zu jagen", erklärt Bañados und sein Kollege Jan-Torge Schindler, ergänzt: "Entfernte, radiolaute Quasare am Anfang der Entwicklung des Kosmos dienen auch als Leuchtfeuer, um Material zu untersuchen, das zwischen der Erde und den Quasaren liegt." Da Gas bei unterschiedlichen Rotverschiebungen seinen Fingerabdruck im Spektrum der Quasare hinterlässt, lässt sich das Muster nutzen, um die Gasdichte und deren Verteilung im frühen Universum zu bestimmen.

Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum sorgt für die Schwerkraft, die das umgebende Gas anzieht und es ins Innere stürzen lässt. Dabei bildet sich eine Akkretionsscheibe, über die das Gas in das Schwarze Loch strudelt. Durch die Reibung heizt es sich auf so hohe Temperaturen auf, dass es im UV-Licht besonders hell leuchtet. Dieser Prozess setzt pro Sekunde so viel Strahlungsenergie frei wie das 580-Fache der gesamten Milchstraße.

Die Masse des Schwarzen Lochs von P172+18 beträgt etwa das 70-fache der Masse seines Gegenstücks im Zentrum der Milchstraße, und es wächst immer noch rasant. Die Messungen deuten darauf hin, dass dieser Quasar eines der am schnellsten akkretierenden supermassereichen Schwarzen Löcher beherbergt, die bekannt sind. "Dieses Schwarze Loch erfreut sich eines Festmahls und gewinnt sehr schnell an Masse", so MPIA-Doktorand Irham Andika. Die dabei von der Akkretionsscheibe ausgesandte Strahlung wird so intensiv, dass sie dem kollabierenden Gas entgegenwirkt und den Zufluss allmählich abbremst.

Die von den Forschenden mit dem Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) des NRAO gemessene Radiostrahlung deutet auf einen Jet hin, der ionisiertes Gas in einem eng gebündelten Strahl auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Solche Jets dienen auch als Ventil, das einen Teil des Drucks abführt, der durch den Akkretionsprozess erzeugt wird. Ein Vergleich mit 20 Jahre alten Daten legt nahe, dass P172+18 in den letzten Jahren an Radioleuchtkraft verloren hat. Ob dieser Befund etwas mit einem schwächer werdenden Jet und einer nachlassenden Akkretionstätigkeit zu tun hat, lässt sich aber erst mit weiteren Messungen abschließend klären.

"Ursprünglich war P172+18 nur einer von vielen Quasarkandidaten, die durch eine Auswertung der Pan-STARRS-Durchmusterung identifiziert wurden", erinnert sich Bañados. "Letztlich brauchten wir aber präzise Beobachtungen mit Infrarotteleskopen, um die Entfernung des Quasars und die Eigenschaften des Schwarzen Lochs zu bestimmen." Astronomen setzen Infrarotkameras und ‑spektrografen ein, die das Licht einfangen, das von Objekten im frühen Universum ausgesandt wird. Um die nötige Präzision zu erreichen, kombinierten die Forschenden Beobachtungen des Magellan-Bade-Teleskops am Las Campanas Observatorium in Chile, des Nordic Optical Telescope auf La Palma in Spanien, des Keck-Teleskops auf Hawaiʻi, des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile und des Large Binocular Telescope auf dem Mount Graham in den USA.

Beim Studium der Radiodaten entdeckten die Wissenschaftler eine weitere Radioquelle in der Nähe von P172+18, deren Rotverschiebung und Entfernung sie jedoch noch nicht bestimmen konnten. Aufgrund der räumlichen Verteilung der Quasare ist die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Zufallstreffers in unmittelbarer Nähe sehr gering. Wenn es sich um eine physikalisch zusammenhängende Doppelquelle handelte, betrüge ihr Abstand, projiziert auf die gedachte Himmelskugel, etwa 400.000 Lichtjahre. Dieser Wert entspricht etwa der doppelten Entfernung zwischen der Milchstraße und der Kleinen Magellanschen Wolke.

Das von Bañados geleitete Team versucht nun zu bestätigen, ob diese beiden Quellen physikalisch miteinander verbunden sind. Sollte dies der Fall sein, würde dies darauf hindeuten, dass es sich um eine der ersten Überdichten von Galaxien im frühen Universum handelt.

Die Entdeckung einer frühen Galaxiengruppe wäre spektakulär, da die Erforschung der Strukturbildung in dieser Epoche gerade erst beginnt. Die Idee ist, dass sich zunächst Wolken aus neutralem Wasserstoff zusammenfinden, die sich dann zu Galaxien entwickeln und möglicherweise Quasare beherbergen. Die systematische Erforschung solcher Wasserstoffwolken während der ersten Milliarden Jahre des Universums liegt noch in weiter Ferne, ist aber prinzipiell möglich. Dazu können radiolaute Quasare als Hintergrundquellen dienen, mit denen die Forschenden diese Wolken nachweisen können.

Noch weiß man nicht, warum verschiedene Quasare eine so große Vielfalt an Radioemission aufweisen. Sie in den frühesten kosmischen Epochen zu untersuchen, kann Aufschluss darüber geben, wie supermassereiche Schwarze Löcher wachsen. Es ist eines der größten Rätsel der Astrophysik, die es noch zu lösen gilt. Allerdings benötigen die Astronomen so viele dieser Quasare wie möglich. "Unsere Messungen zeigen, dass die Radioeigenschaften von P172+18 im Vergleich zu anderen radiolauten Quasaren eher durchschnittlich sind", bemerkt Bañados. "Deshalb sind wir optimistisch und vermuten, dass es da draußen noch viele weitere radiolaute Quasare zu entdecken gibt, manche von ihnen sogar in größeren kosmologischen Entfernungen. Unsere Suche geht weiter." 

Über ihre Beobachtungen berichtete das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.

Forum
Entferntester Quasar im jungen Universum. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
siehe auch
VLT: Wie entfernte Quasare wachsen - 23. Dezember 2019
Quasare: Entstanden Sterne direkt nach dem Urknall? - 1. November 2019
Magellan: Neuer Entfernungsrekord für Quasare - 7. Dezember 2017
Aktive Galaxien: Ein Quasar wird geboren - 28. September 2012
Links im WWW
Bañados, E. et al. (2021): The Discovery of a Highly Accreting, Radio-loud Quasar at z = 6.82, ApJ, 909, 80
Max-Planck-Institut für Astronomie
In sozialen Netzwerken empfehlen
 
 
Anzeige
astronews.com 
Nachrichten Forschung | Raumfahrt | Sonnensystem | Teleskope | Amateurastronomie
Übersicht | Alle Schlagzeilen des Monats | Missionen | Archiv
Weitere Angebote Frag astronews.com | Forum | Bild des Tages | Newsletter
Kalender Sternenhimmel | Startrampe | Fernsehsendungen | Veranstaltungen
Nachschlagen AstroGlossar | AstroLinks
Info RSS-Feeds | Soziale Netzwerke | astronews.com ist mir was wert | Werbung | Kontakt | Suche
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Cookie-Einstellungen
     ^ Copyright Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999-2023. Alle Rechte vorbehalten.  W3C
Diese Website wird auf einem Server in der EU gehostet.

© astronews.com / Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999 - 2020
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung.


URL dieser Seite: https://astronews.com:443/news/artikel/2021/03