Einblicke in die Frühphase von Planetensystemen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
1. Dezember 2020
Protoplanetare Scheibe können offenbar länger Material von
ihrer Mutterwolke aufnehmen als angenommen. Dies ergaben jetzt vorgestellte
Beobachtungen des jungen Sternsystems [BHB2007] 1 mit dem Radioteleskopverbund
ALMA in der Atacamawüste Chiles. Die Entdeckung ist wichtig, um die weitere
Entwicklung von Planetensystemen besser zu verstehen.
Diese Falschfarbenaufnahme zeigt die
Akkretionsfilamente um den Protostern [BHB2007]
1. Die großen Strukturen sind Ströme von
molekularem Gas (CO), das die zirkumstellare
Scheibe um den Protostern speist. Der Ausschnitt
zeigt die Staubemission der Scheibe von der Seite
gesehen. Die "Löcher" in der Staubkarte stellen
einen enormen ringförmigen Hohlraum dar, der (von
der Seite) in der Scheibenstruktur zu sehen ist.
Bild: MPE [Großansicht] |
Sternsysteme wie unser Sonnensystem entstehen in interstellaren Wolken aus
Gas und Staub, die kollabieren und junge Sterne bilden. Diese sind in eine
protoplanetare Scheibe eingebettet, in der Planeten entstehen und den Raum um
sich herum frei räumen - wie kürzlich in bereits entwickelten Systemen
beobachtet, bei denen die Mutterwolke schon aufgebraucht war.
Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA)
haben nun eine protoplanetare Scheibe gezeigt, die einerseits eine große Lücke
aufweist, die andererseits aber immer noch über ausgedehnte Gasfilamente von der
umgebenden Wolke gespeist wird. Dies zeigt, dass die Akkretion von Material auf
die protoplanetare Scheibe länger andauert als bisher angenommen, was sich auf
die Entwicklung des zukünftigen Planetensystems auswirkt.
Ein Team von Astronominnen und Astronomen unter der Leitung von Dr.
Felipe Alves vom Zentrum für Astrochemische Studien (CAS) am Max-Planck-Institut
für extraterrestrische Physik (MPE) verwendete ALMA, um den Akkretionsprozess im
stellaren Objekt [BHB2007] 1 zu untersuchen, einem System an der Spitze der
Pfeifennebels. Die ALMA-Daten zeigen eine Scheibe aus Staub und Gas um den
Protostern und große Gasfilamente um diese Scheibe herum.
Die Wissenschaftler interpretieren diese Filamente als Akkretionsströme, die
die Scheibe mit Material aus der umgebenden Wolke speisen. Die Scheibe bereitet
das einströmende Material weiter auf und führt es dem Protostern zu. Die
beobachtete Struktur ist sehr ungewöhnlich für stellare Objekte in diesem
Entwicklungsstadium – bei einem Alter von etwa 1.000.000 Jahren – wenn sich die
zirkumstellare Scheibe bereits gebildet hat und reif ist für die Entstehung von
Planeten. "Wir waren ziemlich überrascht zu beobachten, dass es so markante
Akkretionsfilamente gibt, die auf die Scheibe einfallen", sagt Alves. "Die
Aktivität dieser Filamente zeigt, dass die Scheibe immer noch wächst, während
sie gleichzeitig den Protostern ernährt."
Das Team fand auch einen riesigen Hohlraum innerhalb der Scheibe. Der
Hohlraum hat eine Breite von 70 Astronomischen Einheiten und umfasst einen
kompakten Bereich aus heißem molekularem Gas. Darüber hinaus weisen zusätzliche
Daten des Very Large Array (VLA) bei Radiofrequenzen darauf hin, dass
an derselben Stelle, an der das heiße Gas detektiert wurde, nichtthermische
Emission vorhanden ist. Beide Beweisketten deuten darauf hin, dass sich ein
"substellares" Objekt – ein junger Riesenplanet oder Brauner Zwerg – in dem
Hohlraum befindet. Wenn dieser Begleiter Material von der Scheibe akkretiert,
heizt er das Gas auf und treibt möglicherweise starke ionisierte Winde und/oder
Jets an.
Das Team schätzt, dass ein Objekt mit einer Masse zwischen 4 und 70
Jupitermassen nötig ist, um die beobachtete Lücke in der Scheibe zu erzeugen.
"Wir stellen hier einen neuen Fall von Stern- und Planetenentstehung vor, bei
dem sich beide Objekte gleichzeitig bilden", erklärt Paola Caselli, Direktorin
am MPE und Leiterin der CAS-Gruppe. "Unsere Beobachtungen liefern starke
Hinweise darauf, dass protoplanetare Scheiben auch nach Beginn der
Planetenentstehung weiter Material sammeln. Dies ist eine wichtige Information,
weil das frische Material, das auf die Scheibe fällt, sowohl die chemische
Zusammensetzung des zukünftigen Planetensystems als auch die dynamische
Entwicklung der gesamten Scheibe beeinflusst."
Diese Beobachtungen bringen zudem Einschränkungen für die Zeitskala der
Entstehung von Planeten und die Entwicklung der Scheibe mit sich und werfen ein
Licht darauf, wie Sternsysteme wie unser Sonnensystem aus der ursprünglichen
Wolke gebildet werden.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in den
Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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