Durch die fünfte Dimension zur Dunklen Materie?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
2. Februar 2021
Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik gelten
schon länger als möglicher Weg, um einige wichtige noch offene Fragen in der
Physik zu klären - darunter auch das Geheimnis um die Dunkle Materie. Nun wurde
eine Theorie präsentiert, die eine fünfte Dimension postuliert und die sich
sogar mit Experimenten überprüfen lassen sollte.
Blick in die Weiten des Universums mit dem
Weltraumteleskop Hubble. Den größten Teil der
Materie sieht man auf solchen Bildern allerdings
nicht.
Bild: NASA, ESA, H. Teplitz und M. Rafelski
(IPAC/Caltech), A. Koekemoer (STScI), R.
Windhorst (Arizona State University) und Z. Levay
(STScI) [Großansicht] |
Theoretische Physiker des Exzellenzclusters PRISMA⁺ der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz (JGU) arbeiten an einer Theorie, die über das
Standardmodell der Teilchenphysik hinausgeht und Fragen beantworten könnte, bei
denen das Standardmodell passen muss – etwa in Bezug auf die Massen der
Elementarteilchen oder die Existenz der Dunklen Materie. Zentrales Element der
Theorie ist eine Extradimension in der Raumzeit. Bisher standen die
Wissenschaftler vor dem Problem, dass die Vorhersagen ihrer Theorie nicht
experimentell überprüfbar waren. Dieses Problem glauben sie nun gelöst zu haben.
Bereits in den 1920er Jahren spekulierten Theodor Kaluza und Oskar Klein
anlässlich ihrer Suche nach einer vereinheitlichten Theorie der Schwerkraft und
des Elektromagnetismus darüber, dass es neben den uns aus dem Alltag vertrauten
drei räumlichen Dimensionen und der Zeit — zusammengefasst in der
vierdimensionalen Raumzeit der Physik — weitere Raumdimensionen geben könnte.
Diese wären allerdings winzig klein und für den Menschen nicht wahrnehmbar.
In den späten 1990er Jahren erlebte diese Idee eine bemerkenswerte
Renaissance, als erkannt wurde, dass die Existenz einer fünften Dimension einige
der offenen Fragen der Teilchenphysik beantworten könnte. So haben etwa Yuval
Grossman von der Universität Stanford und Matthias Neubert, zu dieser Zeit
Professor an der Cornell Universität in den USA, in einer Studie gezeigt, dass
durch die Einbettung des Standardmodells der Teilchenphysik in eine
fünfdimensionale Raumzeit die bis dahin mysteriösen Muster in den Massen der
bekannten Elementarteilchen erklärt werden können.
Wiederum 20 Jahre später machte die Gruppe um Matthias Neubert, der seit 2006
an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz forscht und lehrt und dort
Sprecher des Exzellenzclusters PRISMA+ ist, eine weitere unerwartete Entdeckung:
Sie fanden heraus, dass die fünfdimensionalen Feldgleichungen die Existenz eines
neuen schweres Teilchens vorhersagen, das sich ähnlich wie das Higgs-Boson des
Standardmodells verhalten sollte, dessen Masse aber um ein Vielfaches schwerer
ist – so schwer, dass es selbst an dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger
LHC am Europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf nicht produziert und
nachgewiesen werden kann.
"Es war wie verhext. Wir waren begeistert von der Idee, dass unsere Theorie
die Existenz eines neuen Elementarteilchens vorhersagt, aber uns fehlte die
Möglichkeit, diese Hypothese in absehbarer Zeit experimentell zu überprüfen",
erinnert sich Javier Castellano Ruiz, der als Doktorand in Mainz maßgeblich an
den theoretischen Forschungen beteiligt ist.
Nun haben die Forschenden in ihrer aktuellen Studie einen Ausweg aus diesem
Dilemma gefunden. Sie entdeckten, dass das von ihnen postulierte neue Teilchen
zwangsläufig eine Wechselwirkung zwischen den bekannten Elementarteilchen und
der mysteriösen Dunklen Materie im Universum vermittelt. Sogar die beobachtete
Menge an Dunkler Materie, die aus astrophysikalischen Beobachtungen bestimmt
wurde, lässt sich im Rahmen ihrer Theorie erklären. Damit bieten sich
interessante neue Möglichkeiten für die Suche nach den Bausteinen der Dunklen
Materie – sozusagen über den Umweg durch die fünfte Dimension – sowie Einblicke
in die frühe Geschichte des Universums, während der die Dunkle Materie
produziert wurde.
"Nach Jahren, in denen wir intensiv nach möglichen Bestätigungen unserer
theoretischen Vorhersagen gesucht haben, sind wir nun zuversichtlich, dass der
von uns entdeckte Mechanismus die Dunkle Materie erklärt und dabei helfen wird,
diese experimentell nachzuweisen. Denn die Eigenschaften der Wechselwirkung
zwischen der sichtbaren und der Dunklen Materie – die das von uns postulierte
Teilchen vermittelt – werden von der Theorie präzise vorhergesagt", sagt
Neubert. "Letztlich – so unsere Idee – wird sich das neue Teilchen zunächst
nicht direkt, sondern über seine Wechselwirkung nachweisen lassen."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
aktuellen Ausgabe der Zeitschrift European Physical Journal C
veröffentlicht wurde.
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