Wann entsteht ein Schwarzes Loch?
Redaktion
/ Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung
GmbH astronews.com
19. November 2020
Wann entsteht aus der Kollision von zwei Neutronensternen
ein Schwarzes Loch? Dieser Frage haben sich Forschende nun mithilfe von
Computersimulationen angenommen. Danach ist das Ergebnis der Kollision stark vom
Zustand der Materie in den Neutronensternen abhängig. Dies macht weitere
Beobachtungen von Gravitationswellen solcher Kollisionen noch interessanter.
Künstlerische Darstellung der Kollision
zweier Neutronensterne. Wann entsteht daraus ein
Schwarzes Loch?
Bild: Dana Berry, SkyWorks Digital, Inc. [Großansicht] |
Unter welchen Bedingungen bildet sich überhaupt ein Schwarzes Loch? Dieser
Frage sind Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom GSI Helmholtzzentrum für
Schwerionenforschung in Darmstadt in einer internationalen Kollaboration
nachgegangen. Die Forschenden untersuchten hierbei mithilfe von
Computersimulationen einen speziellen Prozess, der zur Bildung eines Schwarzen
Loches führen kann: die Kollision zweier Neutronensterne.
Schon in Neutronensternen ist Materie extrem verdichtet. Die Masse von
anderthalb Sonnen ist auf den Radius von wenigen Kilometern zusammengedrückt.
Damit entstehen ähnliche beziehungsweise sogar noch höhere Dichten als im Innern
von Atomkernen. Verschmelzen zwei Neutronensterne in einem Doppelsternsystem,
wird die Materie in der Kollision noch zusätzlich verdichtet. Beste Chancen also
für die Entstehung eines Schwarzen Loches.
Schwarze Löcher sind die kompaktesten Objekte im Universum, selbst Licht kann
nicht mehr entweichen, weshalb sie sich nicht direkt beobachten lassen.
"Entscheidend ist die Masse der Neutronensterne", fasst Dr. Andreas Bauswein aus
der GSI-Forschungsabteilung Theorie die Studie zusammen. "Überschreitet die
Gesamtmasse des Doppelsternsystems eine bestimmte Grenze, ist der Kollaps zum
Schwarzen Loch unausweichlich." Wo genau diese Grenzmasse liegt, hängt jedoch
von den Eigenschaften hochdichter Kernmaterie ab.
Diese Eigenschaften sind im Detail noch nicht genau bekannt und werden zum
Beispiel auch in viel kleinerem Maßstab bei Kollisionen von Atomkernen an den
Beschleunigereinrichtungen bei GSI untersucht. In diesen Schwerionenstößen
werden tatsächlich ähnliche Bedingungen wie bei Neutronensternverschmelzungen
erzeugt. Basierend auf theoretischen Überlegungen und Experimenten mit
Schwerionenstößen, können bestimmte Modelle (sogenannte Zustandsgleichungen) von
Neutronensternmaterie berechnet werden.
Für zahlreiche solcher Zustandsgleichungen konnte die Studie nun die
Grenzmasse berechnen. Das Ergebnis: Lässt sich Neutronensternmaterie
beziehungsweise Kernmaterie leicht komprimieren – ist die
Materie/Zustandsgleichung also "weich" –, führt schon die Kollision von relativ
leichten Sternen zur Bildung eines Schwarzen Loches. "Steife", schwer
komprimierbare Kernmaterie dagegen kann größere Massen gegen den sogenannten
Gravitationskollaps stabilisieren, und es bildet sich nur ein sehr schwerer
rotierender Neutronenstern als Überbleibsel der Kollision.
Die Grenzmasse selbst gibt also Auskunft über die Eigenschaften von
Kernmaterie und könnte laut der neuesten Studie sogar klären, ob sich während
der Kollision die Kernbausteine in ihre Bestandsteile, die Quarks, auflösen.
"Das ist deshalb spannend, weil wir die Grenzmasse in Zukunft aus Beobachtungen
ableiten können", ergänzt Professor Nikolaos Stergioulas vom Fachbereich Physik
der Aristoteles-Universität Thessaloniki in Griechenland.
Vor wenigen Jahren wurde zum ersten Mal eine Neutronensternverschmelzung
mittels Gravitationswellen beobachtet, und einige Stunden später konnten
Teleskope das optische Signal der Verschmelzung finden. Bildet sich ein
Schwarzes Loch, ist dieses optische Signal der Kollision jedoch sehr schwach.
Die Teleskopdaten verraten demnach, ob sich ein Schwarzes Loch gebildet hat.
Gleichzeitig kann aus der Form des Gravitationswellensignals die Gesamtmasse
bestimmt werden: Je lauter beziehungsweise stärker das Signal ist, umso schwerer
waren die Sterne.
Während Gravitationswellendetektoren und Teleskope auf die nächste
Neutronensternverschmelzung warten, werden in Darmstadt die Weichen für noch
detailliertere Erkenntnisse gestellt. Mit dem neuen Beschleunigerzentrum FAIR,
das derzeit bei GSI entsteht, können die Bedingungen in
Neutronensternverschmelzungen künftig noch realistischer nachgebildet werden.
Die Ergebnisse werden in einem Fachartikel beschrieben, der in den
Physical Review Letters erschienen ist.
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