Neues zu Neutronensternen und Hubble-Konstante
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Potsdam astronews.com
22. Dezember 2020
Ein internationales Wissenschaftsteam hat nicht nur die
Größe eines typischen Neutronensterns bestimmt, sondern auch die Ausdehnung des
Universums gemessen - und dies auf ganz besondere Weise: Die Forschenden
kombinierten Beobachtungsdaten von Neutronenstern-Kollisionen mit
kernphysikalischen Berechnungen.
Ausstoß von elektromagnetischen und
Gravitationswellenemissionen während der
Kollision zweier Neutronensterne.
Bild: Tim Dietrich [Großansicht] |
In der modernen Astrophysik nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
verschiedene Arten von Botensignalen aus dem Weltraum, insbesondere Licht,
kosmische Teilchen und Gravitationswellen, um grundlegende Fragen zur Geschichte
des Kosmos zu beantworten. Diese "Multi-Messenger-Astronomie" ist ein schnell
wachsendes Forschungsgebiet, wobei die kosmischen Boten im elektromagnetischen
Lichtspektrum z. B. Gammastrahlen, ultraviolettes, sichtbares und infrarotes
Licht, oder Radiowellen umfassen. Botenteilchen können aber auch z. B.
Elektronen, Protonen, Neutrinos oder komplexe Atomkerne sein oder auch
Gravitationswellen.
Gravitationswellen sind winzige Wellen innerhalb der vierdimensionalen
Raumzeit, erzeugt von beschleunigten Massen wie Neutronensternen oder Schwarzen
Löchern, die sich aus sterbenden Sternen bilden. Von kollidierenden
Neutronensternen können Astronomen die Eigenschaften von Materie bei sehr hohen
Dichten ableiten, von denen ein einziger Teelöffel voll unvorstellbare Millionen
von Tonnen wiegen würde. Beim Zusammenstoß von Neutronensternen könnten die
meisten schweren Elemente des Periodensystems gebildet werden, außerdem lässt sich aus
den dabei abgegebenen Signalen die Expansionsrate des Universums messen.
Um den physikalischen Prozessen bei Zusammenstößen von Neutronensternen auf
die Spur zu kommen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Frankreich und den USA Beobachtungen
dieser Kollisionen mit elektromagnetischen und Gravitationswellensignalen
kombiniert. "Um astrophysikalische Informationen zum Zustand der Materie unter
diesen extremen Bedingungen zu gewinnen, führen wir unsere Beobachtungen mit
theoretischen kernphysikalischen Berechnungen zusammen. Mit unserer Methode
konnten wir den Durchmesser eines typischen Neutronensterns auf rund zwölf
Kilometer bestimmen. Das entspricht der Größe einer Stadt, aber mit einer Masse
von einer halben Million Erdmassen", sagt Tim Dietrich, Professor für
theoretische Astrophysik am Institut für Physik und Astronomie der Universität
Potsdam.
Außerdem nutzte das Forschungsteam die astrophysikalischen Informationen, um
die Hubble-Konstante zu bestimmen. "In den letzten Jahren hat die
Wissenschaftsgemeinschaft versucht, verschiedene Messungen dieser fundamentalen
Konstante, welche die Ausdehnung des Universums beschreibt, zu vereinheitlichen.
Mit unserem Ansatz konnten wir die Hubble-Konstante neu messen, und die
Ergebnisse bestätigen die vorhergehende Messung anhand des kosmischen
Mikrowellenhintergrunds", fügt Ingo Tews hinzu, Wissenschaftler am Los
Alamos National Laboratory und Koautor der Studie. Der gefunden Wert liegt
bei etwa 66 km/s / Mpc.
Ausgehend von theoretischen Überlegungen zur Kernmaterie in Neutronensternen
analysierten die Forschenden astronomische Daten in einem mehrstufigen Prozess.
"Wir berücksichtigten Massebestimmungen von Neutronensternen aus
Radiobeobachtungen, Messungen eines schnell rotierenden Neutronensterns, sowie
Beobachtungen von elektromagnetischen und Gravitationswellensignalen von
kollidierenden Neutronensternen", erklärt Dietrich die Methoden. "Für letztere
haben wir das gesamte Frequenzspektrum von Radiowellen bis zu Gammastrahlen
untersucht." Der entwickelte Ablauf sei allgemeingültig und könne leicht
erweitert werden, um in den nächsten Jahren eine wachsende Anzahl von Signalen
zu berücksichtigen, fasst er zusammen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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